Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
Urteil vom 5. August 2016
- 1 B 125/16 -

(weitere Fundstellen: NordÖR 2016, 492 ff.)

 

Leitsätze:

1.

Zum Nachbarrechtsschutz bei genehmigungsfreien Vorhaben.

2.

Zum Anspruch des Nachbarn auf Berücksichtigung seines Interesses an der Beibehaltung vormals geltender bauplanerischer Festsetzungen im Rahmen einer Änderungsplanung.

3.

Zum Gebot der Rücksichtnahme (Verbot, eine den Nachbarn erdrückende Bebauung zu ermöglichen) als Bestandteil des Abwägungsgebots.

4.

Zum Verhältnis zwischen Abstandsflächenrecht und Gebot der Rücksichtnahme.

 

Zum Sachverhalt

1.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Einfamilienhausgrundstücks, das an das auf dem Nachbargrundstück geplante dreigeschossige Mehrfamilienhaus angrenzt. Grundlage für die Neubebauung ist ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der abweichend von nach altem Bebauungsplan erlaubter eingeschossiger Bauweise die Anzahl der Vollgeschosse nicht begrenzt. Die Antragsteller, die einen Normenkontrollantrag nicht gestellt haben, machen geltend, dass ihr aus dem alten Bebauungsplan resultierendes Interesse an Beibehaltung einer restriktiven Bebaubarkeit nicht hinreichend berücksichtigt wurde und die neue Bebauung rücksichtlos ist.

 

Aus den Gründen:

2.

II. Die Beschwerde der Antragsteller, bei deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht auf die dargelegten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bleibt erfolglos. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

3.

1. Zutreffend ist zunächst die vom Verwaltungsgericht vorgenommene prozessuale Einordnung des Rechtsschutzbegehrens, das sich in der Antragstellung widerspiegelt. Das geplante Vorhaben ist nach § 62 Abs. 2 BremLBO genehmigungsfrei gestellt. Insbesondere hat die Stadtgemeinde nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 4 BremLBO erklärt, das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchführen zu wollen. Da es keiner Baugenehmigung bedurfte, können die Antragsteller als Nachbarn des Bauvorhabens Rechtsschutz nur erlangen mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, gegen die Beigeladene bauaufsichtlich einzuschreiten. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht insoweit davon ausgegangen, dass der rechtliche Maßstab zur Bestimmung eines Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten zugunsten der Antragsteller zu modifizieren ist: Der Anspruch besteht, wenn das Vorhaben gegen nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt und der Nachbar hierdurch in seinen Belangen mehr als nur geringfügig berührt wird (Finkelnburg in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 1296 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

4.

2. Ebenfalls zutreffend geht das Verwaltungsgericht im Hinblick auf den rechtlichen Maßstab davon aus, dass die gerichtliche Kontrolle eines Bebauungsplanes beschränkt ist, wenn der Nachbar die Nichtigkeit des Plans im vorläufigen Rechtsschutzverfahren und außerhalb eines Normenkontrollverfahrens geltend macht. Mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ist deshalb in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung bzw. auf bauaufsichtliches Einschreiten bei genehmigungsfreien Vorhaben von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Bebauungsplans auszugehen, es sei denn, dieser wäre offensichtlich unwirksam (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.12.2006 – 7 B 2193/06, BRS 70 Nr. 181, Sächsisches OVG, Beschl. v. 28.09.2012 – 1 B 313/12, BauR 2013, S. 459 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.10.2006 – 15 CS 06.2184, juris).

5.

Hieran gemessen ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan nicht offensichtlich unwirksam. Die Antragsteller machen geltend, die Stadtgemeinde habe bei Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 104 § 1 Abs. 7 BauGB verletzt, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Dies sei im Hinblick auf ihre schützenswerten Belange nicht erfolgt.

6.

a) Soweit die Antragsteller rügen, es liege sogar ein Abwägungsausfall vor, weil die Stadtbürgerschaft sich mit den sich aus dem bisherigen Bebauungsplan ergebenden Rechtspositionen der Anwohner nicht auseinandergesetzt habe, ist hierfür nichts ersichtlich.

7.

a) Die Einwendungen der Antragsteller waren Gegenstand des Planaufstellungsverfahrens. Sie führten dazu, dass der Entwurf des Bebauungsplans zugunsten der Antragsteller überarbeitet wurde, auch wenn der aus ihrer Sicht durch die neue Bebauung hervorgerufene Konflikt hiermit nicht zu lösen war. Die Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft hat zu den Einwendungen der Antragsteller umfangreich Stellung genommen und dabei insbesondere berücksichtigt, welche Bebauung bereits auf der Grundlage des alten Bebauungsplans 372 hätte realisiert werden können. Die Antragsteller kennen diese Stellungnahme der Deputation. Sie lag auch der Stadtbürgerschaft bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan am 08.12.2015 (Beschlussprotokoll Nr. 19/78 S) vor (vgl. Mitteilung des Senats v. 17.11.2015, Drucks. – Stadtbürgerschaft – 19/50 S sowie das Anschreiben des Bauamts Bremen-Nord an die Antragsteller vom 13.01.2016). Für einen Abwägungsausfall ist nichts ersichtlich. Zu Unrecht meinen die Antragsteller, das der Gemeinde vorliegende Abwägungsmaterial sei allein der Planbegründung zu entnehmen (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 20.01.1995 – 4 NB 43.93, BauR 1996, 63 ff.).

8.

b) Nicht richtig ist es auch, wie die Antragsteller mit ihrer Beschwerde meinen, der alte Bebauungsplan 372 mit der Festsetzung von – größtenteils – eingeschossiger Bauweise auf dem Vorhabengrundstück sowie der Anordnung des Baufensters in West-Ost-Ausrichtung vermittle ihnen eine schutzwürdige Position, die die Gemeinde bei der Neuplanung des Gebiets nicht überwinden konnte bzw. jedenfalls nicht in rechtmäßiger Weise überwunden hat.

9.

Es versteht sich von selbst, dass eine Gemeinde bei einer Änderungsplanung die durch die Erstplanung vorgegebene rechtliche Situation der überplanten Grundstücke nicht ignorieren darf und deshalb das Interesse des Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bei der Änderungsplanung in die Abwägung einzustellen ist. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 18.10.2006 – 4 BN 20.06, BauR 2007, S. 331 f.), auf die die Antragsteller sich mit ihrer Beschwerde beziehen, und gilt auch für sie, obwohl ihr Grundstück nicht mehr im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 104 liegt.

10

Die Stadtgemeinde hat die bislang sowohl auf dem Vorhabengrundstück als auch auf den benachbarten Grundstücken geltenden bauplanerischen Festsetzungen bei ihrer Abwägung berücksichtigt.

11.

Soweit die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vortragen, sie durften davon ausgehen, dass in der rückwärtigen Nachbarschaft zu ihrem Haus mehr oder weniger gleichartige freistehende Einfamilienhäuser in eingeschossiger Bauweise entstehen würden, die sich damit vollständig in die Gebietsprägung der näheren Umgebung einfügen würden, war ein solches Vertrauen schon auf der Grundlage des alten Bebauungsplans nicht berechtigt, weil etwa bei der Festsetzung offener Bauweise neben Einzelhäusern auch Doppelhäuser und oder eine Hausgruppe mit einer Länge von höchstens 50 Metern (§ 22 Abs. 2 BauNVO 1968), wie sie anscheinend auch entlang der U-Straße entstanden ist, errichtet werden dürfen.

12.

Entscheidend aber ist, dass die Antragsteller allein einen Anspruch darauf haben, dass ihre Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein bestimmtes Abwägungsergebnis können sie nicht verlangen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1998 – 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff.).

13.

Eine solche „Abarbeitung“ der Belange der Antragsteller hat auch im Hinblick auf die durch die Erstplanung vorgegebene rechtliche Situation der überplanten Grundstücke stattgefunden. Rechtsfehler sind weder hinsichtlich des Abwägungsvorgangs noch im Hinblick auf das Abwägungsergebnis zu erkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Betroffenen in die bisherigen Festsetzungen auch davon abhängt, inwieweit sie bislang realisiert worden sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.01.2012 – 1 MN 93/11, NordÖR 2012, 185 ff. m.w.N.).

14.

Daraus folgt, dass das Vertrauen der Antragsteller in die Beibehaltung der bisherigen bauplanerischen Festsetzungen kaum schutzwürdig sein kann. Das betrifft insbesondere die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche und damit die Anordnung des Baufensters. Das Vorhabengrundstück ist über mehrere Jahrzehnte nicht bebaut worden. Es spricht einiges dafür, dass bei der Aufstellung des alten Bebauungsplanes auf die Hanglange, die das Grundstück prägt, nicht hinreichend Rücksicht genommen worden war. Im Rahmen der Neuplanung hat sich die Stadtgemeinde dazu entschieden, das Baufenster entsprechend zu drehen, so dass nunmehr eine Bebauung allein auf der Westseite des mit knapp 2.800 qm immer noch großen Grundstücks möglich ist. Wie sich aus den Planaufstellungsunterlagen ergibt, haben dabei Gesichtspunkte des Baumschutzes eine große Rolle gespielt. Auch sollte der das Gebiet landschaftlich prägende Geesthang erhalten bleiben.

15.

Auch im Hinblick auf die Festsetzungen bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung ist nicht erkennbar, dass das Interesse der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bei der Änderungsplanung abwägungsfehlerhaft zurückgestellt wurde. Dies betrifft insbesondere die Zahl der Vollgeschosse. Während der alte Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück eingeschossige Bauweise festgesetzt hat, arbeitet der neue vorhabenbezogene Bebauungsplan mit der Festsetzung maximaler Gebäudehöhen, was auch im Hinblick auf die topographischen Verhältnisse naheliegt. Aus den bereits angeführten Deputationsunterlagen ergibt sich, dass die nunmehr festgesetzte Gebäudehöhe einer zweigeschossigen Bebauung zuzüglich eines aus Sicht der Nachbarn abrückenden Staffelgeschosses entspricht. Damit orientiert sich die nunmehr durch die Änderungsplanung ermöglichte Bebauung des Vorhabengrundstücks an der für die umliegenden Grundstücke weiter fortgeltenden Festsetzung von zwei Vollgeschossen. Dass die vorhandenen Wohnhäuser sowohl der Antragsteller als auch ihrer nördlichen Nachbarn (H-Straße ...) bislang niedriger sind, als sie bauplanungsrechtlich sein könnten, ist insoweit unerheblich. Ein im Rahmen der Abwägung durchgreifender Anspruch gegen die Stadtgemeinde, bei der Änderungsplanung die Festsetzung eingeschossiger Bauweise beizubehalten, ist jedenfalls nicht ersichtlich.

16.

c)Die Antragsteller können sich auch nicht darauf berufen, dass das Abwägungsergebnis sie unverhältnismäßig belastet, indem die nunmehr erlaubte Bebauung ihnen gegenüber rücksichtslos ist, was ebenfalls die Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 104 zur Folge hätte (vgl. zum Gebot der Rücksichtnahme als verfassungsrechtliche Schranke der Bauleitplanung Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn. 122; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 120. EL Februar 2016, § 1 Rn. 210).

17.

Die Antragsteller berufen sich insoweit zunächst darauf, der Bebauungsplan ermögliche die Errichtung von Baukörpern, die auf ihr Grundstück eine erdrückende Wirkung ausübten (vgl. zur Verletzung des Abwägungsgebots insoweit VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.09.2015 – 3 S 975/14, BauR 2015, 1984 ff. m.w.N.; Hamburgisches OVG, Urt. v. 07.06.2012 – 2 E 8/09.N, NordÖR 2013, 508 ff.).

18.

Eine erdrückende Wirkung ist anzunehmen, wenn das neue bauliche Vorhaben etwa eine Abriegelungswirkung oder das Gefühl des „Eingemauertseins“ erzeugt. Vom Neubauvorhaben muss aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte, handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (OVG Bremen, Beschl. v. 19.03.2015 – 1 B 19/15, NordÖR 2015, 257 = BauR 2015, 1802 m.w.N.).

19.

Die von den Antragstellern geltend gemachte Beeinträchtigung steht in einem Zusammenhang mit den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften. Diese Vorschriften regeln, welcher Mindestabstand zwischen Gebäuden erforderlich ist (vgl. § 6 Abs. 5 BremLBO). Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften stets auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gewahrt ist. Zumindest aus tatsächlichen Gründen ist das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot aber im Regelfall nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98, NVwZ 1999, 879; OVG Bremen, Beschl. v. 19.03.2015 – 1 B 19/15, NordÖR 2015, 257 = BauR 2015, 1802 m.w.N.).

20.

Im vorliegenden Fall hat der vorhabenbezogene Bebauungsplan die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen unberührt gelassen. Eine abweichende Regelung (vgl. hierzu § 6 Abs. 1 Satz 3 BremLBO) hat er nicht getroffen. Nach den festgesetzten Baugrenzen rückt die Bebauung zwar weiter an die Grundstücksgrenze der Antragsteller heran, wobei der Abstand zwischen den Gebäuden auch zukünftig ca. sieben Meter betragen wird. Dies führt aber nicht dazu, dass die erforderliche Tiefe der Abstandsflächen unterschritten wird (vgl. auch Bauvorlage 5). Vor diesem Hintergrund ist für eine durch die Änderungsplanung nunmehr ermöglichte erdrückende Wirkung wenig ersichtlich.

21.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das von den Antragstellern bewohnte Einfamilienhaus ebenfalls dicht an die Grundstücksgrenze herangerückt ist. Im Ergebnis werden sich zukünftig zwei Gebäude gegenüberstehen, die beide unter Einhaltung des abstandsflächenrechtlich geltenden Mindestabstands errichtet wurden. Dies mag „eng“ erscheinen. Es entspricht aber dem, was der Landesgesetzgeber bauordnungsrechtlich noch für zulässig gehalten hat. Die hieran anknüpfende Planungsentscheidung der Gemeinde kann nicht unverhältnismäßig sein.

22.

Eine erdrückende Wirkung kann darüber hinaus auch nicht im Hinblick auf die vom vorhabenbezogenen Bebauungsplan 104 ermöglichte Gebäudehöhe angenommen werden. Auch insoweit kommt den in Beziehung zur Gebäudehöhe stehenden Abstandsflächenvorgaben eine Indizwirkung zu. Zu berücksichtigen ist weiter, dass ohne das aus Sicht der Antragsteller zurückgestaffelte 2. OG die maximale Gebäudehöhe 17,5 Meter ü.NN beträgt, wobei die Geländehöhe zwischen 8,61 Metern (H4) und 10,51 Metern ü.NN (H3) liegt. Wie sich insbesondere aus der Bauvorlage 10 (Schnitte AA – Südansicht – und BB – Nordansicht –) ergibt, liegt die Oberkante des 1. OG unter Ausnutzung der nunmehr geltenden bauplanerischen Festsetzung zur Gebäudehöhe noch unter der Firsthöhe des Daches der Antragsteller. Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller aufgrund der Festsetzung der Zweigeschossigkeit auch höher sein könnte. Eine erdrückende Wirkung ist insoweit nicht ersichtlich.

23.

3. Das konkrete Bauvorhaben verletzt ebenfalls keine nachbarschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Da es die Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans 104 einhält, kommt von vornherein nur eine Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BauNVO i. V. m. dem Gebot der Rücksichtnahme in Betracht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Gebot der Rücksichtnahme bereits Bestandteil der bauleitplanerischen Abwägung gewesen ist (oben unter 2.). § 15 Abs. 1 BauNVO sichert und ergänzt die Bauleitplanung, kann die Verwirklichung der einem Bebauungsplan zugrundeliegenden Planungsabsichten aber nicht verhindern. Je konkreter eine Festsetzung ist, umso geringer ist die Gestaltungsfreiheit für die Betroffenen und damit auch für die Anwendung des § 15 BauNVO (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 06.03.1989 – 4 NB 8.89, BauR 1989, S. 129 f.). Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltenen Rücksichtnahmegebots setzt voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 12.09.2013 – 4 C 8.12, BVerwGE 147, S. 379 ff. m.w.N.). Dies ist hier nur eingeschränkt der Fall.

24.

Eine Verletzung des § 15 Abs. 1 BauNVO scheidet zunächst aus im Hinblick auf die von den Antragstellern gerügte „erdrückende Wirkung“, weil die überbaubare Grundstücksfläche und die maximale Höhe der baulichen Anlagen Gegenstand von Festsetzungen im – wirksamen – vorhabenbezogenen Bebauungsplan sind. Für eine Konfliktbewältigung auf der Ebene des Planvollzugs ist kein Raum.

25.

Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auf der Ebene des Planvollzugs kommt von vornherein nur in Betracht zum einen im Hinblick auf die von den Antragstellern gerügten Einblicksmöglichkeiten, weil die Antragsteller sich insbesondere an den entstehenden Sichtbeziehungen zwischen dem EG und dem 1. OG des südlich gelegenen Bauvorhabens (Fenster zum Wohn-/Essbereich sowie Loggien der Wohnungen 06 und 08) und – eingeschränkt – dem 2. OG einer- und dem Grundstück der Antragsteller (Schlafzimmer und Südterrasse) andererseits stören. Zum anderen rügen sie unzumutbare Beeinträchtigungen im Hinblick auf die konkrete Erschließungssituation für Kraftfahrzeuge.

26.

Nach der Rechtsprechung des Senats können Einblicksmöglichkeiten in das Nachbargrundstück, die durch ein neues Bauvorhaben geschaffen werden, nur unter besonders gravierenden Umständen als Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme angesehen werden (Beschl. des Senats vom 14.05.2012 - 1 B 65/12, NordÖR 2012, 401). Das kann etwa der Fall sein, wenn durch das neue Bauvorhaben unmittelbare Einsichtsmöglichkeiten aus kurzer Entfernung in Wohnräume geschaffen werden (vgl. zu einem solchen Fall etwa OVG Thüringen, Beschl. v. 11.05.1995 - 1 EO 486/94, BRS 57 Nr. 221). Bei Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen scheidet eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme wegen vermeintlich unzumutbarer Einblicksmöglichkeiten regelmäßig aus. Dies gilt auch vorliegend. Die Einsichtsmöglichkeiten halten sich im Rahmen dessen, was, zumal im städtischen Bereich, hinzunehmen ist.

27.

Die Erschließungssituation stellt sich gegenüber den Antragstellern ebenfalls nicht als unzumutbar dar. Die Antragsteller berufen sich in ihrer Beschwerde darauf, die in der Tiefgarage vorgesehenen PKW-Stellplätze seien unzureichend, obwohl sie nicht bestreiten, dass die Beigeladene ihrer Stellplatzpflicht nach § 49 BremLBO genügt. Soweit sie befürchten, dass zukünftige Besucher entlang ihres Grundstücks an der Hohlen Straße parken, ist dies bauplanungsrechtlich unerheblich. Im südlichen Teilstück der Hohlen Straße ist aufgrund einer Fahrbahnverengung ein absolutes Halteverbot angeordnet. Verstöße hiergegen sind straßenverkehrsrechtlich zu ahnden. Geringere Stellplatzzahlen in der Tiefgarage gehen zunächst mit geringerem Zu- und Abfahrtverkehr über die an der südlichen Grundstücksgrenze der Antragsteller verlaufende Zufahrt einher, was die Antragsteller entlastet. Inwieweit die geplante Zufahrt gleichwohl gegenüber den Antragstellern rücksichtslos sein soll, ist nicht erkennbar.