Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 21.04.1983
- 11 A 424/82
-

 (weitere Fundstellen: NJW 1984, 1982 f.)

 

Leitsätze

1.

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein nachbarlicher Abwehranspruch gegen die öffentliche Hand vor den Zivilgerichten bzw den Verwaltungsgerichten geltend zu machen ist

2.

Ein schlichter (öffentlich-rechtlicher) Abwehranspruch, gerichtet auf ein bloßes Unterlassen rechtswidriger hoheitlicher Immissionen in der Zukunft, ergibt sich aus dem verletzten Grundrecht (Art 14, Art 2 GG) selbst.

3.

Erfordert das Unterbinden der unmittelbaren Beeinträchtigungen wegen der tatsächlichen Untrennbarkeit von Störungsquelle und Störungsfolge eine Beseitigung auch der Störungsquelle, ist auf den Folgenbeseitigungsanspruch abzustellen. Eine auf ihn gestützte Verurteilung ist nicht allein von der Rechtswidrigkeit der Störung abhängig zu machen, sondern es ist zusätzlich festzustellen, ob die Beachtung dieser weitergehenden Pflicht dem Verwaltungsträger rechtlich und tatsächlich möglich sowie zumutbar ist.

4.

Dieser Folgenbeseitigungsanspruch ist bei Nachbarabwehrklagen auf der Voraussetzungsseite - bei der Frage nach der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns - zu erweitern, so daß Prüfungsmaßstab sowohl das öffentliche Baurecht als auch Grundgedanken des privaten Nachbarrechts sein müssen. Dieser erweiterte Prüfungsmaßstab erfährt die gebotene Wiedereingrenzung dadurch, daß der Kläger, um Erfolg zu haben, ein subjektives Abwehrrecht geltend machen muß.

5.

Der Nachbar kann in diesem Fall einen Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme (BBauG § 34 Abs 1) unmittelbar gegenüber dem "polizeipflichtigen" Hoheitsträger geltend machen.

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Kläger wandte sich dagegen, daß die Beklagte das Kellergeschoß des seinem Wohnhaus gegenüberliegenden Feuerwehrgerätehauses als Standort einer Baukolonne nutzt. Das Feuerwehrgerätehaus besteht im Erdgeschoß, das von der Straße her erschlossen wird, im wesentlichen aus der Garagenhalle für den Feuerwehrfuhrpark der Beklagten, der von der freiwilligen Feuerwehr benutzt und gewartet wird. Im Kellergeschoß liegt neben den Heizungs- und Kellerräumen sowie einem Aufenthaltsraum ein weiterer, ca. 11 m x 13 m großer, in der genehmigten Bauzeichnung als "Garage" bezeichneter Raum mit einer Arbeitsgrube zur Durchführung von Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen. Diese "Kellergarage" wird durch eine gesonderte, unmittelbar gegenüber dem Wohnhaus des Kl. in den P. Weg mündende Zufahrt erschlossen. Sie hat die Gestalt einer seitlich abgemauerten, sich zum P.-Weg öffnenden, mit Betonsteinen gepflasterten Rampe. Den Raum nutzt die Beklagten seit Errichtung des Feuerwehrgerätehauses als Standort der aus etwa fünf Bediensteten bestehenden Baukolonne. Die Unterlassungsklage des Klägers hatte in beiden Rechtszügen Erfolg.

 

Aus den Gründen:

2.

1. Für die in Form der Unterlassungsklage erhobene allgemeine Leistungsklage ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I VwGO eröffnet, weil es sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit handelt. Der vom Kl. geltend gemachte Abwehranspruch gegen die vom "benachbarten" Grundstück der Bekl. ausgehenden, beeinträchtigenden Einwirkungen auf sein Grundeigentum ist öffentlichrechtlicher Natur. Der (nachbarrechtliche) Abwehranspruch gegen die öffentliche Hand teilt die Rechtsnatur des "Eingriffs" (BVerwG, NJW 1974, 817 = BRS 27 Nr. 197; OVG Münster, Urt. v. 10. 9. 1982 - 15 A 654/79, jeweils m. w. Nachw.), also die des Verwaltungshandelns, das die abzuwehrenden Immissionen verursacht. Er ist als "allgemeiner nachbarrechtlicher Abwehranspruch" nach §§ 1004, 906 BGB bürgerlichrechtlich und gem. § 13 GVG vor dem Zivilgericht zu verfechten, wenn die öffentliche Hand als Fiskus, insbesondere bei erwerbswirtschaftlicher Nutzung eines Grundstücks, stört, und unterliegt u. U. als ebenfalls bürgerlichrechtlicher "besonderer nachbarrechtlicher Abwehranspruch" gewohnheitsrechtlichen Beschränkungen in Form gesteigerter Duldungspflichten, wenn der Verwaltungsträger die Immissionen verwaltungsprivatrechtlich, also bei der unmittelbaren Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in privatrechtlichen Formen verursacht. Hingegen unterfällt er als öffentlichrechtlicher Abwehranspruch der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit, wenn die störenden Beeinträchtigungen von (öffentlichrechtlich organisierten) Anlagen oder Veranstaltungen des Staates in Ausübung (schlicht-) hoheitlicher Verwaltungstätigkeit ausgehen und zu diesen öffentlichrechtlich bestimmten Maßnahmen in einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang stehen (vgl. Kopp, VwGO, 5. Aufl. (1981), § 40 Rdnr. 29; Papier, NJW 1974, 1797 ff., jeweils m. w. Nachw.).

3.

Letzteres ist hier der Fall. Die vom Kl. bekämpften Beeinträchtigungen werden verursacht durch die in der Kellergarage und auf der vorgelagerten Rampe ausgeführten Verrichtungen und Arbeiten wie Unterbringung, Umrüstung, Reinigung, Wartung und Instandsetzung der Fahrzeuge und des Arbeitsgerätes der Baukolonne sowie die Reparatur von Straßenschildern und Parkbänken und dem damit zusammenhängenden Fahrzeugverkehr. Da diese Maßnahmen ihrer äußeren Erscheinungsform nach in dem Sinne "neutral" sind, daß sie in gleicher Weise von Privaten durchgeführt werden können, läßt sich ihre Rechtsnatur nur aus dem Funktionszusammenhang, in dem sie stehen, bestimmen; dabei darf ein einheitlicher Lebensvorgang nicht in isolierte (dann stets privatrechtlich scheinende) Einzelakte aufgespalten werden (Kreft, in: RGRK, 12. Aufl. (1980), § 839 Rdnrn. 117 ff.).

4.

Danach sind die hier streitigen Immissionen hoheitlich, weil die eigentliche Zielsetzung des sie verursachenden Verwaltungshandelns dem Gebiet hoheitlicher Betätigung der Staatsgewalt angehört. Die Haupttätigkeit der Baukolonne zielt nämlich auf die Wahrnehmung der der Bekl. nach den Vorschriften des Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Straßen vom 18. 12. 1975 (NRWGV S. 706; § 1) und des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. 11. 1961 (NRWGV S. 305; § 47 I) sowie in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin der städtischen Straßengrundstücke (vgl. § 6 II NRWStrG) obliegenden Aufgaben, bei derer Erfüllung sie hoheitlich handelt (vgl. § 9a NRWStrG). Nach der Organisationsstruktur und der Verteilung der Aufgaben sowie ausweislich des eingesetzten Gerätes und der vorgelegten Arbeitsberichte liegt der Schwerpunkt der Zuständigkeit der Baukolonne neben der Pflege der städtischen Grünanlagen durch Mähen der Rasenflächen und Leeren der Papierkörbe vor allem in der Erhaltung der örtlichen Straßen und Wege in verkehrssicherem Zustand durch Reinigung, Winterwartung und Ausführung kleinerer Instandsetzungsarbeiten an Straßenkörpern, Gullies, Gehwegen und Beschilderung. Die eigentlich störenden Verrichtungen stehen dazu in unmittelbarem, innerem und äußerem Zusammenhang, weil sie bloßen Hilfscharakter aufweisen. Denn sie dienen der Vorbereitung (z. B. Umrüsten der Geräte) oder sind die Folge (z. B. Reinigung, Wartung, Reparatur) der eigentlichen Tätigkeiten der Baukolonne oder sind damit notwendig verbundene Begleiterscheinungen (z. B. Unterbringung des Gerätes, Aufsuchen des Kellers in den Pausen und bei schlechter Witterung).

5.

2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kl. steht ein Anspruch auf Einstellung und künftige Unterlassung der Nutzung der Kellergarage des Feuerwehrgerätehauses als Standort der Baukolonne gegen die Bekl. zu.

6.

a) Grundlage, dogmatische Herleitung und Voraussetzungen eines solchen Anspruchs hängen von der Auslegung des Klagebegehrens und damit wesentlich davon ab, was der Kl. tatsächlich erreichen will (und/oder erwirken muß). Im Kern geht es dem Kl. vor allem um eine Unterbindung des vom Grundstück der Bekl. zu seinem Grundstück herüberdringenden Lärms, also das Unterlassen eines schlichthoheitlichen Eingriffs, der ihn nach seinem Vortrag in rechtswidriger Weise in seinen Grundrechten aus Art. 2 und 14 I GG beeinträchtigt. Ein solcher (schlichter) negatorischer Abwehranspruch, gerichtet auf ein bloßes Unterlassen hoheitlicher Immissionen in der Zukunft, ergibt sich von seiner dogmatischen Herleitung her aus dem verletzten Grundrecht selbst. Dieses gewährt als rechtlichen Minimalgehalt ein subjektiv-öffentliches Recht gegen den Träger der öffentlichen Gewalt auf Unterlassen rechtswidriger Eingriffe in die Grundrechte, hier die Gesundheit und das Eigentum (vgl. etwa BayVerfGH, NVwZ 1982, 554 (555); Bender, StaatshaftungsR, 2. Aufl. (1974), Rdnrn. 135, 159: "Eigentumsfreiheitsanspruch"; angesprochen wohl auch mit der Formulierung des BVerwG: "Anspruch aus Eigentum" in NJW 1974, 817 und NJW 1974, 813 (815); Weyreuther, Gutachten B zum 47. DJT, 1968, S. 84). Der schlichte Abwehranspruch ist regelmäßig begründet, wenn die hoheitlichen Einwirkungen nach öffentlichem Recht rechtswidrig sind (Bender, Rdnr. 139).

7.

Nach dem Wortlaut seines Antrags geht der Kl. über dieses Begehren hinaus, indem er nicht nur die unmittelbare Beeinträchtigung selbst, den auf sein Grundstück dringenden Lärm, angreift, sondern durchgreift auf die Lärmquelle, den Betrieb des Bauhofs, dessen Einstellung er verlangt. Dem entspricht als actio der in seiner dogmatischen Herleitung noch immer nicht zweifelsfrei geklärte (vgl. BVerwG, NJW 1972, 269 = DÖV 1971, 857, (858); Bender, Rdnrn. 232 ff.; Ossenbühl, StaatshaftungsR, 2. Aufl. (1978), S. 192, jew. m. w. Nachw.), inzwischen aber allgemein (gewohnheitsrechtlich) anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch, der in erster Linie auf die Beseitigung der tatsächlichen Folgen eines rechtswidrigen (schlichten oder regelnden) Verwaltungshandelns, also die Wiederherstellung des rechtmäßigen status quo ante, und dadurch nur mittelbar auf die Vermeidung störender Auswirkungen des rechtswidrigen Zustandes für die Zukunft gerichtet ist. Der weitergehenden Rechtsfolgen wegen verlangt der Folgenbeseitigungsanspruch auf der Voraussetzungsseite über die Rechtswidrigkeit des fortdauernd ein subjektiv-öffentliches Recht des Anspruchsstellers beeinträchtigenden Zustandes hinaus regelmäßig die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit sowie die Zumutbarkeit der Beseitigung (Ossenbühl, aaO, S. 200 ff. m. Nachw.).

8.

Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der dargelegten Unterschiede in den Voraussetzungen beider Institute ist für die Klage eines Bürgers gegen hoheitliche Immissionen zu differenzieren: Erfordert die Unterbindung der unmittelbaren Beeinträchtigungen wegen der tatsächlichen Untrennbarkeit von Störungsquelle und Störungsfolge eine Beseitigung auch der Störungsquelle, so besteht wegen des erstrebten unmittelbaren Eingriffs des Bürgers in die Verwaltungstätigkeit des Staates ein Bedürfnis, eine darauf gerichtete Verurteilung nicht allein von der Rechtswidrigkeit der Störung abhängig zu machen, sondern zusätzlich festzustellen, ob die Beachtung dieser weitergehenden Pflicht dem Verwaltungsträger rechtlich und tatsächlich möglich sowie zumutbar ist, so daß auf den Folgenbeseitigungsanspruch abzuheben ist. Kann hingegen die Störungsfolge relativ einfach ohne weiterreichende Konsequenzen im Hinblick auf die Störungsquelle tatsächlich abgestellt werden, so muß eine darauf gerichtete Verurteilung allein bei Rechtswidrigkeit der Grundrechtsbeeinträchtigung erfolgen können, so daß der schlichte Abwehranspruch einschlägig ist.

9.

Danach kann der Kl. sein Ziel nur mit dem Folgenbeseitigungsanspruch verfolgen. Denn die Bekl. kann die Störungsfolge "Lärm" nur abstellen, indem sie die Störungsquelle "Standort der Baukolonne" beseitigt und ihren Bauhof auf einem anderen Grundstück einrichtet. Das liegt für die durch den nutzungsbedingten Fahrzeugverkehr zu, von und auf dem Grundstück verursachten Geräusche auf der Hand und folgt für die auf dem Grundstück verrichteten lärm- und geruchsintensiven Arbeiten daraus, daß deren Einstellung oder wesentliche Verringerung die Kellergarage als "Bauhof" für die Bekl. nutzlos macht.

10.

Über die Voraussetzungen für das Bestehen eines Folgenbeseitigungsanspruchs herrscht zwar "im groben" weitgehend Einigkeit (gegenwärtige rechtswidrige Rechtsbeeinträchtigung durch hoheitliches Verhaltungshandeln, deren Beseitigung möglich und zumutbar ist; vgl. Ossenbühl, S. 198 ff.; Bender, Rdnrn. 219 ff.). Im einzelnen müssen sie jedoch auf die jeweiligen Besonderheiten des konkreten Falles abgestimmt werden. Diese bestehen vorliegend darin, daß es sich bei der Bekl. einerseits - wie regelmäßig - um eine hoheitlich handelnde und insoweit nach dem Prinzip vom Vorrang des Gesetzes an das gesamte objektive öffentliche Recht gebundene öffentliche Körperschaft handelt, andererseits der Konflikt aus der räumlichen Nachbarschaft der Grundstücke beider Parteien resultiert und insoweit jedenfalls keine spezifisch öffentlichrechtlichen Züge trägt, sondern mehr die Situation von Streitigkeiten aus dem in erster Linie privatrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis ähnelt. Dies führt zu der Erkenntnis, daß es sich bei der vorliegenden Klage um einen Sonderfall im Vergleich zu den Rechtsschutzmöglichkeiten handelt, die einem Bürger gegen eine nach seiner Auffassung rechtswidrige, störende Nutzung des Grundstücks seines privaten Nachbarn zu Gebote stehen: Im Regelfall kann sich der Betroffene mit einer Verpflichtungsklage gegen die Bauaufsichtsbehörde an die VGe wenden, um ein hoheitliches Einschreiten gegen eine baurechtswidrige Nutzung zu erwirken; und/oder er kann sich an die Zivilgerichte mit einer Unterlassungsklage gegen seinen Nachbarn direkt nach Maßgabe des privaten Nachbarrechts wenden. Beide Wege sind dem Kl. hier verwehrt, was letztlich auf dem hoheitlichen Charakter der abzuwehrenden Immissionen beruht: Dieser schließt zunächst den zivilgerichtlichen Weg mit unmittelbarer Anwendung des privaten Nachbarrechts aus und macht eine verwaltungsgerichtliche Klage auf Erlaß bauordnungsrechtlicher Maßnahmen jedenfalls im Ergebnis unbegründet, weil es dem Kreis (vgl. § 77 I Nr. 3b NRWBauO) nach h. M. an der Zuständigkeit für ein ordnungsrechtliches Einschreiten gegen das hoheitliche Handeln der Bekl. fehlt (vgl. OVG Lüneburg, OVGE 12, 340; BVerwGE 29, 52 (59)). Dieser Sonderstellung muß der Folgenbeseitigungsanspruch hier Rechnung tragen, indem er die Elemente beider im Normalfall eröffneten prozessualen Wege "aufgreift", um eine mit den Rechten aus Art. 14, 19 IV, 20 GG unvereinbare Rechtsschutzverkürzung zu Lasten einer der beiden Parteien zu vermeiden. Das wirkt sich noch nicht für die erste Voraussetzung aus, daß nämlich die Nutzung der Kellergarage und/oder deren Auswirkungen den Kl. in einer geschützten öffentlichrechtlichen Rechtsposition tatsächlich beeinträchtigen müssen. Es führt jedoch auf der Ebene der zweiten Voraussetzung, also bei der Frage nach der Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungshandelns (Bauhof) oder zumindest seiner Folgen (Lärm), zu einer Erweiterung insofern, als Prüfungsmaßstab sowohl das öffentliche Baurecht als auch Grundgedanken des privaten Nachbarrechts sein müssen. Dieser erweiterte Prüfungsmaßstab erfährt die gebotene Wiedereingrenzung dadurch, daß mangels eines allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruches zu verlangen ist, daß der Kl., um Erfolg zu haben, berechtigt sein muß, sich im Falle der Rechtswidrigkeit auch auf diese Verletzung des objektiven Rechts unmittelbar gegenüber der Bekl. zu berufen (subjektives Abwehrrecht). Schließlich muß der Bekl. die Einstellung und zukünftige Unterlassung der fraglichen Nutzung möglich und zumutbar sein.

11.

b) Das ist hier der Fall. Zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Umständen ergibt sich im einzelnen:

12.

aa) Der Kl. ist unmittelbar durch die Lärmeinwirkung und mittelbar durch deren Verursachung - die Grundstücksnutzung des städtischen Geländes - in seinem nach Art. 14 I GG geschützten Grundeigentum beeinträchtigt. Der von Bediensteten der Bekl. verursachte Lärm überschreitet aus der maßgeblichen Perspektive des Durchschnittsmenschen den Grad bloßer rechtlich irrelevanter Belästigungen. Denn die Lärmverursachung erschöpft sich nicht in dem im Zeitalter der Massenmotorisierung sozialadäquaten und mit nahezu jeder Grundstücksnutzung verbundenen, wochentäglich einmaligen Aus- und Einfahren der in der Garage untergestellten Fahrzeuge. Vielmehr räumt die Bekl. ein, daß der Standort auch während der Arbeitszeit der Baukolonne je nach Entfernung des aktuellen Einsatzortes von einigen oder allen Mitarbeitern mit den wegen ihres Antriebes durch Dieselmotoren zudem besonders lauten Fahrzeugen angefahren wird, um die Geräte umzurüsten oder die Pausen in der Unterkunft zu verbringen. Hinzu kommen die regelmäßige, auf der Einfahrtsrampe durchgeführte Reinigung der Fahrzeuge sowie die vornehmlich im Winter anfallenden und nach der Lebenserfahrung ebenfalls mit Lärm verbundenen Instandsetzungsarbeiten und das Hinausfahren der Fahrzeuge auf die Rampe, wenn in der Kellergarage Platz für in dem Raum stattfindende Arbeiten geschaffen werden muß. Vor allem wird der dabei entstehende Lärm durch die trichterartige Form der Einfahrt zur Rampe gebündelt und konzentriert auf das Grundstück des Kl. hin abgestrahlt. Diese negativen Einwirkungen zusammengenommen gehen weit über das hinaus, was ein Grundstückseigentümer aufgrund der Lage und Einbindung seines Grundstücks in die Nachbarschaft regelmäßig aufgrund der Sozialbindung des Eigentums hinnehmen muß. Der Senat sieht daher davon ab, der (weiteren) Frage nach der Gesundheitsbeeinträchtigung des Kl. im einzelnen nachzugehen.

13.

bb) Die Beeinträchtigung ist auch rechtswidrig, weil sie gegen das öffentliche Baurecht und den entsprechend anzuwendenden § 906 BGB verstößt.

14.

(1) Die Bekl. ist bei der hier vorliegenden Hilfstätigkeit im funktionalen Zusammenhang mit der Erfüllung der ihr nach dem Straßenrecht usw. obliegenden hoheitlichen Aufgaben an das öffentliche Baurecht gebunden. Zwar unterliegen Hoheitsträger bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben primär den für den Tätigkeitsbereich einschlägigen Fachgesetzen, hier also etwa dem Straßenrecht. Sie sind deshalb jedoch nicht freigestellt von der Beachtung solcher Gesetze, die speziell für andere als die von ihnen konkret betreuten Lebens- oder Rechtsgebiete erlassen sind. Diese für verschiedene typische Lebensbereiche entwickelten Normengruppen stehen nämlich nicht isoliert derart nebeneinander, daß jede nur für ihr Gebiet gelte. Vielmehr sind sie als Teil der Gesamtrechtsordnung zu verstehen, die sich entsprechend dem erfaßten Lebensbereich überlagern und durchdringen. Deshalb unterfallen auch Verwaltungsträger bei hoheitlicher Betätigung der materiellen Polizeipflicht und sind zur Beachtung und Einhaltung auch des "fachfremden" materiellen Rechts in eigener Zuständigkeit grundsätzlich, d. h. unter dem Vorbehalt eventuell notwendiger Abwägung widerstreitender öffentlicher Interessen, verpflichtet (BVerwGE 29, 52 (56 f.)).

15.

Die Nutzung der Kellergarage als Standort der Baukolonne ist von einer Baugenehmigung nicht gedeckt und auch nicht genehmigungsfähig.

16.

Die derzeitige Nutzung ist formell illegal, weil sie im Verhältnis zu der ursprünglich genehmigten Nutzung eine Nutzungsänderung darstellt, die nach § 80 I NRWBauO einer erneuten Genehmigung bedürfte. (Wird ausgeführt.)

17.

Die derzeitige Nutzung ist nicht genehmigungsfähig. Sie verstößt gegen § 34 I BBauG, weil sie sich nach ihrer Art nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. (Wird ausgeführt.)

18.

Die Nutzung des Kellergeschosses des Feuerwehrgerätehauses als Standort der Baukolonne mit seiner Erschließung über den P.-Weg, also gegenüber dem Wohnhaus des Kl., verletzt das Gebot der Rücksichtnahme. (Wird ausgeführt.)

19.

(2) Des weiteren überschreiten die durch die Nutzung der Kellergarage nebst Rampe verursachten (hoheitlichen) Immissionen die Grenzen, die den Parteien durch eine entsprechende Anwendung des § 906 BGB gezogen sind.

20.

Der Gedanke einer analogen Anwendung des § 906 BGB im Zusammenhang mit hoheitlichen Immissionen geht auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung in Entschädigungssachen zurück (vgl. BGHZ 48, 98 (101) = NJW 1967, 1857; BGHZ 72, 289 (291) = NJW 1979, 164; BGH, NVwZ 1982, 700, (701)) und wird vorbehaltlich öffentlichrechtlicher Spezialregelungen auch in der Literatur überwiegend geteilt (Papier, NJW 1974, 1799, m. w. Nachw.; Fn. 18; Ossenbühl, S. 91, 92).

21.

Danach sind rechtswidrig jedenfalls alle diejenigen Immissionen, die nach Maßgabe des § 906 BGB nicht geduldet werden müssen, sondern abgewehrt werden können. Die "Abwehrbarkeit" ergibt sich vorliegend daraus, daß die bei Beibehaltung der Nutzung des Grundstücks der Bekl. unvermeidlichen Lärmimmissionen wesentlich und ortsunüblich sind (vgl. § 906 I, II 1 BGB). (Wird ausgeführt.)

22.

cc) Auf diese Rechtsverstöße kann sich der Kl. unmittelbar gegenüber der Bekl. berufen, weil die verletzten Normen auch den Schutz des Kl. bezwecken, ihm also die Rechtsmacht einräumen, diese Verletzung selbst unmittelbar gegenüber dem Verletzer geltend zu machen.

23.

Diese subjektiv-rechtliche "Stoßrichtung" unmittelbar gegen den störenden Hoheitsträger erhält der bei rein privatrechtlichen Nachbarrechtsverhältnissen über § 1004 BGB aktivierte § 906 BGB bei analoger Anwendung im öffentlichen Recht durch Art. 14 I GG, weil das öffentliche Recht das Eigentum in öffentlichrechtlicher Richtung nicht minder schützt, als es das private Recht gegenüber Angriffen aus dem privaten Bereich tut (BVerwG, NJW 1974, 813 (815)), und weil insoweit das wegen des Verstoßes gegen diese Vorschrift Abzuwehrende - der Lärm - identisch ist mit dem das Grundeigentum des Kl. tatsächlich unmittelbar Beeinträchtigenden.

24.

Diese Erwägungen greifen im Hinblick auf § 34 BBauG nicht durch. Bei dieser Vorschrift ist nicht der Lärm als die tatsächliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundeigentums, sondern die (lärmverursachende) Nutzung der baulichen Anlage der Bekl. zu bewerten. Da mittelbare Beeinträchtigungen (wie Lärm) nach Art. 14 GG erst abgewehrt werden könnten, wenn sie das Eigentum schwer und unerträglich treffen, kann wegen offensichtlichen Nichterreichens dieser Grenzen die Verletzung des § 34 BBauG nur gerügt werden, wenn dem Gebot der Rücksichtnahme nachbarschützende Funktion zukommt und die Norm dem Kl. die Rechtsmacht verleiht, den Verstoß selbst unmittelbar gegenüber der Bekl. als Verletzerin geltend zu machen. Letzteres ist für den "Normalfall" zwar ausgeschlossen: Die Verletzung nachbarschützender Normen des öffentlichen Baurechts durch einen Privaten kann der Bürger regelmäßig nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde rügen. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß sich der Kl. auch hier nicht auf die Verletzung des § 34 BBauG berufen kann. Denn ein solcher Schluß ließe außer Betracht, daß dieser Weg allein an der nach herrschender Meinung fehlenden Kompetenz der Bauaufsichtsbehörde scheitert, die Einhaltung des Bauplanungsrechts gegenüber der Bekl. durch hoheitliche Maßnahmen zu aktualisieren. Diese Versagung der bauaufsichtlichen Kompetenz rechtfertigt sich selbst aber nur aus dem Grundsatz der materiellen (eigenen) Polizeipflichtigkeit aller Hoheitsträger für ihren hoheitlichen Tätigkeitsbereich, der von der kompetenzrechtlichen Frage lediglich "überdeckt" wird. Da sich die materielle Polizeipflichtigkeit der Bekl. also nicht unterscheidet von der eines privaten Bauherrn, ist eine Verkürzung des Rechtsschutzes im Vergleich zum "Normalfall" nicht angängig, zumal sich die Geltendmachung des Verstoßes gegen § 34 BBauG hier auch nicht etwa gegen die Bekl. als Fiskus richtet, sondern gerade in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger, so daß die Verletzung des Bauplanungsrechts hier auch nicht "systemwidrig zwischen Privaten" gerügt wird. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung des Gebots der Rücksichtnahme, nämlich die hinreichende Individualisierung des Kl. durch die allgemeine Rücksichtnahmepflicht qualifizierende Umstände (vgl. BVerwG, BRS 38, 186) sind hier gegeben. Die Individualisierung in Gestalt besonderer, hier sogar ausschließlicher Betroffenheit ergibt sich aus dem qualifizierenden Umstand, daß sich das Wohnhaus und der nach Süden orientierte Wohngarten des Kl. unmittelbar gegenüber der direkt auf sein Grundstück "zielenden" Kellergarage befinden. Die in und vor der Kellergarage verursachten Geräusche werden durch den Trichter der Zufahrtsrampe gebündelt, so daß das Haus des Kl. dem Lärm im besonderen Maß ausgesetzt ist.