Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 18.12.1995
- 14 CS 95.3588
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 (weitere Fundstellen: NVwZ 1997, 201 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Ast. wandte sich dagegen, daß das Landratsamt ihm sofort vollziehbar aufgegeben hat, eine auf dem Vordach seiner Diskothek angebrachte Lichtanlage zu beseitigen. Das VG stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her mit der Begründung, im Eilverfahren könne nicht geklärt werden, ob die Lichtanlage die Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs beeinträchtige. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Freistaates Bayern hatte Erfolg.

 

Aus den Gründen:

2.

II. ... Der auf dem Dach der Diskothek fest angebrachte Strahler, der eine über mehrere Kilometer sichtbare Lichtsäule in den Nachthimmel aussendet, weist die Gäste auf den Standort der Diskothek hin. Damit handelt es sich um eine ortsfeste Einrichtung, die als Hinweis auf den Gewerbebetrieb des Ast. dient (s. dazu Art. 12 I 1 BayBauO). Nicht von Bedeutung ist dabei, daß die Lichtstrahlen keine bauliche Anlage darstellen. Denn die Bayerische Bauordnung unterwirft Werbeanlagen unabhängig von dieser Eigenschaft aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und der einwandfreien Gestaltung insoweit gleichen materiellen und formellen Anforderungen (s. Art. 12 II 2 u. 72 I, II BayBauO). Der Informationsgehalt der Anlage ist zwar nicht den Lichtstrahlen für sich betrachtet zu entnehmen, erschließt sich jedoch - entsprechend dem vom Betreiber verfolgten Zweck - aus dem Ort, von dem sie ausgehen.

3.

Die Baugenehmigung vom 11. 10. 1993 steht der Beseitigungsanordnung nicht entgegen. Dieser Genehmigung sowie den mit Genehmigungsvermerk versehenen Zeichnungen und Beschreibungen kann nicht entnommen werden, daß der darin unter "Werbeanlage B" aufgeführte Außenstrahler dazu dienen soll, Lichtstrahlen in den Himmel auszusenden. Vielmehr bleibt der Verwendungszweck dieses Strahlers offen. Die beiliegende Handskizze des Eingangsbereichs der Diskothek, auf der über dem Schriftzug die Umrisse eines Vulkankegels zu erkennen sind, deutet ebenso wie der angegebene Standort des Strahlers darauf hin, daß es um eine Lichtwerbung im Zusammenhang mit dem Namenszug der Diskothek auf dem Vordach geht. Auf das vom Ast. vorgelegte Schreiben einer Firma für Effektgeräte vom 2. 7. 1993, in dem die Funktion des Strahlers beschrieben wird, kann nicht abgestellt werden, da dieses Schreiben sich nicht bei den Bauvorlagen befindet. Läßt sich aber den Bauvorlagen das Vorhaben nicht hinreichend exakt entnehmen, so entfaltet eine sich auf diese Vorlagen stützende Baugenehmigung mangels hinreichender Bestimmtheit keine Regelungswirkung.

4.

Für das Landratsamt war daher der Weg zur Prüfung eröffnet, ob die Voraussetzungen für den Erlaß einer Beseitigungsanordnung vorliegen. Einschlägig im vorliegenden Fall ist jedoch allein Art. 89 S. 1 BayBauO. Art. 72 IV BayBauO scheidet aus, weil die Anlage aus Gründen der Verkehrssicherheit beseitigt werden soll. In § 33 I 1 Nr. 3 und S. 2 StVO ist durch Bundesrecht das Verbot von Werbeanlagen außerhalb geschlossener Ortschaften und von innerörtlichen Werbeanlagen, sofern sie auf den Verkehr auf freier Strecke einwirken, abschließend geregelt. Dem Landesgesetzgeber kommt insoweit keine Regelungskompetenz mehr zu. Nach Lage der Dinge steht hier die innerörtliche Wirkung der Anlage jedenfalls nicht im Vordergrund. Verstößt die Anlage aber nicht gegen Vorschriften des Landesbaurechts, so findet Art. 72 IV BayBauO keine Anwendung (vgl. VGH München, BayVBl 1991, 754 und BayVBl 1975, 79). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der formellen Illegalität der Werbeanlage. Durch die Verweisung in Art. 72 V BayBauO auf die allgemeinen Regelungen über die Beseitigung wird klargestellt, daß eine Beseitigung allein aufgrund der fehlenden Genehmigung nicht in Betracht kommt.

5.

Nach § 33 I 1 Nr. 3 StVO sind Werbeanlagen verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Nach dem Wortlaut der Vorschrift genügt für die Gefährdung oder Erschwerung des Verkehrs ein abstrakter Nachweis, der durch die jeweilige Situation des Aufstellungsortes und seiner näheren Umgebung geführt wird. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Landratsamt zu Recht davon ausgegangen, daß die Werbeanlage nicht genehmigungsfähig ist. Die Lichtanlage des Ast. befindet sich nur rund 100 Meter von der Kreuzung der Staatsstraße 2126 und 2127 entfernt, die die besondere Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer beansprucht. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, daß Verkehrsteilnehmer von derartigen Lichteffekten, die ein durchschnittlicher Kraftfahrer als ungewöhnlich empfindet, abgelenkt werden, was insbesondere im Kreuzungsbereich zu unfallträchtigen Situationen führen kann. Die Anlage zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit auch und gerade ortsunkundiger Verkehrsteilnehmer auf sich zu ziehen.

6.

Im Unterschied zu Art. 72 IV BayBauO ermächtigt Art. 89 S. 1 BayBauO nicht zu einer gebundenen Entscheidung. Die Verkehrssituation in der näheren Umgebung wird voraussichtlich jedoch dazu führen, daß sich das Ermessen des Landratsamts auf die Beseitigung der Anlage verengt hat. Damit bliebe der Ermessensausfall ohne rechtliche Folgen. Entgegen der Auffassung des Ast. fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall nicht die Nutzungsuntersagung als milderes Mittel. Da der vom Ast. angebrachte Strahler ohne größeren Aufwand vom Dach der Diskothek entfernt werden kann, brauchte die Behörde nicht auf die Nutzungsuntersagung zurückzugehen, deren Einhaltung im übrigen schwerer zu überwachen wäre als die Entfernung des Geräts. Nach Aktenlage erscheint die Beseitigungsanordnung daher rechtmäßig.

7.

Selbst wenn wegen der fehlenden Ermessenserwägungen des Ag. der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen angesehen wird, kann das die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht rechtfertigen. Denn das Interesse, Gefahren für Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer zu vermeiden, setzt sich gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Ast. durch, seine bisher nicht genehmigte Lichtwerbung bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens fortzusetzen. Einer angemaßten Rechtsposition kommt in einem Fall vorliegender Art kein besonderer Vertrauensschutz zu. Die Beseitigung führt nicht zur Beschädigung der Anlage; vielmehr kann sie ohne großen Aufwand zu einem späteren Zeitpunkt erneut installiert werden.