Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 22.06.1982
- 21 B 81 A.1353
-

 (weitere Fundstellen: BayVBl. 1983, 212 f.)

 

 

Aus dem Tatbestand:

1.

Der Kläger erwarb im Mai 1976 einen damals ca. einen Monat alten männlichen Löwen um ihn wie ein Haustier auf seinem Grundstuck zu halten. Er richtete diesem dazu ein von einem 2,20 m hohen Zaun umgrenztes Freigehege in seinem Garten ein. Auf Aufforderung des Marktes H. beantragte er, ihm das Halten dieses Löwen nach Art. 37 LStVG zu erlauben.

2.

Mit Bescheid vom 4. 11. 1976 versagte ihm auf Beschluß des Gemeinderates der Markt H. die Erlaubnis.

3.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 hob das Landratsamt M. auf den Widerspruch des Klägers vom 24. 11. 1976 den Bescheid des Marktes H. vom 4. 11. 1976 auf und verpflichtete diesen, die Erlaubnis zum Halten des Löwen in jederzeit widerruflicher Weise unter im einzelnen genannten baulichen Auflagen für den Käfig zu erteilen.

4.

Nachdem sich der Markt H. mit Beschluß des Gemeinderats vom 13. 7. 1977 geweigert hatte, seiner Verpflichtung durch den Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 nachzukommen, beanstandete das Landratsamt M. mit Bescheid vom 4. 8. 1977 gemäß Art. 112 BayGO das Verhalten des Marktes H., setzte eine Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides für die Erteilung der Erlaubnis und drohte für den Weigerungsfall an, nach Art. 113 BayGO die streitige Erlaubnis an Stelle und auf Kosten der Gemeinde zu erteilen. Einen Rechtsbehelf hiergegen ergriff der Markt H. trotz ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung nicht, beharrte jedoch auf seiner Weigerung.

5.

Am 13.9.1977 wandte sich die Beigeladene zu 2) an das Landratsamt M. und erhob gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 Gegenvorstellungen mit der Begründung, das Halten eines Löwen in einer dichten Wohngegend stelle eine Allgemeingefahr dar.

6.

Ende Juli1977 beantragte der Kläger entsprechend den im Widerspruchsbescheid des Landratsamtes M. vorgesehenen Auflagen eine Baugenehmigung für das Löwengehege. Diese wurde ihm mit Bescheid des Landratsamtes M. vom 17. 1. 1978, befristet auf die Dauer der Erlaubnis nach Art. 37 LStVG, erteilt. Am 9. 2. 1978 zeigte der Kläger daraufhin den Baubeginn an. Am 15. 2. 1978 erfolgte die Schlußabnahme. Am 28. 2. 1978 erhob die Beigeladene zu 2) gegen die Baugenehmigung Widerspruch, da gegen nachbarschützende Vorschriften der Baunutzungsverordnung verstoßen worden sei. Hierüber ist bislang nicht entschieden worden.

7.

Am 31. 1. 1978 erteilte das Landratsamt M. im Wege der Ersatzvornahme gemäß Art. 113 BayGO für den Markt H. dem Kläger nach Art. 37 LStVG die jederzeit widerrufliche Erlaubnis zur Haltung eines (männlichen) Löwen auf seinem Grundstück in H. Zur Auflage wurde gemacht, daß der Löwe ausschließlich in einem im einzelnen näher beschriebenen Doppelkäfig, der allseitig durch Mauern bzw. massives Baustahlgewebe gesichert sei, gehalten werde.

8.

Hiergegen erhob der Markt H. am 23.2. 1978 Widerspruch mit der Begründung, daß die Ersatzvornahme nicht rechtmäßig gewesen sei.

9.

Am 28. 2. 1978 erhob auch die Beigeladene zu 2) Widerspruch, da ihren Gegenvorstellungen vom 13. 9. 1977 nicht Rechnung getragen worden sei.

10.

Aufgrund einer gleichzeitig von der Beigeladenen zu 2) erhobenen Petition zum Bayer. Landtag wies das Staatsministerium des Innern das Landratsamt M. an, den Erlaubnisbescheid vom 31. 1. 1978 zurückzunehmen.

11.

Mit Bescheid vom 18. 5. 1978 nahm das Landratsamt M. den Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977, die Beanstandung an den Markt H. vom 4. 8. 1977 sowie die mit Bescheid vom 31. 1. 1978 dem Kläger ersatzweise für den Markt H. erteilte Erlaubnis zurück und wies den Widerspruch des Klägers vom 24. 11. 1976 zurück und verpflichtete den Kläger zur Tragung der Kosten des Widerspruchsverfahrens.

12.

Am 14. 6. 1978 erhob der Kläger gegen die Rücknahme des ersten Widerspruchsbescheides und der Erlaubnis Widerspruch und begehrte gleichzeitig die Feststellung, daß der erneute Widerspruchsbescheid rechtswidrig sei.

13.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 1979 verwarf die Regierung von O. den Widerspruch insoweit als unzulässig, als er sich gegen die Rücknahme des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes M. vom 11. 5. 1977 und dessen Beanstandungsbescheid gegenüber dem Markt H. vom 4. 8. 1977 richtete sowie begehrte, festzustellen, daß der erneute Widerspruchsbescheid vom 18. 5. 1978 rechtswidrig sei. Im übrigen wurde der Widerspruch gegen die Rücknahme des Erlaubnisbescheides vom 31. 1. 1978 als unbegründet zurückgewiesen.

14.

Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. 2. 1981 ab.

15.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Aus den Gründen:

16.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Nur durch die Rücknahme des Widerspruchsbescheids vom 11. 5. 1977 und die Zurückweisung des klägerischen Widerspruchs vom 24. 11. 1976 durch erneuten Widerspruchsbescheid vom 18. 5. 1978 einschließlich der sich hierauf beziehenden Kostenentscheidungen wird der Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt. Insoweit ist daher das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern. Im übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, so daß auch die Berufung zurückzuweisen ist.

17.

I. Der Beklagte war berechtigt, die dem Kläger vom Landratsamt M. am 31. 1. 1978 im Wege der Ersatzvornahme an Stelle des zuständigen Marktes H. erteilte Erlaubnis zur Löwenhaltung nach Art. 37 Abs. 2 Bayer. Landesstraf- und Verordnungsgesetz — LStVG — in der damals geltendenFassung der Bek.v. 7. 11. 1974 (GVBl. S. 753)aufzuheben, da sie rechtswidrig war:

18. I.1 Die Rechtsgrundlage hierfür bietet allerdings entgegen der Meinung des Beklagten und auch des Verwaltungsgerichts nicht Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz — BayVwVfG — vom 23. 12. 1976 (GVBl. S.544). Zwar wurde diese Vorschrift hiervon der Regierung von O. ihrem Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 1979 folgerichtig zugrundegelegt, da die Widerspruchsbehörde ihre Entscheidung grundsätzlich auf Grund der im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltenden (neuen) Rechtslage zu treffen hat, sofern nicht eine Weitergeltung der früheren Rechtsvorschriften ihr bereits laufende Fälle gesondert angeordnet ist (vgl. Kopp VwGO, 4. Aufl., § 73 RdNr. 7). Am 1. 9. 1978 wurde durch § 2 des Änderungsgesetzes zum LStVG vom 27. 6. 1978 (GVBl. S. 335) der bis dahin geltende Art. 37 Abs. 3 LStVG, der den hier beabsichtigten Fall der Rücknahme abschließend und damit nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dieses Gesetz ausschließend geregelt hatte, mit sofortiger Wirkung für alle — auch laufende — Fälle aufgehoben. Da gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für die vorliegende Anfechtungsklage diese durch den Widerspruchsbescheid gegebene Fassung maßgeblich ist, wurde der dem Landratsamt mit der Anwendung des Art. 48 BayVwVfG unterlaufene Fehler hierdurch geheilt. Bei einem Vorgehen nach dieser Vorschrift hätte der Beklagte aber als funktionell unzuständiger Hoheitsträger gehandelt, so daß die Rücknahme rechtswidrig wäre, nachdem dieser Zuständigkeitsfehler durch Art. 46 BayVwVfG nicht für unbeachtlich erklärt wurde. Das Landratsamt M. war hier nämlich nicht die für diese Maßnahme zuständige Behörde, obwohl es selbst den aufgehobenen Verwaltungsakt erlassen hatte und die Zuständigkeit zur Rücknahme — vom in Art. 48 Abs. 5 Halbsatz 2 BayVwVfG angesprochenen, hier nicht gegebenen Ausnahmefall abgesehen — an die Zuständigkeit zum Erlaß des zurückzunehmenden Verwaltungsakt anknüpft. Die Kompetenz des Landratsamts zur Erteilung der Erlaubnis, für die gemäß Art. 37 Abs. 1 LStVG die Gemeinde, in deren Bereich das Tier gehalten werden soll, zuständig ist, beruhte allein auf Art. 113 Satz 1 der Bayer. Gemeindeordnung — BayGO — in der damals geltenden Fassung der Bek. v. 5. 12. 1973 (GVBl. S. 599), nachdem der Markt H. der ihm durch den unanfechtbar gewordenen Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 auferlegten Verpflichtung zur Erteilung dieser Erlaubnis nicht nachgekommen war und auch die Aufforderung vom 4. 8.1977 zur Erfüllung seiner Pflicht nach Art. 112 Satz 2 BayGO hatte unanfechtbar werden lassen. Sofern man mit der älteren Meinung (vgl. Widtmann, Bayerische Gemeindeordnung, 4. Aufl., Art. 113 Anm. 4) die Befugnis der Rechtsaufsichtsbehörde zum ersatzweisen Erlaß von Verwaltungsakten der Gemeinde nach Art. 113 Satz 1 BayGO als sog. Aufsichtsvertretung auffaßt, ergibt sich bereits daraus, daß das Landratsamt M. als Rechtsaufsichtsbehörde hier nach Erlaß dieses Verwaltungsaktes keine Befugnis mehr hatte, über das weitere Schicksal des für den Markt H. erlassenen Verwaltungsakts zu bestimmen. Dies oblag vielmehr wiederum dem Markt H., nachdem ihr diese Rücknahme kein die Vertretungsbefugnis erneut verleihendes Beanstandungsverfahren nach Art. 112 BayGO vorangegangen war.

19.

Aber auch nach der neuen Lehre, wonach Art. 113 Satz 1 BayGO zu einer gesetzlichen Kompetenzübertragung auf die Aufsichtsbehörde führt (vgl. ausführlich Knemeyer, BayVBl. 1977, 129 ff.; ebenso Masson/Samper, Bayen Kommunalgesetze, Art. 113 BayGO RdNr. 7) und wonach die Aufsichtsbehörde bis zur Unanfechtbarkeit auch für den Bestand des für die Gemeinde erlassenen Verwaltungsaktes selbst verantwortlich bleibt, ergibt sich nichts anderes. Nicht nur wird die Verantwortlichkeit der Rechtsaufsichtsbehörde immer nur unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit zur Verteidigung gegen Angriffe des von dem Verwaltungsakt Belasteten erörtert (vgl. Knemeyer, a.a.O.; BayVGH, BayVBl. 1973, 554). Die Beschränkung hierauf folgt auch aus dem Sinn der Kompetenzübertragung. Es soll damit der Rechtsaufsichtsbehörde ein Mittel in die Hand gegeben werden, um nach ihrer Auffassung rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Gemeinden korrigieren zu können. Die darin liegende Einschränkung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts, das durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV garantiert ist, darf zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht über das unbedingt zur Erreichung dieses Zieles erforderliche Maß hinausgehen. Dies wäre aber der Fall, wenn die Kompetenzübertragung an die Aufsichtsbehörde nicht nur die Verteidigung des von ihr erlassenen Verwaltungsaktes gegen Angriffe Dritter umfaßte, sondern diese berechtigen würde, über den Verwaltungsakt auch später — außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens — nach Belieben zu verfügen. Einer Übertragung dieser Befugnis bedarf es nicht, da insoweit kein zu beanstandendes rechtswidriges Verhalten der Gemeinde vorliegt. Insoweit spielt auch keine Rolle, daß die Gemeinde im Normalfall durchaus bereit sein wird, der Rechtsaufsichtsbehörde diese Befugnis zuzugestehen, da sie den ersatzweise verfügten Verwaltungsakt sowieso nicht will. Denn das Selbstverwaltungsrecht beinhaltet auch eine Pflicht, alle der eigenen Kompetenz unterstehenden Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, und ist nicht nach Belieben abtretbar. Daher überträgt Art. 113 Satz 1 BayGO auch bei Zugrundelegung der neuen Auffassung dem Beklagten nicht das von ihm beanspruchte Recht, den einmal erlassenen Verwaltungsakt aus eigener Entscheidung später außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens wieder zurückzunehmen. Dies gilt auch, wenn der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Rücknahme noch nicht bestandskräftig ist. Denn unter dem Gesichtspunkt des verfassungsmäßigen Umfangs der Kompetenzübertragung durch Art. 113 Satz 1 BayGO spielt die Bestandskraft des erlassenen Verwaltungsaktes keine Rolle. Auch der angefochtene Verwaltungsakt unterliegt außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens bereits wieder der uneingeschränkten Kompetenz der ursprünglich für seinen Erlaß zuständigen Körperschaft. Es gibt keinen Grund, ihr diese Kompetenz zu nehmen. Insbesondere wird hierdurch nicht, wie der Beklagte meint, das Ersatzvornahmeverfahren nach Art. 113 Satz 1 BayGO sinnlos, da die Gemeinde den ihr unerwünschten Verwaltungsakt sonst sofort selbst aufheben könnte. Abgesehen davon, daß diese Möglichkeit nach der früher vertretenen Aufsichtsvertretungstheorie immer bestanden hätte, in der Praxis aber nicht wahrgenommen wurde, würde ein solches Verhalten der Gemeinde auch gegen die unanfechtbar gewordene, sie weiter bindende Beanstandung nach Art. 112 BayGO verstoßen. Der Aufhebungsakt wäre daher rechtswidrig und könnte außer von dem betroffenen Dritten im Rechtsbehelfswege auch nach erneuter Beanstandung durch die Rechtsaufsichtsbehörde nach Art. 113 BayGO beseitigt werden, so daß diese theoretische Möglichkeit das Ersatzvornahmeverfahren noch nicht sinnlos werden läßt.

20.

Im übrigen ließe sich diesem Bedenken auch dadurch abhelfen, daß man die der Gemeinde sofort wieder zustehende Kompetenz als dahingehend eingeschränkt betrachtete, daß sie nicht unter Verstoß gegen die weitergeltende Beanstandung den ersatzweise erlassenen Verwaltungsakt wieder aufheben darf, sondern nur aus anderen, damit nicht im Zusammenhang stehenden Gründen. Das Bedenken des Beklagten erfordert aber nicht, die Aufhebungskompetenz insgesamt der Rechtsaufsichtsbehörde zu übertragen. Der Senat kann vorliegend jedoch offen lassen, ob diese eingeschränkte Auslegung, die dem Beklagten ein eng umgrenztes Aufhebungsrecht im Rahmen der Gründe für die Beanstandung übertragen würde, noch mit dem Selbstverwaltungsrecht vereinbar ist und daher in Betracht kommt. Denn selbst wenn man hier dem Beklagten eine solche Kompetenz zugestehen würde, wäre der angefochtene Rücknahmebescheid vom 18. 5. 1978 rechtswidrig. Wie noch darzustellen ist, tragen die vom Beklagten dargelegten Gründe nicht die von ihm geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Erlaubnisbescheides vom 31. 1. 1978. Da die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG im Ermessen der Behörde steht, kann der Senat insoweit auch nicht die nach seiner Auffassung zur Rechtswidrigkeit führenden Tatsachen an die Stelle der Begründung durch den Beklagten setzen. Denn unter diesem Gesichtspunkt hat der Beklagte das ihm zustehende Ermessen - sofern er es überhaupt ausgeübt haben sollte — noch nicht ausgeübt Dieser Weg führt daher im vorliegenden Fall auch nicht weiter, so daß er nicht weiter untersucht werden muß. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß vorliegend, sei es auch aus den neuen Rechtswidrigkeitsgründen, eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt, sind nicht ersichtlich und auch vom Beklagten trotz seiner Behauptung nicht konkret dargelegt worden. Die von der Löwenhaltung für die Nachbarschaft ausgehenden Belästigungen sind auch unter Berücksichtigung der Darlegungen der Beteiligten nachdem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins bei der Möglichkeit einer Ermessensentscheidung nicht so groß, daß sie eine Rücknahme unabdingbar gemacht hätten. Denn Art. 37 Abs. 2 LStVG mutet in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 7. 11. 1974 der Nachbarschaft durchaus zu, größere Beeinträchtigungen durch zeitweises Gebrüll oder Ausdünstungen eines Tieres hinzunehmen, da andernfalls eine Tierhaltung hiernach nur in ganz seltenen Ausnahmefällen zu erlauben wäre, was der Gesetzgeber aber offensichtlich nicht beabsichtigt hatte. Insoweit ist der Bereich der Zumutbarkeit erkennbar nicht überschritten.

21.

1.2 Der Beklagte war jedoch befugt, den Erlaubnisbescheid im Rahmen des von der Beigeladenen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens im Wege der Abhilfe nach § 72 VwGO aufzuheben.

22.

1.2.1 Nach der o.g. neuen Lehre vom Charakter des Art. 113 Satz 1 BayGO als einer Kompetenzübertragungsnorm, der sich der Senat auf Grund der überzeugenden, hierfür geltend gemachten Gründe (vgl. insbesondere Knemeyer a.a.O.) anschließt, oblag es dem Beklagten, die an Stelle des Marktes H. erteilte Erlaubnis bis zur Bestandskraft gegen Angriffe Dritter zu verteidigen. Diese Befugnis umfaßt nicht nur die positive Verteidigung, sondern auch alle sonstigen Möglichkeiten der Ausgangsbehörde, auf Angriffe gegen ihren Verwaltungsakt zu reagieren. Demgemäß gehört hierzu auch die Möglichkeit, einem Widerspruch bei Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gemäß § 72 VwGO ganz oder teilweise abzuhelfen und insoweit den Verwaltungsakt wieder aufzuheben. Denn die Kompetenzübertragung bis zur Bestandskraft hat nicht den Sinn, die Aufsichtsbehörde dazu zu zwingen, auch erkennbar rechtswidrige Verwaltungsakte unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, sondern soll nur die Gemeinde davor bewahren, in einen Streit samt allen Kostenfolgen über einen von ihr von vornherein — sei es auch insoweit zu Unrecht — abgelehnten Verwaltungsakt verwickelt zu werden. Dessen Aufhebung in einem Rechtsbehelfsverfahren durch die Aufsichtsbehörde berührt daher das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nicht, da insoweit noch nicht über ihren Verwaltungsakt verfügt wird.

23.

1.2.2 Von dieser Befugnis hat der Beklagte hier auch Gebrauch gemacht. Zwar stützt sich der Bescheid vom 18. 5. 1978 ausdrücklich nur auf Art. 48 BayVwVfG. Am Ende heißt es, dem Widerspruch der Beigeladenen werde nicht abgeholfen, er habe sich vielmehr durch die außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens getroffene Rücknahme der dem Kläger erteilten Erlaubnis erledigt. Ebenso geht der vom Kläger hierüber erwirkte Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 1979 davon aus, daß nur ein Fall der Rücknahme nach Art 48 BayVwVfO vorliege. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte jedoch ausdrücklich erklärt, für den Fall, daß der Senat eine Kompetenz des Beklagten für eine Rücknahme verneine und deshalb den Bescheid vom 18. 5. 1978 für rechtswidrig erachte, deute er nach Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG diesen Bescheid in eine Abhilfeentscheidung um. Diese Umdeutung ist zulässig.

24.

Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG schließt eine Umdeutung aus, wenn der durch die Umdeutung entstehende Verwaltungsakt der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspricht. Dies ist vorliegend trotz der Ausführungen des Landratsamtes M. am Ende seines Bescheides vom 18. 5. 1978 nicht der Fall. Wie aus der Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 5. 4. 1978 deutlich wird, war das Landratsamt M. gehalten, auf jede rechtlich zulässige Weise den Erlaubnisbescheid vom 31. 1. 1978 aufzuheben. Es wollte dies dementsprechend auch, nur hielt es die Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG für den einfachsten rechtlich zulässigen Weg, so daß es davon Gebrauch machte und demgemäß auf eine Abhilfe im Rahmen des ihm in der Zulässigkeit zweifelhaft erscheinenden Widerspruchs der Beigeladenen verzichtete. Die Schlußbemerkung des Landratsamts M. im Bescheid vom 18. 5. 1978 stellt daher nur eine der auf Art. 48 BayVwVfG gestützten Entscheidung entsprechende Folgerung für das anhänge Widerspruchsverfahren der Beigeladenen dar. Der allein für Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG maßgebliche objektive Sinn und Zweck (vgl. Kopp, VwVfG, 1. Aufl., Anm. 4a zum inhaltsgleichen § 47 VwVfG - Bund) des Rücknahmebescheides vom 18. 5. 1978 schließt daher die hier vorgenommene Umdeutung entgegen der Meinung des Klägers nicht aus. Durch die Betrachtung als Abhilfebescheid wird der Kläger auch nicht ungünstiger gestellt, da wegen Art 54) BayVwVfG ein Antrag auf Entschädigung nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG hier von vornherein ausgeschlossen war. In diesem Sinne stellte auch die Rücknahme eine Abhilfeentscheidung dar.

25.

Ebensowenig steht Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfO i.V. m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG der Umdeutung entgegen. Die Erlaubnis vom 31. 1. 1978 konnte durch den dafür zuständigen Markt H. zurückgenommen werden, da sie, wie noch auszuführen ist, rechtswidrig war. Insoweit war noch nicht die Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG verstrichen, wie der Kläger meint. Denn frühestens am 28. 2. 1978 konnte der Beklagte durch den Widerspruch der Beigeladenen gegen die Baugenehmigung vom 17. 1. 1978 für das Löwengehege erkennen, daß das als Auflage für die Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 2 LStVG unbedingt erforderliche Gehege aus baurechtlichen Gründen nicht rechtmäßig genehmigt werden konnte und daß daher die Erlaubnis wieder aufzuheben sei. Demgemäß war die Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG am 27. 5. 1978 noch nicht abgelaufen. Durch die Umdeutung der Ermessensentscheidung der Rücknahme in die gebundene Entscheidung einer Abhilfe wird auch nicht gegen Art. 47 Abs. 3 BayVwVfG verstoßen. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den hier vorliegenden umgekehrten Fall scheidet aus (Kopp, VwVfG a.a.O., Anm. 5).

26.

Die Voraussetzungen für eine Umdeutung im Sinne des Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG sind erfüllt. Das Ziel, die rechtswidrige Erlaubnis zu beseitigen, ist bei beiden Rechtsfiguren dasselbe. Auch die Rücknahme geschah im Interesse der Beigeladenen, da die Rücknahme ebenso wie die ihr zugrundeliegende Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern Ergebnis der Petition der Beigeladenen an den Bayerischen Landtag war. Verfahrensweise und Form unterscheiden sich nicht, nachdem der Abhilfebehörde dieselbe Entscheidungsfreiheit wie in ihrer Eigenschaft als Erstbehörde zusteht (Kopp VwGO a.a.O.,.§ 72 RdNr. 4) und besondere Formvorschriften für beides hier nicht gelten. Schließlich sind auch, wie gleich darzulegen ist, die materiell rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines für die Beigeladene positiven, den Kläger belastenden Abhilfebescheides auf Aufhebung der Erlaubnis gegeben. Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, daß der weiterhin bestehende, unanfechtbar gewordene Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 der Aufhebung der Erlaubnis entgegenstehe, da der Beklagte hiermit widersprüchlich handle. Dieser Widerspruchsbescheid verpflichtete den beigeladenen Markt H. zwar dazu, dem Kläger die dann im Bescheid vom 31. 1. 1978 erteilte Erlaubnis zu geben. Dieser Verpflichtung ist der beigeladene Markt H. aber nachgekommen. Denn insoweit ist ihm trotz der neuen Lehre von der Kompetenzübertragung durch Art. 113 Satz 1 BayGO der Erlaubnisbescheid vom 31. 1. 1978 zuzurechnen. Dieser wird „an Stelle" des Marktes H. erteilt und wirkt nicht anders als ein Bescheid des Marktes H. Hiermit ist der Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 aber durch Erfüllung der darin begründeten Verpflichtung erledigt. Er beinhaltet keine weitergehende Verpflichtung des Marktes H., diese Erlaubnis in einem Rechtsbehelfsverfahren eines betroffenen Nachbarn trotz Rechtswidrigkeit zu Gunsten des Klägers aufrechtzuerhalten. Aus diesem unanfechtbaren Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 ergeben sich daher keinerlei Rechte des Klägers bezüglich des weiteren Schicksals des einmal diesem entsprechend erlassenen Erlaubnisbescheides. Demgemäß hinderte er auch den Beklagten, auf den diese Kompetenz ebenfalls übergegangen ist, nicht an der hier vorgenommenen Abhilfe zu Gunsten der beigeladenen Widerspruchsführerin.

27.

Schließlich wird durch die Umdeutung auch nicht die Zulässigkeit der Klage zu Lasten des Klägers berührt. Selbst wenn man nämlich der von Renck (DÖV 1973, 266) vertretenen Meinung folgen wollte, daß ein durch die Abhilfeentscheidung belasteter Dritter hiergegen sofort Klage erheben müsse, da ein (nochmaliges) Widerspruchsverfahren analog § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VWGO ausgeschlossen sei, hat der Kläger dieses Erfordernis erfüllt, da er rechtzeitig am 14. 6. 1978 gleichzeitig Widerspruch und Klage gegen den genannten Bescheid vom 18.5. 1978 erhoben hat.

28.

Die Umdeutung wurde vom Beklagten auch nicht dadurch unter einer unzulässigen Bedingung erklärt, daß sie von der Rechtsmeinung des Senats zur Rechtmäßigkeit der Rücknahme abhängig gemacht wurde. Solche innerprozessualen Bedingungen, die an kein zukünftiges ungewisses Ereignis anknüpfen, sondern an ein bereits gegenwärtiges gewisses Ereignis, sind für Verfahrenshandlungen, wie sie die vom Beklagten jetzt ausgesprochene Umdeutung darstellt, zulässig.

29.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte dem Kläger zur Frage der Umdeutung auch das nach Art. 47 Abs. 4 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche rechtliche Gehör gewährt.

30.

1.3 Der somit vorliegende Abhilfebescheid zu der von der beigeladenen Widerspruchsführerin angegriffenen Erlaubnis vom 31. 1. 1978 ist im Ergebnis rechtmäßig. Diese Erlaubnis war rechtswidrig und verletzte die Beigeladene in ihr zustehenden Rechten.

31.

1.3.1 Entgegen der Meinung des Beklagten war der Widerspruch der Beigeladenen gegen die Erlaubnis zulässig: Ihr Widerspruch war gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft. Die Erlaubnis stellt keinen Widerspruchsbescheid im Sinne des 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO dar. Derjenige Bescheid der Ausgangsbehörde — wie gesehen gilt die Erlaubnis trotz ihres Erlasses durch das Landratsamt M. als solcher —, der auf Grund der Zurückverweisung in einem Widerspruchsbescheid wie hier ergeht, stellt nicht etwa einen zusätzlichen Teil dieses Widerspruchsbescheides dar, sondern einen erneuten Erstbescheid. Gegen ihn ist daher durch jeden Betroffenen erneut der Widerspruch als einziger Rechtsbehelf zulässig. Dies gilt dabei auch, wenn der durch ihn belastete Dritte bereits durch den vorhergehenden zurückverweisenden Widerspruchsbescheid betroffen war und insoweit sofort mit einer Klage gegen diesen nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO hätte vorgehen können. Der Dritte hat in einem solchen Fall die Wahl, gegen welche Entscheidung er mit dem jeweils gegebenen Rechtsbehelf vorgehen will. Dies gilt umsomehr, wenn er am Widerspruchsverfahren nicht beteiligt war und ihm der Widerspruchsbescheid deshalb auch nicht zugestellt wurde, so daß keine Klagefrist lief, sondern er von diesem nur zufällig später erfuhr, wie es hier geschah.

32.

Mit ihrem rechtzeitig und formgerecht eingelegten Widerspruch konnte die Beigeladene auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein. Denn Art. 37 Abs. 2 LStVG bezweckte auch in der hier noch geltenden Fassung vom 7. 11. 1974 nicht nur den Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren aus der Haltung gefährlicher Tiere, sondern auch den Schutz der unmittelbar betroffenen Nachbarschaft, wie der Hinweis auf Gesundheit, Eigentum und Besitz in Abs. 2 Satz 2 zeigt. Denn deren Gesundheit, Eigentum und Besitz wird in erster Linie durch die von der Tierhaltung ausgehenden Gefahren bedroht. Die zur Verhütung dieser Gefahren gebotenen Auflagen oder die Versagung der Erlaubnis schützen daher auch den Nachbarn (so Schiedermair/König, LStVG, 4. Aufl., Anm. 3b zum insoweit rechtlich nicht geänderten Art. 37 LStVG i.d.F. v. 27.6. 1978 i.V.m. Anm. 3 zu Art. 13). Als unmittelbare Grundstücksnachbarin gehört die Beigeladene zu dem geschützten Personenkreis, so daß sie in ihren Rechten verletzt sein kann, wenn die Behörde ihr den gesetzlich vorgesehenen Schutz nicht in der gebotenen Weise zukommen ließ. Dies gilt dabei unabhängig davon, ob sie ihr Haus ständig oder nur als Wochenendhaus nützt und ob sie einen Teil desselben vermietet hat; Nachbarschutz ist nicht an ständige Anwesenheit gebunden. Ihr Widerspruch hatte sich auch nicht in der Hauptsache erledigt, wie der Beklagte in seinem Bescheid vom 31. 1. 1978 festgestellt hat. Denn da die dort beabsichtigte Rücknahme der Erlaubnis rechtlich nicht möglich war, entfällt mit deren Umdeutung in einen Abhilfebescheid auch die aus der Rücknahme hergeleitete Erledigung des Widerspruchs.

33.

1.3.2 Mit der Erteilung der Erlaubnis an den Kläger hat der Beklagte die von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 LStVG geschützten Rechte der Beigeladenen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise beachtet. Der notwendige Schutz der Beigeladenen war vielmehr nur durch eine Versagung der Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 LStVG zu bewirken, so daß dem Widerspruch der Beigeladenen im Ergebnis zu Recht abgeholfen wurde:

34. 1.3.2.1 Dies folgt allerdings nicht, wie der Beklagte behauptet, daraus, daß bereits in den Begriff des „berechtigten Interesses" nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG der Schutz der Nachbarschaft gegen das „Gefühl der Gefährdung oder Belästigung" hineinzuziehen sei, daher nur ein „gemeinverträgliches, nicht im Widerspruch zu anerkennenswerten Bedürfnissen oder billigenswerten Interessen der Nachbarn stehendes Liebhaberinteresse" eine Erlaubniserteilung ermögliche und es hieran vorliegend gefehlt habe. Dem steht der klare Wortlaut des Art. 37 Abs. 2 LStVG i.d.F. vom 7. 11. 1974 entgegen. Der Schutz der Nachbarschaft gegen die Gefahren aus der Tierhaltung ist gemäß Art 37 Abs. 2 Sätze 2, 3 LStVG erst bei der Prüfung erforderlicher Auflagen oder der Versagung der Erlaubnis zu berücksichtigen. Bei dieser Systematik des Gesetzes ist es ausgeschlossen, diesen Schutz in den Begriff des „berechtigten Interesses" vorzuziehen. Denn wenn nur ein gemeinverträgliches Interesse zur Erlaubniserteilung genügen würde, käme eine Versagung nach Art. 37 Abs. 2 Satz 3 LStVG in keinem Falle mehr in Betracht. Wenn Gefahren für die Nachbarschaft nicht durch Auflagen verhütet werden können, läge nämlich immer ein nichtgemeinverträgliches Interesse des Antragstellers vor. Demgemäß umfaßte der hier vom Landratsamt bei der Erlaubnis am 31. 1. 1978 zugrundezulegende Begriff des berechtigten Interesses auch nichtgemeinverträgliche Interessen des Klägers. Insoweit zwingt auch nicht, wie der Beklagte meint, der verfassungsrechtlich gebotene Schutz anderer als Grenze der allgemeinen Handlungsfreiheit, die mit dem Begriff des berechtigten Interesses angesprochen werde, zu seiner Auslegung. Denn dieser Schutz wird durch die in Art. 37 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LStVG gebotene Prüfling von Auflagen oder die Versagung der Erlaubnis bei nichtgemeinverträglichen Interessen des Tierhalters genügend gewährleistet. Schließlich kann sich der Beklagte für seine Auslegung auch nicht auf die Neufassung von Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG durch das Gesetz vom 27. 6. 1978 ab 1. 9. 1978 berufen. Selbst wenn die Neufassung so zu verstehen sein sollte, was keineswegs zweifelsfrei ist, kommt sie hier nicht zum Zuge. Denn für die Feststellung, ob ein bereits erlassener Verwaltungsakt rechtswidrig ist, ist grundsätzlich die zum Zeitpunkt seines Erlasses geltende Gesetzesfassung maßgeblich, falls nicht ausnahmsweise eine gesetzliche Neuregelung zulässig zurückwirkt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Eine spätere Neufassung des Gesetzes kann nämlich im Regelfall schon aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, der wesentliches Merkmal des Rechtsstaates ist (vgl. z. B. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 2. Aufl., Art. 2 RdNr. 16 m.w.N.), einen zunächst rechtmäßigen Verwaltungsakt nicht rechtswidrig werden lassen. Das vom Kläger hier geltend gemachte Liebhaberinteresse an der Löwenhaltung, das er dargelegt hatte, war demgemäß ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG (vgl. auch Kääb in Kääb-Rösch, LStVG, 2. Aufl., RdNr. 9 zum wortgleichen Art. 41 LStVG i.d.F. vom 3. 1. 1967, GVBl. S. 243; Schiedermair/König, a.a.O., Anm. 3 b zu Art. 37 LStVG i.d.F. v. 27.6. 1978), ohne daß mit dieser Anerkennung Rechte der Beigeladenen verletzt werden.

35.

1.3.2.2 Entgegen der Meinung des Beklagten, die er noch bei der Erteilung der Erlaubnis am 31. 1. 1978 vertrat, können die von der Löwenhaltung durch den Kläger für die Nachbarschaft drohenden Gefahren in der durch Art. 37 Abs. 2 Satz 2 LStVG gebotenen Weise nicht verhütet werden. Zutreffend geht der Beklagte in seinem Bescheid vom 31. 1. 1978 zwar davon aus, daß der Kläger für seinen Löwen einen Doppelkäfig benötigt. Er hat dabei aber verkannt, daß der Kläger aus baurechtlichen Gründen auf seinem Grundstück einen solchen Käfig nicht errichten darf. Demgemäß hätte der Beklagte die Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 2 Satz 3 LStVG versagen müssen, so daß er berechtigt war, diesen Fehler durch den Abhilfebescheid zu korrigieren.

36.

Gegen die dem Kläger am 17. 1. 1978 erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Nebengebäudes und zum Bau eines Geheges für einen Löwen hat die Beigeladene rechtzeitig formgerecht Widerspruch erhoben, so daß die Baugenehmigung nach § 80 Abs. 1 VwGO nicht wirksam werden konnte. Bei der dem Senat insoweit obliegenden Inzidentprüfung ergibt sich, daß diese Baugenehmigung rechtswidrig ist und die Beigeladene in ihren Rechten verletzt, so daß sie im noch nicht entschiedenen Widerspruchsverfahren aufzuheben ist:

37 Nach Art. 82 Bayer. Bauordnung - BayBO - i.d.F. d. Bek. v. 1. 10. 1974 (GVBl. S. 513) bedurften die Nutzungsänderung des Nebengebäudes auf dem Grundstück des Klägers in einen Stall sowie die Errichtung des Geheges einer Baugenehmigung, weil für die Nutzungsänderung eine Ausnahme nach Art. 83 Abs. 3 Nr. 1 BayBO im Hinblick auf Art. 64 BayBO nicht gegeben ist. Die Baugenehmigung durfte nach Art. 91 Abs. 1 Satz 1 BayBO aber nicht erteilt werden, weil das Vorhaben des Klägers den Vorschriften des Bauplanungsrechts widerspricht. Das Grundstück des Klägers liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Bundesbaugesetz — BBauG — in der hier geltenden Fassung der Bek. v. 18. 8. 1976 (BGBl. I S. 2217) noch in einem Gebiet, für das der Markt H. die Aufstellung eines solchen Bebauungsplans beschlossen hat. Es liegt jedoch, wie der vorgelegte Lageplan zeigt und der Augenschein bestätigt hat, innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. In die damit nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG maßgebliche Eigenart der näheren Umgebung fügt sich das Bauvorhaben des Klägers nicht ein; vielmehr steht es zu ihr in einem bodenrechtlich relevanten Widerspruch. Nach den Feststellungen des Senats beim Augenschein erstreckt sich der für die Beurteilung maßgebliche Bereich, auf den sich die Nutzung des Nebengebäudes als Stall und des Geheges auswirken kann, auf die dem Grundstück des Klägers benachbarten Grundstücke beiderseits entlang der F.-Straße ab der Einmündung der L.-Straße bis zur Einmündung der M.-Straße, sowie entlang der E.-Straße zwischen F.-Straße und M.-Straße und beiderseits entlang der M.-Straße, so wie sie im Lageplan vom Senat markiert wurden. Die in diesem Bereich vorhandene bodenrechtliche Situation wird gekennzeichnet durch die Bebauung mit Ein-, Zwei- und Sechsfamilienwohnhäusern in großräumigen Gärten sowie diese Grundstücke erschließende, mäßig befahrene Ortsstraßen ohne überörtliche Verkehrsbedeutung. Das landwirtschaftliche Anwesen H. in der F.-Straße und die wenigen gewerblich genutzten Gebäude werden in den oberen Stockwerken jeweils ebenfalls zu Wohnzwecken genutzt. In diese vorwiegend Wohnzwecken dienende nähere Umgebung fügt sich eine Raubtierhaltung, wie sie der Kläger betreibt, nicht ein, weil sie die gebotene Rücksichtnahme auf die in unmittelbarer Nähe vorhandenen Grundstücke vermissen läßt. Gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das auch bei der Anwendung von § 34 Abs. 1 BBauG zum Zuge kommt, weil es Bestandteil des Begriffs des „Sich-Einfügens" ist (vgl. BVerwG, U. vom 26. 5. 1978, BauR 1978, 276), verstößt das Vorhaben des Klägers, weil insbesondere der Beigeladenen als der direkt an das Gehege angrenzenden Nachbarin die nachteiligen Einwirkungen der Löwenhaltung auf ihr Grundstück billigerweise nicht zugemutet werden können (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 13. 3. l981,.BauR 1981, 354/355 f.). Wie die Beigeladene vom Kläger unwidersprochen geltend macht und wie der Senat beim Augenschein auf dem Grundstück der Beigeladenen auch feststellen konnte, können sie und ihre Mieter durch die Löwenhaltung des Klägers ca. 1/3 ihres Gartens in der an das Gehege angrenzenden Fläche nicht mehr ungestört nutzen: Einmal macht sich hier der scharfe Raubtiergeruch unangenehm bemerkbar und verleidet den Aufenthalt. Vor allem aber wird jede irgendwie Geräusch verursachende Tätigkeit in diesem gärtnerisch genutzten Grundstücksteil vom Löwen des Klägers - offensichtlich aus Angst - mit drohendem Fauchen und Gebrüll und deutlich hörbarem Springen gegen die Trennmauer beantwortet. Mögen auch die Trennmauer und der sie nach oben abschließende Gehegeteil nach dem Gutachten von Dr. W. genügend sicher und mag daher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sein, daß der Löwe ausbricht und auf das Nachbargrundstück kommt, so löst dies doch auch bei einem Tieren nicht ablehnend gegenüberstehenden Durchschnittsbewohner, auf den insoweit abzustellen ist, ein dauerndes Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung aus, das in einem vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiet nicht hingenommen werden muß. Dem kann die Beigeladene nur dadurch ausweichen, daß sie diesen Teil ihres Grundstücks nicht mehr benutzt, womit sie es faktisch dem Kläger für seine Löwenhaltung überlassen muß. Dieses nicht nur unbeachtlicher Überängstlichkeit entspringende Unsicherheitsgefühl klingt auch nicht etwa durch das Wissen um die genügende Sicherheit des Geheges oder Gewöhnung an die Reaktionen des Löwen ab, weil es in dem vom Menschen nur sehr schwer zu beherrschenden emotionalen Bereich des Unterbewußtseins wurzelt. Deutlich zeigen das die im Berufungsverfahren vom beigeladenen Markt H. vorgelegten Beschwerden selbst weiter entfernt wohnender Nachbarn des Klägers, die dieser nicht einfach als der Beigeladenen zuliebe abgegebene, nicht ernst gemeinte, bösartige und tierfeindliche Äußerungen abqualifizieren kann. Daran ändert auch nichts, daß andere Nachbarn dieses Gefühl nicht teilen. Denn soweit es sich dabei nicht überhaupt um Verwandte und Freunde des Klägers handelt, beruhen diese Äußerungen offensichtlich auf besonderer Tierfreundschaft, die auch größere Belästigungen hinnimmt. Dies kann aber nicht von jedermann verlangt werden und damit Maßstab des Zumutbaren sein. Hinzu kommen schließlich die vom Löwen des Klägers allgemein ausgehenden, in diesem Gebiet nicht üblichen Geräusche. Denn der Kläger bestritt in der Verhandlung vor dem Senat selbst nicht, daß der Löwe regelmäßig morgens und tagsüber bei der Fütterung kräftig brüllt Von der Intensität dieses Brüllens konnte sich der Senat beim Augenschein selbst überzeugen. Nachts kann der Kläger zwar das Brüllen weitgehend dadurch verhindern, daß er in Sichtweite des Tieres in seinem Schuppen schläft. Der Kläger leugnete aber nicht, daß — wie die Beschwerden aussagen — der Löwe auch nachts immer wieder einmal brüllt, All diese Emissionen, die auch auf die unmittelbaren Nachbargrundstücke neben der Beigeladenen unterschiedlich stark einwirken, widersprechen dem Gebot der Rücksichtnahme. Sie beeinträchtigen empfindlich das ungestörte Wohnen auf diesen Grundstücken, dem in der heutigen Zeit ein besonders hoher Stellenwert zukommt. Dem stehen keine besonderen oder gar unabweisbaren Interessen des Klägers gegenüber, die diese Beeinträchtigung rechtfertigen könnten. Der Senat verkennt nicht, daß der Kläger den Löwen nicht nur aus Freude an der Tierhaltung erworben hat, sondern auch, um dem Tier — was ihm auch gelungen ist — eine artgemäße Pflege zu gewähren, die es in der Tierhandlung nicht hatte, und damit ein Ziel des Tierschutzgesetzes zu verwirklichen. Ebenso ist sich der Senat darüber im Klaren, daß für den Löwen wenig Chancen bestehen, anderweitig zulässig und artgemäß unterzukommen, so daß das prachtvolle Tier wohl eingeschläfert werden muß. Dennoch können diese Interessen des Klägers an der Haltung des Löwen nicht die genannten empfindlichen Beeinträchtigungen der Qualität der Grundstücke in seiner näheren Umgebung auch nur aufwiegen, geschweige denn überwiegen und damit zumutbar machen. Auf seinem Grundstück läßt die Haltung eines ausgewachsenen Löwen die gebotene Rücksichtnahme auf die nähere Umgebung außer Acht. Deren Genehmigung würde dieses Gebiet umprägen und bodenrechtlich nachteilig verändern. Daher ist die beantragte bauliche Nutzung nach § 34 Abs. 1 BBauG unzulässig.

38.

Dem kann auch nicht mit einer Befreiung analog § 31 Abs. 2BBauG (vgl. dazu BVerwGE 56, 71/78) abgeholfen werden. Denn dies ist nur unter Würdigung der nachbarlichen Interessen möglich. Gerade nachbarliche Interessen sind hier aber so entscheidend beeinträchtigt, daß eine Befreiung nicht zulässig ist.

39.

Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung verletzt auch die nachbarlichen Rechte der Beigeladenen, so daß diese mit ihrem Widerspruch auch die Aufhebung der Baugenehmigung erreichen kann: Zwar kommt § 34 Abs. 1 BBauG auch in der hier geltenden Fassung von 1976 im allgemeinen keine drittschützende Wirkung zu, da es an einem erkennbar abgegrenzten Kreis begünstigter Dritter fehlt (vgl. z. B. BayVGH, Urteil vom 7. 11. 1977, BayVBl. 1978, 243/244). Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn die objektive Rechtswidrigkeit eines Bauvorhabens (im vorliegenden Fall durch fehlende Einfügung in die Umgebung) auf einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme beruht (so schon BVerwG, Urteil vom 25. 2. 1977, BVerwGE 52, 122/129 f.; Urteil vom 26. 5. 1978, BVerwGE 55, 369/385; Urteil vom 4. 7. 1980, DÖV 1980, 919; Urteil vom 13. 3. 1981, BauR 1981, 354/356 zu § 34 BBauG 1960; ebenso OVG Saarland, Beschluß vom 15. 7. 1977, NJW 1977, 2092; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. 10. 1977, NJW 1978, 1821 zu § 34 BBauG 1976). Wenn sich — wie hier — der Baugenehmigungsbehörde nach der Situation eine ganz besondere Schutzwürdigkeit bestimmter unmittelbarer Nachbarn aufdrängen muß, so ist die für die drittschützende Wirkung geforderte Qualifizierung und Individualisierung gegeben (BVerwG a.a.O.).). Von den das Gebot der Rücksichtnahme verletzenden Emissionen des Löwen ist das Grundstück der Beigeladenen in erster Linie und am schwersten betroffen, wie schon dargelegt wurde. Demgemäß drängt sich hier der Schutz gerade dieser Nachbarin durch das Gebot des Sich-Einfügens in die nähere Umgebung auf. Dies hat der Beklagte mit seinem Versuch, die sicherheitsrechtliche Erlaubnis zur Löwenhaltung auf die Landtagseingabe der Beigeladenen zurückzunehmen, auch selbst anerkannt. Er hätte nur auf der richtigen Ebene eines Abhilfebescheides daraus den notwendigen Schluß ziehen müssen.

40.

Muß demgemäß aber auf den zulässigen und begründeten Widerspruch der Beigeladenen die dem Kläger erteilte Baugenehmigung aufgehoben werden, so macht dies die über die Auflage mit dem baugenehmigungspflichtigen Gehege untrennbar verbundene sicherheitsrechtliche Erlaubnis zur Löwenhaltung ebenfalls rechtswidrig, so daß sie im Rahmen des hiergegen gerichteten Widerspruchsverfahrens der Beigeladenen im Wege der Abhilfe aufgehoben werden konnte. Die Berufung bleibt deshalb erfolglos, soweit sie sich gegen die Rücknahme der Erlaubnis durch den Bescheid vom 18. 5. 1978 richtet.

41.

2. Begründet ist die Berufung, soweit der Beklagte auch den Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 zurückgenommen und über den Widerspruch vom 24. 11. 1976 erneut durch dessen Zurückweisung entschieden hat. Diese Entscheidungen waren rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, so daß unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts der Klage insoweit stattzugeben war. Insoweit fehlte der gegen die Rücknahme des Widerspruchsbescheids gerichteten Klage nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hatte sich durch die Erfüllung der im Widerspruchsbescheid vom 11 5 1977 dem beigeladenen Markt H. auferlegten Verpflichtung zur Erteilung der Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG durch den Bescheid vom 31. 1. 1978 dieser Widerspruchsbescheid inhaltlich erledigt. Daran änderte auch nichts, daß — wie die Neuentscheidung über den Widerspruch vom 24. 11. 1976 zeigt — der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 11.5. 1977 mit Rückwirkung zurückgenommen hat. Denn dies läßt die Existenz des Erlaubnisbescheides vom 31. 1. 1978 unberührt. Aber der Kläger wird trotzdem durch die Rücknahme dieses — erledigten — Widerspruchsbescheides deshalb beschwert, weil, wie der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 1979 zutreffend betont dies nur ein — sogar entbehrlicher — Teil der Neuverbescheidung des Widerspruchs vom 24. 11. 1976 ist. Damit erstreckt sich aber die durch die Neuverbescheidung des Widerspruchs vom 24. 11. 1976 entstehende Beschwer des Klägers auch auf diesen von der Behörde ausdrücklich gewollten Teilakt. Denn wenn die Behörde in dieser nicht unbedingt erforderlichen, aber rechtlich möglichen Form der Aufteilung ihres Zieles in zwei getrennte Verwaltungsakte gegen den Kläger vorging, so kann ihm nicht verwehrt werden, jeden dieser Teilakte anzugreifen, um seine Rechte zu wahren. Zu Unrecht hat deshalb auch der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 2. 1. 1979 den gegen diesen Teilakt der Rücknahme des Widerspruchsbescheides vom 11. 5. 1977 zulässigerweise gerichteten Widerspruch als unzulässig verworfen und dafür dem Kläger eine Gebühr auferlegt.

42.

2.1 Zwar war der Beklagte insoweit für die Rücknahme funktionell zuständig, da es sich um einen eigenen Verwaltungsakt des Landratsamts M. in seiner Funktion als Widerspruchsbehörde für Verwaltungsakte des Marktes H. (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 119 Nr. 1 BayGO) handelt, den nur dieses zurücknehmen kann. Ebenso kann nur diese Behörde über einen Widerspruch (auch erneut) entscheiden.

43.

2.2 Für diese Maßnahme fehlte dem Beklagten jedoch die Sachkompetenz aus anderen Gründen: Mit dem Abschluß des Widerspruchsverfahrens durch den Widerspruchsbescheid ist die Widerspruchsbehörde mit der Sache nicht mehr befaßt, da sie grundsätzlich kein jederzeit ausübbares Selbsteintrittsrecht in die Aufgaben der vom Gesetz für zuständig erklärten Behörde hat. Dies gilt in jedem Fall für den hier (vgl. Emmerig in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG Art. 37 RdNr. 5b) maßgeblichen Bereich der Wahrnehmung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises durch die vom Gesetz für zuständig erklärte Gemeinde. Denn das Widerspruchsverfahren dient nicht in erster Linie dafür, sicherzustellen, daß nur richtige Verwaltungsentscheidungen ergehen, sondern entlastet als Vorverfahren die Gerichte und hat daher eine ähnlich begrenzte Funktion wie das gerichtliche Verfahren selbst (vgl. Kopp, a.a.O., Vorbem. Vor § 68 RdNr. 1).Nur im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens ist die Widerspruchsbehörde daher zur Entscheidung aufgerufen. Mit dessen bestandskräftigem Abschluß liegt die alleinige Entscheidungsbefugnis wieder bei der Ausgangsbehörde (vgl. Sahlmüller, BayVBl. 1980, 650/651). Dementsprechend steht der Widerspruchsbehörde auch kein Recht zu, ihren — wie hier — bereits unanfechtbar gewordenen Widerspruchsbescheid nachträglich deshalb abzuändern, weil sie erkennt, daß dieser rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 5 1979, DVBl. 1979, 821;BayVGH, Urteil vom 22. 3. 1979, BayVBl. 1980, 298; Kopp, a.a.O., § 73 RdNr. 24). Auch eine entsprechende Anwendung von Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG auf Widerspruchsbescheide über Art. 79 Halbsatz 2 BayVwVfG kann, sofern man sie zulassen will daher nicht die Widerspruchsbehörde zur Abänderung des Widerspruchsbescheides ermächtigen, sondern nur die Ausgangsbehörde als allein wieder sachkompetent (so wohl auch Kopp, a.a.O. RdNr. 25; VG Regensburg, Urteil vom 28. 5. 1980, BayVBl. 1980, 313/314). Der Meinung von Sahlmüller (a.a.O.) und Busch (BayVBl. 1981, 296/297), daß die Widerspruchsbehörde selbst dann eine Rücknahmebefugnis habe, wenn ihr Widerspruchsbescheid eine über den ursprünglichen Verwaltungsakt hinausgehende zusätzliche Beschwer insbesondere für den Widerspruchsgegner oder Dritte enthalte, kann sich der Senat nicht anschließen. Denn auch damit wird systemwidrig der Widerspruchsbehörde eine Kompetenz jenseits des Widerspruchsverfahrens eingeräumt, ohne daß es dessen bedürfte, da die Ausgangsbehörde Fehler jederzeit korrigieren kann. Mit Erlaß des Widerspruchsbescheids gilt der Ursprungsbescheid nur noch in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und unterliegt in dieser Gestalt der Disposition der Ausgangsbehörde. Auf diese kann die Widerspruchsbehörde gegebenenfalls über die dafür bestimmten Aufsichtsinstrumente gegenüber der Ausgangsbehörde hinwirken. Im Interesse der Rechtssicherheit muß der betroffene Bürger davor sicher sein, daß die Widerspruchsbehörde nach bestandskräftigem Abschluß des Widerspruchsverfahrens ihren Widerspruchsbescheid — etwa gar im Widerspruch zur Rechtsansicht der Ausgangsbehörde — zurücknimmt und so den Bürger in ein gerichtliches Verfahren treibt Dies führt zu einer vom Sinn des Widerspruchsverfahrens nicht getragenen Verdoppelung der Gefährdung der Rechtsstellung des Betroffenen die durch das Verbot des Selbsteintrittsrechts der Widerspruchsbehörde gerade in einem Rechtsstaat verhindert werden soll.

44.

Demgemäß war der Beklagte nicht befugt, den bestandskräftig gewordenen Widerspruchsbescheid vom 11. 5. I977 nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG zurückzunehmen, auch wenn dieser rechtswidrig war. Daran änderte die dem Beklagten über Art. 113 BayGO zugefallene Entscheidungskompetenz nichts, da auch sie nur für eine begrenzte Aufgabe die Kompetenz des Marktes H. übertrug, nicht aber zu weiteren Akten wie der Rücknahme des Widerspruchsbescheides berechtigte. Dies bedeutet dann allerdings nicht daß dieser Rücknahmebescheid nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, da er rechtlich ohne Bedeutung ist. Diese Betrachtungsweise des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.; ebenso BayVGH und Sahlmüller, je a.aO.) gilt nur, wenn durch die Rücknahme (und Neuverbescheidung) eines zunächst für den Widerspruchsführer negativ verbeschiedenen Widerspruchs wegen Fristversäumung für die Klage ein bereits verschlossener Verwaltungsrechtsweg wieder eröffnet werden soll. Wenn dagegen wie hier ein für den Widerspruchsführer positiver Widerspruchsbescheid, gegen den ihm mangels Beschwer der Zugang zu den Gerichten nicht offenstand, zurückgenommen wird, kann er dagegen unter den normalen Voraussetzungen den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Eine solche Rücknahme hat rechtliche Bedeutung, da sie eine günstige Rechtsposition entzieht Mangels Kompetenz des Beklagten ist die Rücknahme des Widerspruchsbescheids vom 11. 5. 1977 daher als rechtswidrig samt dem sie betreffenden Teil des Widerspruchsbescheides vom 2. 1. 1979 aufzuheben.

45.

2.3 Nichts anderes gilt für die Neuentscheidung über den Widerspruch des Klägers vom 24. 11. 1976. Wenn der Beklagte, wie oben dargelegt, schon nicht befugt war, seinen Widerspruchsbescheid vom 11. 5. 1977 zurückzunehmen, so war er umso weniger befugt, über den bereits entschiedenen Widerspruch des Klägers vom 24. 11. 1976 am 18. 5. 1978 ein zweites Mal zu entscheiden. Insoweit ist der erneute Widerspruchsbescheid schon im Hinblick auf die darin getroffene, den Kläger belastende Kostenentscheidung auch nicht ohne rechtliche Bedeutung, sondern unterliegt der normalen gerichtlichen Anfechtung. Der erneute Widerspruchsbescheid vom 18. 5. 1978 über den Widerspruch des Klägers vom 24. 11. 1976 ist daher als rechtswidrig aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).