Hinweis zu Rechtsgrundlagen für behördliche Ersatzansprüche für Kosten, die durch ein Handeln der Behörde an Stelle des Pflichtigen ohne vorausgehenden Verwaltungsakt (also durch Ersatzvornahme per Sofortvollzug, Selbstvornahme oder in unmittelbarer Ausführung) entstanden sind

(Stand der Bearbeitung: 3. September 2022)

© Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatiX GbR, Ottweiler

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Ob und inwieweit Kostenersatz für behördliche Handlungen verlangt werden kann, die eine Behörde an Stelle des hierzu eigentlich Verpflichteten ohne vorausgehende Festsetzung der Verpflichtung durch Verwaltungsakt vorgenommen hat, richtet sich - bei Fehlen von Spezialvorschriften - nach dem insoweit jeweils anwendbaren Verwaltungsvollstreckungsrecht.

Dies ist sowohl auf Landes- wie auf Bundesebene (in - wichtigen - Details) unterschiedlich geregelt, wobei teilweise auch unterschiedliche Regelungsmodelle für unterschiedliche Behörden vorgesehen sind. Dies setzt einige Vorüberlegungen zur Ermittlung der richtigen Anspruchsgrundlage für den Kostenersatz voraus, die auch Auswirkungen auf den Prüfungsaufbau haben. Die Kenntnis dieser Vorüberlegungen ist notwendig, um

I. "Polizeivollstreckung" oder Verwaltungsvollstreckung?

Frage 1: Gibt es im anwendbaren Landesrecht Sondervorschriften für die Vollstreckung von Maßnahmen der Polizei- und Ordnungsbehörden mittels Ersatz- oder Selbstvornahme im Polizei- oder Ordnungsbehördengesetz ("Polizeivollstreckungsrecht") oder ist im maßgeblichen Landesrecht das Verwaltungsvollstreckungsrecht einheitlich für alle Behörden (nur) in einem allgemeinen Verwaltungsvollstreckungsgesetz geregelt?

Erläuterung: Wenn hier von "Polizeivollstreckungsrecht" gesprochen wird, wird die saarländische Begrifflichkeit verwendet. Denn das Saarland bezeichnet als "Polizei" i.S.d. SPolG (s. § 1 Abs. 1 SPolG) die Vollzugspolizei (§§ 82 ff. SPolG) und die Polizeiverwaltungsbehörden (§§ 75 ff. SPolG), denen gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr (s. § 1 Abs. 2 SPolG) zugewiesen wird. Sowohl die Vollzugspolizei wie die Polizeiverwaltungsbehörden können sich damit unmittelbar auf die im SPolG enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen (einschließlich des  "Polizeivollstreckungsrecht" der §§ 44 ff. SPolG berufen. Das Saarland folgt damit (in preußischer Tradition) dem sog. "Einheitssystem", bei dem alle Behörden, denen allgemeine Gefahrenabwehraufgaben übertragen sind, als "Polizei" bezeichnet werden und die Befugnisse aller "Polizeibehörden" in einem einheitlichen "Polizeigesetz" geregelt sind. Außer dem Saarland folgen diesem Modell noch Baden-Württemberg und Bremen (einen Link zu ihren "Polizeigesetzen" finden Sie hier). Die übrigen Bundesländer folgen dagegen dem sog. "Trennungssystem", das nur die "Vollzugspolizei" als "Polizei" bezeichnet, während die Behörden, die in der preußischen Tradition "Polizeiverwaltungsbehörden" heißen, i.d.R. als "Ordnungsbehörden" bezeichnet werden. Dabei folgen Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein einem "abgeschwächten Trennungssystem". Hier wird zwar zwischen der "Polizei" (damit ist eben nur die Vollzugspolizei gemeint) und "Ordnungsbehörden" (in Hamburg und Niedersachsen schlicht als "Verwaltungsbehörden", in Sachsen-Anhalt als "Sicherheitsbehörden" bezeichnet) unterschieden. Die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Polizei- und Ordnungsbehörden werden jedoch in einem einheitlichen "Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" (in Rheinland-Pfalz "Polizei- und Ordnungsbehördengesetz", in Schleswig-Holstein Zweiter Teil, Abschnitt III [Öffentliche Sicherheit] des LVwG) geregelt (einen Link zu diesen "Gesetzen über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" finden Sie hier). Konsequenter ist das Trennungssystem dagegen in Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen ausgestaltet. Deren "Polizeigesetze" regeln ausschließlich die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Vollzugspolizei, wobei die Vollzugspolizei schlicht als "Polizei" bezeichnet wird. Die Aufgaben, Befugnisse und die Organisation der allgemeinen "Ordnungsbehörden" (in Bayern: "Sicherheitsbehörden") ergeben sich dagegen aus einem eigenem Gesetz, das in Bayern "Landesstraf- und Verordnungsgesetz", sonst "Ordnungsbehördengesetz" heißt (einen Link zu diesen "Polizeigesetzen" und "Ordnungsbehördengesetzen" finden Sie hier). Seit dem 1. Januar 2020 folgt schließlich auch Sachsen (das bisher wie das Saarland dem Einheitssystem gefolgt hatte) dem Trennungssystem, wenn auch auf eine eigene Weise: Zwar gibt es in Sachsen nunmehr mit dem Sächsischen Polizeibehördengesetz (SächsPBG) und dem Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPDVG) unterschiedliche Gesetze für die Vollzugspolizei und die Ordnungsbehörden. Jedoch bezeichnet das SächsPBG die Ordnungsbehörden nach wie vor als "Polizeibehörden" (vgl. § 1 SächsBG), während das SächsPDVG den Polizeivollzugsdienst nur verkürzt als "Polizei" bezeichnet (§ 1 Satz 2 SächsPDVG).

Frage 2: Wenn es ein "Polizeivollstreckungsrecht" gibt: Können diese Sondervorschriften des "Polizeivollstreckungsrechts" auch für Ersatz- oder Selbstvornahmen der Behörde anwendbar sein, die im vorliegenden Fall Kostenersatz geltend macht?

Erläuterung: Hier kommt es darauf an, welche Behörden sich auf die besonderen Regelungen des "Polizeivollstreckungsrechts" berufen können. Nur die allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden? Auch Sonderpolizeibehörden? Sonstige Behörden?

Frage 3: Wenn Frage 2 bejaht wurde: Können diese Vorschriften des "Polizeivollstreckungsrechts" von der Behörde auch für die Durchsetzung der Pflicht herangezogen werden, die von der Behörde mittels Selbst- oder Ersatzvornahme durchgesetzt wurde (werden soll)?

Erläuterung: Im Saarland gilt etwa das "Polizeivollstreckungsrecht" der §§ 44 ff. SPolG nur zur Durchsetzung von "polizeilichen Verfügungen", wie sich aus § 1 Abs. 3 SVwVG ergibt. Zur Abgrenzung siehe z. B. Abgeschleppt-und-Abgezockt-Fall und den Scheunenabbruchfall.

II. (Notwendigkeit der) Abgrenzung zwischen unmittelbarer Ausführung/Selbstvornahme (vgl. § 19 BPolG) und Ersatzvornahme durch Sofortvollzug (vgl. § 6 Abs. 2 VwVG Bund)?

Frage 1: Ist im anwendbaren Landesrecht sowohl die unmittelbare Ausführung/Selbstvornahme (wie bei § 19 BPolG) und der Sofortvollzug (wie bei § 6 Abs. 2 VwVG) vorgesehen und sind beide Vorschriften für Maßnahmen der handelnden Behörde anwendbar?

Frage 2: (Nur) Wenn Frage 1 positiv beantwortet wird: Wie sind unmittelbare Ausführung und Sofortvollzug voneinander abzugrenzen?

Erläuterung: Überlegungen zur Abgrenzung von Sofortvollzug und unmittelbarer Ausführung (also die Frage, auf welche Ermächtigung sich die Behörde in bestimmten Konstellationen stützen muss), sind damit nur dann anzustellen, wenn eine Behörde überhaupt die "Qual der Wahl" hat. Dies ist nicht der Fall, wenn in dem für sie maßgeblichen Vollstreckungsrecht nur entweder der Sofortvollzug oder die unmittelbare Ausführung/Selbstvornahme vorgesehen ist. Dann kommt es nur darauf an, ob die Voraussetzungen dieser Ermächtigung gegeben ist; ein Abgrenzungsproblem (z. B. was wäre, wenn auch Sofortvollzug vorgesehen wäre?) stellt sich nicht. Zur Abgrenzung von unmittelbarer Ausführung und Sofortvollzug in Fällen, in denen derselben Behörde beide Instrumente zur Verfügung stehen, grundlegend und überzeugend: Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes und der Länder, 1997, S. 200 ff.; diese Sichtweise hat sich wohl durchgesetzt.

III. Woraus ergibt sich die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten von unmittelbarer Ausführung/Selbstvornahme oder der Kosten der Ersatzvornahme durch Sofortvollzug?

Wenn "unmittelbare Ausführung" einschlägig ist: Kostenermächtigung ist regelmäßig in der Ermächtigung zur unmittelbaren Ausführung enthalten, vgl. z. B. § 19 Abs. 2 BPolG.

Wenn Sofortvollzug einschlägig ist, gelten dagegen die allgemeinen Regeln über die "Kosten der Ersatzvornahme", die auch im gestreckten Vollstreckungsverfahren anwendbar wären.

Anmerkung: Siehe z. B. OVG Bremen, 1 LB 47/15 v. 4.12.2019, S. 12 = NordÖR 2020, 204, 206.

IV. Wann ist die Erhebung von Kosten für die unmittelbarer Ausführung/Selbstvornahme oder Ersatzvornahme durch Sofortvollzug rechtmäßig?

Allgemeiner Rechtsgrundsatz: Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, sind nicht zu erheben (vgl. § 13 Abs. 1 S. 2 BGebG). Der Grundsatz ist auch vielfach im Landesrecht ausdrücklich normiert, so dass dann diese Bestimmungen unmittelbar oder analog herangezogen werden sollten.

Also: Unmittelbare Ausführung/Selbstvornahme/Sofortvollzug muss rechtmäßig gewesen sein!

Frage 1: Lagen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Verpflichteten vor?

Frage 2: Lagen die besonderen Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung/Selbstvornahme bzw. des Sofortvollzugs vor?

Frage 3: Wurden die Kosten auch der Höhe nach richtig festgesetzt (z. B. kein Kostenersatz für der Höhe nach unverhältnismäßige Aufwendungen)?