Bundesgerichtshof
 Beschluss vom 10.3.1983
 - 4 StR 73/82
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 (weitere Fundstellen: NJW 1983, 1504 f.)

 

Leitsatz

 

Das gewerbliche Waschen eines Kraftfahrzeugs in einer Waschanlage, die in Verbindung mit einer Tankstelle betrieben wird, unterliegt nicht den Vorschriften des Ladenschlußgesetzes.

 

Tatbestand

1.

Der Betroffene betreibt eine Tankstelle. Auf dem Tankstellengelände ist auch eine vollautomatische Kraftwagen-Waschanlage errichtet, die von den Kunden durch Einwurf einer Mark (Chip) in Tätigkeit gesetzt wird. Diese Marke ist an der Tankstelle zu erwerben. Die Waschanlage war in der zweiten Hälfte des Jahres 1980 mindestens bis zum 23.11. auch sonntags in Betrieb. Deshalb hat das AG den Betroffenen wegen "einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 6 II, 24 I Nr. 2 LSchlG" zu einer Geldbuße verurteilt. Das von dem Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde angerufene OLG Hamm möchte das Urteil des AG aufheben. Nach seiner Ansicht gilt das Ladenschlußgesetz für den Betrieb einer Auto-Waschanlage auch dann nicht, wenn sie in Verbindung mit einer Tankstelle betrieben wird. So zu entscheiden sieht das OLG sich jedoch gehindert durch den Beschl. des BayObLG vom 26. 7. 1968 (OLGSt § 6 LadenschlußG, S. 1), in dem das Waschen eines ganzen Kraftfahrzeugs in der zu einer Tankstelle gehörenden Waschanlage an Sonn- und Feiertagen als Verstoß gegen § 6 LSchlG gewertet worden ist. Das OLG Hamm hat daher die Sache dem BGH zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt: ‚‚Unterliegt das gewerbliche Waschen eines Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Ladenschlußgesetzes, wenn die Waschanlage im Rahmen einer Tankstellenanlage betrieben wird?"

 

Aus den Gründen:

2.

II. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt (121 II GVG, § 79 III OWiG).

3.

III. In der Sache tritt der Senat der Rechtsauffassung des vorlegenden OLG bei.

4.

1. Das Gesetz über den Ladenschluß vom 28. 11. 1956 (BGBl I, S. 875) – LSchlG –‚ zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. 7. 1976 (BGBl 1, S. 1773), setzt in § 3 allgemeine Ladenschlußzeiten fest und enthält in § 4 bis 16 Sonderregelungen für bestimmte Be triebe. Den allgemeinen Ladenschlußzeiten nach § 3 LSch1G unterliegen – außer Betrieben des Friseurhandwerks (18 LSch1G) und den in §§ 19, 20 geregelten Sonderformen des Feilhaltens von Waren – nur Verkaufsstellen. Verkaufsstellen im Sinne des Gesetzes sind nach § 1 I LSchlG

(1) Ladengeschäfte aller Art, Apotheken, Tankstellen, Warenautomaten und Bahnhofsverkaufsstellen,

(2) sonstige Verkaufsstände und -buden, Kioske, Basare und ähnliche Einrichtungen, falls in ihnen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden...

5.

Keine Verkaufsstellen sind Betriebe, in denen. keine Waren feilgehalten, sondern lediglich Dienst- oder Werkleistungen angeboten oder erbracht werden, wie Annahmestellen von Reinigungsanstalten und Wäschereien (vgl. dazu schon den Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 3. 4. 1940, RArbl 1940 III, S. 103), Leihbüchereien und handwerkliche Reparaturstellen (Denecke-Neumann, AZO, 9. Aufl. [1976]. § 1 LSchlG Rdnr. 9). Gemischte Betriebe, in denen verschiedene Gewerbe ausgeübt werden, die nicht alle dem Ladenschlußgesetz unterliegen, werden durch die räumliche Zusammenfassung nicht in ihrem gesamten Umfang dem Ladenschlußgesetz unterworfen. Vielmehr unterliegt jeder einzelne Gewerbezweig weiterhin den für ihn geltenden Bestimmungen; das Ladenschlußgesetz gilt nur, soweit die gewerbliche Tätigkeit von ihm ausdrücklich erfaßt wird (BVerwG, DVBl 1956, 789; BVerwG, GewArch 1960, 286).

6.

2. Tankstellen sind Verkaufsstellen i. S. von § 3 LSch1G nur, soweit in ihnen Waren zum Verkauf feilgehalten werden. Dies ergibt sich aus § 31 Nr. 2 LSchlG, der sonstige Verkaufsstände usw. dem Ladenschlußgesetz nur unterwirft, "falls in ihnen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden". Mit dieser Formulierung ("ebenfalls") hat der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats zum Ausdruck gebracht, daß diese Voraussetzung bei den in § 11 Nr. 1 LSchlG genannten Verkaufsstellen schon begrifflich gegeben ist (so bereits Apel, GewArch 1963, 219). Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, eine solche Auslegung setze voraus, daß der Nebensatz außerhalb der einzelnen Nummern am Ende des Absatzes stehe (so Zmarzlik, GewArch 1964, 3). Wenn der Gesetzgeber nämlich davon ausgegangen ist, die in dem Nebensatz enthaltene Voraussetzung sei bei den in § 1 I Nr. 1 LSch1G genannten Verkaufsstellen begrifflich stets enthalten, brauchte er sie nur für § 3 I Nr. 2 ausdrücklich aufzustellen.

7.

Daraus folgt zum Beispiel, daß Wettbüros keine Ladengeschäfte i. S. von § 3 I Nr. 1 LSchlG sind, auch wenn sie in Räumen betrieben werden, die das Erscheinungsbild eines Ladengeschäfts bieten. Daraus folgt ferner, daß der Begriff der Tankstelle in § 3 I Nr. 1 LSch1G nicht auch eine auf demselben Grundstück vom Tankstelleninhaber (oder einem Dritten) betriebene Reparaturwerkstatt mitumfaßt. Das gleich muß für eine in Verbindung mit einer Tankstelle betriebene Waschanlage gelten, da in ihr keine Ware zum Verkauf feilgeboten, sondern eine Dienstleistung erbracht wird. Der Betrieb der Waschanlage unterliegt daher nicht den Vorschriften des Ladenschlußgesetzes. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Waschleistung nicht in einer besonderen Anlage, sondern nur als untergeordnete Nebenleistung zum Verkauf der Treibstoffe erbracht wird (vgl. BVerwG, GewArch 1960, 286 [288]), braucht hier nicht entschieden zu werden. Unerheblich ist, daß die Wagenwäsche den Erwerb einer Marke voraussetzt, mit deren Hilfe die automatische Anlage in Tätigkeit gesetzt wird. Diese Marke ist keine Ware, die verkauft wird; Mit ihr wird lediglich die Maschine in Gang gesetzt.

8.

3. Diese Auslegung steht auch nicht in Widerspruch zu § 6 LSchlG. Das BayObLG vertritt die Auffassung, § 6 LSchlG sei eine Spezialvorschrift, die Tankstellen als ganze auf der einen Seite vom Ladenschluß ausnehme, auf der anderen Seite aber nur bestimmte Leistungen während der Ladenschlußzeiten gestatte; daraus wird gefolgert das in § 6 II nicht ausdrücklich genannte Wagenwaschen sei an Tankstellen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten nicht erlaubt (NJW 1967, 1479; ebenso Denecke-Neumann, § 6 LSch1G Rdnr. 2). Dieser Auffassung vermag der Senat sich nicht anzuschließen.

9.

§ 6 I LSchlG enthält eine Ausnahme von der allgemeinen Ladenschlußregelung des § 3. Er setzt also die Anwendbarkeit des § 3 vor aus. Nur in diesem Umfang kann auch die Rückausnahme des § 6 II Bedeutung gewinnen (ebenso Dengler, GewArch 1969, 76). Dafür spricht auch, daß § 6 II neben der Abgabe von Betriebsstoffen zwar die Abgabe von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge ("Feilhalten von Waren zum Verkauf") außerhalb der allgemeinen Ladenschlußzeiten ausdrücklich für zulässig erklärt, soweit sie für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft notwendig ist, nicht aber die zu demselben Zweck notwendigen Instandsetzungsarbeiten. Diese könnten nach der vom BayObLG vertretenen Auffassung nur im Wege der Analogiebildung zu § 6 II für zulässig erklärt werden. Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die für die Wiederherstellung der Fahrbereitschaft mindestens ebenso wichtigen Instandsetzungsarbeiten vergessen hat. Aus dem Wortlaut des § 6 II kann daher nur gefolgert werden, daß der Gesetzgeber die Vornahme von Arbeiten am Kraftfahrzeug überhaupt nicht zudem unter §§ 1, 3 LSchlG fallenden Tankstellenbetrieb gerechnet und deshalb auch nur die Abgabe von Betriebsstoffen und Ersatzteilen in § 6 II ausdrücklich geregelt hat.

10.

4. Allein diese Auslegung hält sich auch im Rahmen der Zwecke des Ladenschlußgesetzes, die den im Zwang zum Ladenschluß liegenden Eingriff in die Berufsausübung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 59, 336 = NJW 1982, 1509). Danach muß der Eingriff in die Berufsausübung mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls begründet werden können; das eingesetzte Mittel muß geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen; auch muß bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein (BVerfGE 59, 336 [355] = NJW 1982, 1509). Diese Gesichtspunkte sind nicht nur für die Zulässigkeit der Regelung als solche, sondern auch für ihre Auslegung in Zweifelsfällen von Bedeutung.

11.

Das Ladenschlußgesetz sollte in erster Linie den Arbeitsschutz vervollständigen, die Angestellten in den Verkaufsstellen vor zu langer Arbeitszeit an Werktagen und vor gebotener Sonntagsbeschäftigung schützen, den Anreiz, aus Wettbewerbsgründen gegen den Arbeitsschutz zu verstoßen, möglichst verhindern, außerdem aber auch der Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen dienen (BGHZ 66, 159 [162] = NJW 1976, 964; BVerwGE 28, 295 [298]; BGHSt 18,96 [102] = NJW .1963, 117). Weder der Arbeitsschutz noch die Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen können nach dem Ladenschlußgesetz ein Verbot rechtfertigen, Kraftwagen-Waschanlagen im Zusammenhang mit Tankstellen außerhalb der allgemeinen Ladenschlußzeiten zu betreiben. Da alle Tankstellen nach § 6 I LSchlG auch während der allgemeinen Ladenschlußzeiten offengehalten werden dürfen, werden die dort tätigen Arbeitnehmer durch ein Verbot des Betriebs der Waschanlage während dieser Zeiten nicht vor zu langer Arbeitszeit an Werktagen und vor verbotener Sonntagsarbeit geschützt, da sie in der Tankstelle selbst während dieser Zeiten beschäftigt werden dürfen, und besteht auch kein Anreiz, aus Wettbewerbsgründen gegen Arbeitsschutzbestimmungen zu verstoßen (vgl.

12.

6. Die Vorlegungsfrage war daher in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht zu verneinen. Diese Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.