Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 12.09.1963
- II C 14/6
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 (weitere Fundstellen: BVerwGE 16, 343 f.)

 

Leitsätze:

1.

Die Zurücknahme einer Ernennung wegen arglistiger Täuschung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Dienstherr den wahren Sachverhalt hätte kennen müssen.

2.

Die Ernennung ist durch jede Täuschung "herbeigeführt", ohne die sie unterblieben wäre.

 

Tatbestand:

1.

Der Kläger wurde im Jahre 1928 zum Stadtturnrat und zum Gemeindebeamten auf Lebenszeit ernannt. Auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 175) wurde er am 4. April 1933 bis auf weiteres unter Weiterzahlung seines Gehalts beurlaubt und im Jahre 1934 in das Amt eines Oberschullehrers versetzt. Im Jahre 1940 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und im Jahre 1941 zum Hauptmann der Reserve ernannt.

2.

Ein Feldgericht der Luftwaffe verurteilte den Kläger im Jahre 1943 wegen fortgesetzter Untreue in Tateinheit mit militärischem Diebstahl und Mißbrauch der Dienstgewalt zu einer Gefängnisstrafe.

3.

Nach dem Kriege wurde der Kläger zunächst im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Seine kriegsgerichtliche Bestrafung gab er nicht an. Mit Wirkung vom 13. Dezember 1951 wurde er als Beamter auf Lebenszeit mit der Amtsbezeichnung "Stadtturnrat" in den Dienst des beklagten Landes übernommen, später zum Oberregierungsrat ernannt und schließlich zum Regierungsdirektor befördert.

4.

Im September 1958 wurden die Personalakten des Klägers aus der Zeit vor 1945 aufgefunden, in denen sich eine Abschrift des gegen den Kläger ergangenen Urteils des Feldgerichts befindet. Kurz darauf beantragte der Kläger, ihn gemäß § 79 des Landesbeamtengesetzes von Berlin vom 24. Juli 1952 (GVBl. S. 603) in der Fassung vom 26. April 1958 (GV- Bl. S. 421) – LBG – in den Ruhestand zu versetzen. Daraufhin wurde der Kläger mit Ablauf des Monats Januar 1959 in den Ruhestand versetzt und dabei bemerkt: "Etwa erforderlich werdende Maßnahmen nach § 11 LBG bleiben unberührt." Nach Anhörung des Klägers wurden seine Ernennungen zum Oberregierungsrat und zum Regierungsdirektor gemäß § 11 Nr. 1 und 2 LBG zurückgenommen. Die Versorgungsbezüge des Klägers wurden nach dem Amt eines Stadtturnrats festgesetzt.

5.

Die Anfechtungsklage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.

 

Aus den Gründen:

6.

Bei der Anwendung des von der Revision als verletzt bezeichneten § 11 LBG ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß diese Vorschrift als "eine Ernennung" nicht nur die das Beamtenverhältnis begründende Ernennung (§ 7 a Nr. 1 LBG) versteht, sondern jede Ernennung im Sinne des § 7 a LBG, also auch eine Beförderung, nämlich die Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Endgrundgehalt und anderer Amtsbezeichnung (§ 7 a Nr. 4 LBG). In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht schon den Begriff "Ernennung" in der – § 11 LBG entsprechenden – Vorschrift des § 32 des Deutschen Beamtengesetzes in der Bundesfassung vom 30. Juni 1950 (BGBl. S. 279) aufgefaßt (Urteil vom 26. Juni 1961 – BVerwG VI C 5.59 –, Buchholz BVerwG 231, § 32 DBG Nr. 2). Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie hält vielmehr die im angefochtenen Urteil vertretene Rechtsansicht für fehlerhaft, daß die Beförderungen des Klägers zum Oberregierungsrat und zum Regierungsdirektor noch nach seiner Versetzung in den Ruhestand zurückgenommen werden konnten. Mit dieser Rüge kann die Revision aber keinen Erfolg haben. Eine ausdrückliche Bestimmung des Inhalts, daß die Beendigung des Beamtenverhältnisses die Zurücknahme einer Ernennung nicht ausschließt, ist in das Berliner Landesbeamtengesetz allerdings erst durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenrechts vom 12. Juli 1960 (GVBl. S. 715) als § 15 Abs. 3 eingefügt worden. Damit ist jedoch nur klargestellt worden, was ohnehin Rechtens war, daß es nämlich allein darauf ankommt, ob einer der in § 11 LBG angeführten Tatbestände verwirklicht und die gesetzliche Frist für die Zurücknahme (§ 12 Abs. 2 LBG) gewahrt ist. Da eine Ernennung durch Zurücknahme rückwirkend beseitigt wird, die Zurücknahme also die gleichen rechtlichen Folgen wie die Nichtigkeit der Ernennung (§ 10 LBG) hat, liegt die Beendigung des – aktiven – Beamtenverhältnisses stets nach dem Zeitpunkt, auf den die Zurücknahme von Ernennungen zurückwirkt; schon deshalb fehlt es an einem rechtlichen Grund für die von der Revision vertretene Auffassung, daß der Zurücknahme der hier betroffenen Ernennungen die schon vorher verfügte Versetzung des Klägers in den Ruhestand entgegenstehe, zumal der Zweck der Zurücknahme die Beseitigung des früheren Ernennungsaktes ist, nicht also die Beseitigung eines – im Zeitpunkt der Zurücknahme bestehenden – Beamtenverhältnisses. Der Hinweis der Revision auf die Folgen der Zurücknahme für das inzwischen konstitutiv begründete Versorgungsverhältnis kann ebenfalls nicht durchgreifen. Im Falle der Zurücknahme (§ 11 LBG) ist ebenso wie im Falle der Nichtigkeit (§ 10 LBG) eine Ernennung als nicht vorgenommen zu behandeln; nur für die von dem Betroffenen vorgenommenen Amtshandlungen hat § 13 LBG eine Sonderregelung getroffen. Werden alle Ernennungen des Betroffenen zurückgenommen, so ist der Gewährung von Versorgungsbezügen an ihn schlechthin die Grundlage entzogen (§ 100 LBG), wobei ohne Erheblichkeit ist, ob das Versorgungsverhältnis kraft Gesetzes – wie bei Erreichen der Altersgrenze (§ 77 LBG) – oder durch Verfügung der Dienstbehörde (§ 85 Abs. 1 LBG) begründet worden ist. Entfällt – nur – eine Beförderung, so richten sich die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach dem Amt, das der Beamte vor der rückwirkend zurückgenommenen Beförderung zuletzt innehatte (§ 100 LBG), und der Beamte darf nur noch die diesem Amt entsprechende Amtsbezeichnung mit dem Zusatz "a. D." führen (§ 85 Abs. 3 LBG).