Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern 
Beschluss vom 23.04.1998
- 2 M 168/97
-

 (weitere Fundstellen: DÖD 1999, 43 f.)

 

Leitsätze

1.

Die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung des angehenden Beamten ist ein wesentlicher Bestandteil des Ernennungsverfahrens.

2.

Dem Recht der Ernennungsbehörde, die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zu überprüfen, steht einer Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) des Bewerbers gegenüber.

3.

Unrichtige Angaben über für die Ernennung wesentliche Umstände sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht.

4.

Die Täuschung kann auch in einem Verschweigen von Tatsachen liegen; der Bewerber braucht aber nicht ungefragt auf gesundheitliche Probleme jeglicher Art aufmerksam zu machen.

5.

Werden bestimmte Gesundheitsprobleme vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe verschwiegen, während der Probezeit aber offenbart, und nimmt die zuständige Stelle gleichwohl die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit vor, so läßt dies regelmäßig den Schluß zu, daß eine frühere Kenntnis dieser Umstände auch der ersten Ernennung nicht hinderlich gewesen wäre.

 

Aus den Gründen:

1.

Es geht um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Rücknahme beamtenrechtlicher Ernennungen.

2.

Mit Wirkung vom 01.12.1992 übernahm der Antragsgegner den damals 51jährigen Antragsteller aus dem Angestelltenverhältnis in das Beamtenverhältnis auf Probe und verlieh ihm mit Wirkung vom 01.03.1995 als Stadtinspektor (Besoldungsgruppe A 9) die Eigenschaften eines Beamten auf Lebenszeit. Am 14.06.1995 beantragte der Antragsteller die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Der Antragsgegner nahm durch Bescheid vom 16.02.1996 die beiden Ernennungen wegen arglistiger Täuschung zurück und ordnete die sofortige Vollziehung an.

3.

Der gegen diesen Bescheid und den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid erhobenen Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 27.08.1997 entsprochen. Über die zugelassene Berufung - 2 L 236/97 - des Antragsgegners hat der Senat bislang nicht entschieden.

4.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Beschwerde des Antragsgegners.

5.

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf den begehrten vorläufigen Rechtsschutz.

6.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung in den Fällen wiederherstellen, in denen die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.

7.

Die gerichtliche Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu werden, und das (öffentliche) Interesse an der Vollziehung. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung erlangen. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsacheklage überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Ist dagegen offensichtlich, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist, muß die aufschiebende Wirkung im allgemeinen wiederhergestellt werden, weil an dem Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts regelmäßig kein schutzwürdiges Interesse besteht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 10.04.1996 und 24.06.1997 - 2 M 10/96 bzw. 2 M 69/96 -, mwN.). So liegt der Fall hier.

8.

Der angefochtene Bescheid wird einer rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht standhalten. Der Antragsteller hat die Ernennung nicht durch arglistige Täuschung herbeigeführt.

9.

Für die rechtliche Beurteilung ist auszugehen von § 14 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. LBG MV (vgl. auch §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BRRG bzw. 12 Abs. 1 Nr. 1 BBG), wonach eine Ernennung zurückzunehmen ist, wenn sie durch arglistige Täuschung herbeigeführt wurde.

10.

Eine Ernennung ist (objektiv) durch Täuschung herbeigeführt worden, wenn der zu Ernennende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen bei der für die Ernennung zuständigen Stelle einen Irrtum erregt und sie dadurch zu der Ernennung veranlaßt. Unrichtige Angaben über für die Ernennung wesentliche Umstände sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde hiernach gefragt hat oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1996 - 2 C 23.96 -, DtZ 1997, 140 mwN.).

11.

Die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung des angehenden Beamten ist ein wesentlicher Bestandteil des Ernennungsverfahrens. Denn Beamter darf nur werden, wer den Anforderungen genügt, die in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht an den Inhaber des angestrebten Amts zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1987 - 5 C 42.84 -, Buchholz 436.61 § 6 SchwbG Nr. 1; BVerwG, Urteil v. 15.06.1989 - 2 A 3.86 -, Buchholz 232.1 § 7 BLV Nr. 4). Die Überprüfung erstreckt sich aber nicht auf Gesundheitsfragen aller Art, es geht vielmehr nur um solche Beeinträchtigungen, die für die anstehende Personalentscheidung Bedeutung haben. Dem daraus resultierenden verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Recht der Ernennungsbehörde, die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zu überprüfen, steht eine Mitwirkungspflicht (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) des Bewerbers gegenüber. In der Regel werden aber von ihm unmittelbar weder fachmedizinische Angaben über eventuell vorhandene Krankheiten oder gesundheitliche Beeinträchtigungen noch eine für die Bedürfnisse der Eignungsfeststellung ausreichende eigene Einschätzung, inwieweit gegebenenfalls vorhandene Krankheiten die Ausübung des angestrebten Amtes in Frage stellen, zu erwarten seien. Es ist vielmehr Sache der Ernennungsbehörde, die Eignung des Bewerbers zu beurteilen. Es wäre auch aus der Sicht des Bewerbers nicht frei von Widersprüchen, trüge er mit der Bewerbung zugleich vor, daß gegen seine Eignung Bedenken bestünden. Denn die Bewerbung kann auch als Ausdruck der eigenen Überzeugung, für das Amt (gesundheitlich) geeignet zu sein, bewertet werden. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß der Offenbarungsanspruch der Ernennungsbehörde auch durch den Persönlichkeitsschutz des Bewerbers (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) begrenzt ist, der unter anderem beinhaltet, daß niemandem etwas für ihn Unzumutbares abzuverlangen ist.

12.

Dies bedeutet, daß das Risiko für die Prognose, ob der Bewerber den gesetzlichen Anforderungen des angestrebten Amtes (auf Dauer) genügen wird, in erster Linie bei der Ernennungsbehörde liegt. Sie hat es aber in der Hand, den damit verbundenen Nachteilen entgegenzuwirken, in dem sie entsprechende Informationen einholt, etwa durch gezielte Fragen oder ärztliche Untersuchungen. Die Ernennungsbehörde kann aber jedenfalls vom Bewerber eine laienhafte Bezeichnung einer bei ihm festgestellten Erkrankung oder zumindest - etwa bei nicht eindeutig diagnostizierten gesundheitlichen Problemen - eine Beschreibung der aufgetretenen Symptome nach Art und Schwere und Angaben über die eventuelle Behandlung verlangen.

13.

Dem Bewerber obliegt es, daran mitzuwirken, etwa indem er (auch formularmäßig) gestellte Fragen beantwortet, sich einer amtsärztlichen Untersuchung unterzieht und (aktuelle oder frühere) behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Der Amtsarzt kann seinerseits weitere Erhebungen etwa bei den behandelnden Ärzten anstellen oder Krankenunterlagen einsehen.

14.

Bei einer eventuell erforderlichen Auslegung des Inhalts der Erklärung des zu Ernennenden ist darauf abzustellen, wie die für die Ernennung zuständige Stelle sie unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen durfte. Sind mehrere Auslegungen möglich, die aber nicht alle zur Bejahung der Täuschung führen, ist angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen die Erklärung zugunsten des Erklärenden auszulegen. Dieses Ergebnis benachteiligt die Ernennungsbehörde nicht unbillig. Wird sie im Ernennungsverfahren mit ungenauen oder unklaren Angaben konfrontiert, hat sie die Möglichkeit durch gezielte Nachfragen eine Klarstellung zu erwirken.

15.

Die Täuschung kann auch in einem Verschweigen von Tatsachen liegen. Dies gilt etwa dann, wenn eine Verpflichtung zur Offenbarung besteht oder wenn das Verschweigen im Zusammenhang mit offenbarten Tatsachen ein falsches Bild ergibt bzw. wenn die Tragweite einer gesundheitlichen Störung dadurch verharmlost wird, daß nur ein Teilaspekt offenbart wird. Grundsätzlich muß ein Bewerber für ein öffentliches Amt (nachteilige) Auskünfte zu seiner Person aber nur geben, wenn und soweit er danach gefragt wird oder ungefragt weiß bzw. jedenfalls in Kauf nimmt, daß die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1996, aaO.). Dies trifft etwa dann zu, wenn häufige Erkrankungen oder dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze zu erwarten ist. Es geht insbesondere darum, ob der zu Ernennende allen laufbahntypischen Anforderungen in gesundheitlicher Hinsicht gewachsen ist. Der Betreffende braucht aber nicht ungefragt auf gesundheitliche Probleme jeglicher Art aufmerksam zu machen. Insofern bestehen keine wesentlichen Unterschiede, ob es nun um die gesundheitliche oder die charakterliche Eignung geht; so braucht etwa ein Bewerber nicht von sich aus seine MfS-Verstrickung zu offenbaren (vgl. Beschl. des Senats v. 17.08.1995 - 2 M 51/95 -).

16.

Die Täuschung ist arglistig, wenn dem zu Ernennenden die Unrichtigkeit seiner Angaben bewußt ist oder er die Unrichtigkeit zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, und er außerdem den Vorsatz hat, auf die Willensbildung der für die Ernennung zuständigen Stelle einzuwirken (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.10.1996, aaO; zu § 15 Abs. 1 Nr. 1 SächsBG: BVerwG, Beschl. v. 14.11.1996 - 2 B 16.96 -; OVG MV, Urteil v. 06.06.1996 - 2 L 1/96 - ). Arglist ist aber nicht bei jeder Form von schuldhaftem Verhalten anzunehmen, sondern jedenfalls in der Regel auszuschließen, wenn der Betreffende selbst von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt ist. Läßt sich die "Bewußtseinslage" des Betroffenen zur maßgeblichen Zeit nicht aufklären, so kann das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht festgestellt werden, da die Beweislast insoweit bei der Behörde liegt. Der Umstand, daß es sich bei der Feststellung, ob Arglist gegeben ist, um eine - naturgemäß schwer erweisliche - innere Tatsache handelt, führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Dies würde dem Grundsatz, daß anspruchsbegründende Tatsachen von demjenigen zu beweisen sind, der den Anspruch geltend macht, widersprechen. Zudem würde dem Betroffenen noch Schwierigeres, wenn nicht gar Unmögliches aufgebürdet, nämlich zu beweisen, nicht arglistig gewesen zu sein. Den Beweisschwierigkeiten auf Seiten der die Rücknahme der Ernennung betreibenden Dienststelle ist aber auf andere Weise Rechnung zu tragen. Denjenigen, der (objektiv) unrichtige Angaben gemacht hat, trifft im Hinblick auf die fraglichen inneren Tatsachen eine Mitwirkungspflicht, d. h. er muß erläutern, aus welchen Gründen er nicht den zutreffenden Sachverhalt angegeben hat. Verweigert er diese Mitwirkung oder vermag er nicht nachvollziehbar darzutun, weshalb er unrichtige Angaben gemacht hat, ist dies bei der Frage, ob das Bestreiten der Arglist als Schutzbehauptung zu beurteilen ist, zu verwerten (vgl. zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 SG: Urteil des Senats v. 15.01.1998 - 2 L 28/96 -, mwN.). Das Verschweigen von Tatsachen ist arglistig, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, daß die Ernennungsbehörde auf Grund seines Verhaltens wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen, oder - umgehend - der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.1985 - 2 C 30.84 -, ZBR 1986, 52 mwN.).

17.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Arglist des Erklärenden ist in erster Linie der Zeitpunkt der Erklärung; es kann aber auch auf spätere, jedoch vor der Ernennung gewonnene Kenntnisse des Erklärenden ankommen.

18.

Der durch die arglistige Täuschung bei der zuständigen Stelle erregte Irrtum muß für ihre Personalentscheidung ursächlich gewesen sein. Dies ist zu bejahen, wenn die Ernennung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts unterblieben wäre. Die Täuschung braucht nicht unmittelbar gegenüber der für die Ernennung zuständigen Stelle begangen zu werden. Es genügt, wenn die unrichtigen Angaben Dritten - etwa dem Amtsarzt vorgespiegelt werden, der Täuschende aber weiß, daß die für die Ernennung zuständige Stelle hierauf zurückgreifen wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.1985 aaO.). Werden bestimmte Gesundheitsprobleme vor der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe verschwiegen, während der Probezeit aber offenbart, und nimmt die zuständige Stelle gleichwohl die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit vor, so läßt dies regelmäßig den Schluß zu, daß bei Kenntnis der Umstände vor der Ernennung zum Probebeamten diese Umstände auch der ersten Ernennung nicht hinderlich gewesen wären. Denn an die Prüfung der gesundheitlichen Eignung von Probebeamten sind jedenfalls keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die der Beamten auf Lebenszeit.

19.

Die Anwendung der entwickelten Maßstäbe auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, daß keine der beiden Ernennungen des Antragstellers vom Antragsgegner zurückgenommen werden kann.

20.

Der Antragsteller hat unter Zugrundelegung des Sachverhalts, wie er sich nach den vorliegenden Verwaltungsvorgängen und dem Vortrag der Beteiligten im Gerichtsverfahren darstellt, vor der Ernennung zum Beamten auf Probe keine unrichtigen Angaben gemacht.

21.

Dabei geht der Senat nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten (vgl. Seite 3 Mitte des Bescheides vom 16.02.1996 und Seite 4 unten des Widerspruchs vom 14.03.1996) davon aus, daß der Antragsteller aus Anlaß der Untersuchung vom 10.11.1992 einen - allerdings nicht bei den Akten befindlichen - Fragebogen ausgefüllt hat und dabei die Fragen (34 - 36) nach Geistes- und Gemütskrankheiten, Anfallsleiden, Bewußtseinsstörungen und Schwindelanfällen verneint hat. Daß diese Antworten unrichtig gewesen wären, ist nicht festzustellen. Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen lassen nicht erkennen, daß beim Antragsteller vor der genannten Untersuchung eine in die aufgezählten Krankheitsgruppen einzuordnende gesundheitliche Beeinträchtigung vorgelegen hat. In der Stellungnahme von Dres. B. vom 08.07.1995 heißt es, der Antragsteller klage "seit Mitte der 80er Jahre über ein Kopfschütteln und eine Kopfschiefhaltung, "die "Probleme" hätten in der Vergangenheit nur "ganz selten zur Arbeitsunfähigkeit" geführt. Nach dem "Befundbericht" von Dres. G. vom 30.06.1995 bestanden beim Antragsteller seit Anfang der 80er Jahre "unwillkürliche Bewegungen des Kopfes, die bei emotionaler Belastung an Intensität" zugenommen hätten. In seiner Eigenschaft als Ärztlicher Direktor einer neurologischen Klinik erwähnt Dr. G. in einem an die Praxis B. gerichteten Schreiben vom 20.02.1989 eine "extrapyramidale Bewegungsstörung im Bereich des Kopfes" und führt weiter aus, daß eine "klare Zuordnung des Krankheitsbildes noch nicht möglich" gewesen sei. Es heißt dann weiter: "Eine im Computertomogramm nachweisbare oberwurmbetonte Kleinhirnatrophie könnte möglicherweise das organische Substrat für diese Störung sein." Die zitierten ärztlichen Stellungnahmen beschränken sich im wesentlichen auf die Beschreibung der beim Antragsteller beobachteten Symptome; daß eine Krankheit, die in eine der im oben genannten Fragenkatalog enthaltenen Krankheitsgruppen passen würde, diagnostiziert worden wären, ist ihnen jedoch nicht zu entnehmen. Diese Auffassung wird allem Anschein nach auch vom Amtsarzt geteilt; in seiner Stellungnahme vom 16.1.1995 macht er im Zusammenhang mit dem genannten Fragenkatalog darauf aufmerksam, daß eine Täuschung durch Verschweigen von Tatsachen in der Regel nur angenommen werden könne, wenn von der Behörde "ausdrücklich" Angaben darüber verlangt worden seien. Nach seiner Stellungnahme vom 16.10.1995 hätte die "Kleinhirnveränderung", die bereits Mitte der 80er Jahre bestanden habe, außerdem nicht gegen einen Beamtendienst gesprochen. Auch der Antragsgegner trägt nicht vor, aus welchen Gründen er der Auffassung ist, daß der Antragsteller die erwähnten Fragen (oder zumindest eine davon) hätte bejahen müssen, sondern beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, der Antragsteller sei "seit 1987 wegen derartiger Leiden in ambulanter ärztlicher Behandlung".

22.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß auch die Frage 39 (Haben oder hatten Sie sonstige wesentliche Krankheiten oder Gebrechen?) vom Antragsteller zutreffend verneint worden ist.

23.

Ginge man dagegen mit Verwaltungsgericht davon aus, daß der Antragsteller 1992 keinen Fragebogen auszufüllen brauchte, würde sich am Ergebnis nichts ändern; es ließe sich nicht feststellen, daß der Antragsteller eine mündlich etwa gestellte Frage zu seiner gesundheitlichen Vorgeschichte falsch beantwortet hätte - die bereits erwähnte Stellungnahme des Amtsarztes vom 16.11.1995 deutet eher auf den Gegenbeweis hin - noch daß der Antragsteller verpflichtet gewesen wäre, von sich aus auf die erwähnten Gesundheitsstörungen aufmerksam zu machen.

24.

Aber auch wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, daß sich die beim Antragsteller aufgetretenen gesundheitlichen Störungen einer der (mündlich oder schriftlich) abgefragten Krankheiten zuordnen ließe, würde dies zu keiner für den Antragsgegner günstigeren Beurteilung der Rechtslage führen.

25.

Zum einen wäre dem Antragsteller ein arglistiges Verhalten nicht nachzuweisen. Sein Vortrag, er habe nicht gewußt, welchen Krankheitswert die Störungen gehabt haben, und sei davon überzeugt gewesen, daß sie seine gesundheitliche Eignung nicht in Frage stellen würden, wären ihm nicht nur nicht zu widerlegen, sondern erschienen insbesondere angesichts der ebenfalls bereits erwähnten Stellungnahme des Amtsarztes vom 16.10.1995 glaubhaft. Zum anderen ließe sich nicht feststellen, daß der - ebenfalls unterstellte - Irrtum beim Antragsgegner ursächlich für die Ernennung des Antragstellers zum Probebeamten gewesen wäre. Der Antragsgegner hat den Antragsteller zum Lebenszeitbeamten ernannt, nachdem er über die beim Antragsteller aufgetretenen Gesundheitsstörungen jedenfalls im wesentlichen informiert war. Er wußte - wie sich aus dem vom Antragsteller am 14.11.1994 ausgefüllten Fragebogen und aus den Stellungnahmen des Gesundheitsamtes des Antragsgegners vom 27.07.1995 und 15.08.1995 ergibt - seit der amtsärztlichen Untersuchung aus Anlaß der Überprüfung der Tauglichkeit des Antragstellers für Bildschirmarbeitsplätze vom 14.11.1994 - daß beim Antragsteller "seit vielen Jahren" bzw. seit seiner Kindheit eine "Kopfschiefhaltung" und ein "leichtes Zittern" bestanden haben, daß er deswegen (zeitweilig) in Behandlung war, und mit welchen Medikamenten er behandelt worden ist. Soweit diese Angaben als unklar oder unvollständig anzusehen sein sollten, wäre es Sache des Amtsarztes gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Den zuletzt genannten Stellungnahmen der Amtsärzte des Antragsgegners ist zu entnehmen, daß dieselben Befunde anläßlich der wegen der bevorstehenden Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Lebenszeit am 10.01.1995 durchgeführten Untersuchung erneut erhoben worden sind. Einen Hinweis auf ein "chronisches Nervenleiden" oder für "Störungen im psychischen oder affektivem Bereich" haben die Amtsärzte darin aber erklärtermaßen nicht gesehen.

26.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, daß der Antragsteller auch vor der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit keine unrichtigen Angaben gemacht und nichts verschwiegen hat, was er zu offenbaren verpflichtet gewesen wäre.

27.

Die beim Antragsteller aufgetretenen Symptome (Kopfschiefhaltung, leichtes Zittern) waren dem Antragsteller bekannt. Der Antragsgegner wirft dem Antragsteller zu Unrecht vor, er habe arglistig die Diagnose "cerebrales Nervenleiden" verschwiegen. Eine solche Angabe konnte vom Antragsteller jedenfalls deshalb nicht erwartet werden, weil eine entsprechende Diagnose ihm - soweit bekannt - zu keiner Zeit eröffnet worden ist. Es spricht sogar alles dafür, daß so ein Befund jedenfalls vor der Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Lebenszeit objektiv nicht erhoben worden ist. Auf die obigen Ausführungen zu den bei den Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen kann in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

28.

Soweit der Antragsgegner dem Antragsteller vorhält, verschwiegen zu haben, bei welchen Ärzten er in Behandlung war, ist dies nicht nachvollziehbar. Wenn der Antragsteller - wie geschehen - angibt, daß er (jahrelang) in Behandlung war und welche Medikamente er erhalten hat, wäre es Sache des Amtsarztes gewesen, sich die Namen der behandelnden Ärzte nennen zu lassen. Daß der Antragsteller bewußt durch unvollständige Angaben die aufgetretenen Störungen verharmlost hätte, läßt sich jedenfalls nicht feststellen. Wenn er am 11.01.1995 - wie es in der Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 27.01.1995 heißt - angegeben hat, wegen der Störungen "in der Praxis keine Schwierigkeiten" gehabt zu haben, so liegt darin eine persönliche Bewertung durch den Betroffenen, auf die es für den Antragsgegner ohnehin nicht ankommen durfte. Für diese eigene Bewertung findet sich indes eine Bestätigung in der Stellungnahme von Dr. B. vom 08.07.1995; darin heißt es: "Die Probleme des Patienten führten in der Vergangenheit nur ganz selten zur Arbeitsunfähigkeit." Dem ist der Antragsgegner nicht substantiiert entgegengetreten, wobei anzumerken ist, daß er insoweit über eigene aussagekräftige Kenntnisse verfügen muß, weil der Antragsteller seit 1990 bei ihm beschäftigt war.

29.

Wenn der Antragsgegner in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, der Umstand, daß der Antragsteller nur wenige Monate nach seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit aufgrund von "Schwächen seiner geistigen Kräfte" die vorzeitige Zurruhesetzung beantragt hat, lasse den Schluß zu, er müsse zumindest bei der letzten amtsärztlichen Untersuchung vor der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit arglistig getäuscht haben, so kann dem nicht gefolgt werden. Der Antragsteller wurde am 23.06.1995 erneut amtsärztlich untersucht, nachdem er die Zurruhesetzung beantragt hatte. Auch dabei kamen die Amtsärzte noch zu dem Ergebnis, daß "die nachlassenden geistigen und beruflichen Fähigkeiten wohl mehr Ausdruck einer allgemeinen Überforderungssituation" seien; Hinweise auf "Intellektstörungen oder andere geistige Defizite, die einer Tätigkeit als Beamter entgegenstehen würden", hätten sich nicht ergeben. Erst die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 15.09. und 16.10.1995 kommen insoweit zu abweichenden Ergebnissen. So ist z. B. von einer "beginnend fortschreitenden Großhirnveränderung neueren Datums" die Rede. Aber auch wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, daß beim Antragsteller eine Geistesschwäche schon vor der letzten Ernennung vorhanden war, wäre ihm arglistiges Verhalten nicht nachzuweisen. Es gibt jedenfalls keine Hinweise dafür, daß der Antragsteller davon gewußt oder jedenfalls die Möglichkeit eines solchen Leidens gesehen hätte.

30.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

31.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

32.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).