Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 21.111988
- 15 B 2380/88
-

 (weitere Fundstellen: NJW 1989, 1105 f.)

 

 

Leitsätze:

1.

Gegen den Beschluß einer Ratsfraktion, eines ihrer Mitglieder auszuschließen, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

2.

Ein Ausschluß ist - vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Fraktionsstatut - nur aus wichtigem Grund zulässig.

 

Aus den Gründen:

1.

Der Ast., der Mitglied des Rates der Stadt L. ist und der X-Partei angehört, schloß sich im Jahr 1984 mit den beiden weiteren dieser Partei angehörenden Ratsmitgliedern zur Ag. zusammen. Diese beschloß am 14.5.1987 mit den Stimmen der beiden weiteren Mitglieder, den Ast. aus der Fraktion auszuschließen. Im zugehörigen Hauptsacheverfahren begehrt der Ast. die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Beschlusses und des Fortbestandes seiner Fraktionszugehörigkeit. Seinen im vorliegenden Verfahren gestellten Antrag, der Ag. aufzugeben, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen, lehnte das VG ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ast. hatte vor dem OVG Erfolg.

2.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

3.

Insbesondere ist entgegen den vom VG geäußerten Bedenken für diesen Antrag der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Der Streit um das Bestehen der Mitgliedschaft in einer Ratsfraktion ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die keinem anderen Gericht zugewiesen ist. Zwar folgt dies zweifelsfrei weder aus der Art der auf das Innenverhältnis der Fraktionen anzuwendenden Rechtsvorschriften

-- vgl. dazu einerseits (eine bürgerlichrechtliche Streitigkeit bejahend): BayVGH, Urt. vom 9.3.1988 -- Nr. 4 B 86.03226 --, BayVBl 1988, 432, VG Münster, Urt. vom 12.4.1977 -- 2 K 1640/76 --, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht, § 30 GO Nr. 7, Hahn, DVBl 1974, 509 (510 f), und andererseits (eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit bejahend) z.B.: Moecke, NJW 1965, 276 ff und 567 ff --

noch aus der Rechtsnatur der Fraktionen.

Vgl. dazu einerseits (zivilrechtliche Vereinigung): BayVGH, Urt. vom 9.3.1988, a.a.O., Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 276 ff, und andererseits (öffentlich-rechtliche Vereinigung): Moecke, a.a.O., Erdmann, DÖV 1988, 907 (908), Zuleeg, Die Fraktionen in den kommunalen Vertretungskörperschaften, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. 1982, Band 2, S. 145 (147), Schuegraf, BayVBl 1969, 116 (117).

4.

Näherliegend, wenngleich ebenfalls angreifbar, ist es, das Rechtsverhältnis innerhalb einer Fraktion wegen des Sachzusammenhanges mit deren Aufgaben ebenso wie diese dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

So z.B. HessVGH, Beschl. vom 2.8.1984 -- 2 TG 607/84 --, HessStGZ 1987, 209; Zuleeg, JuS 1978, 240 f; Erdmann, a.a.O., 909; ähnlich OVG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 1.3.1977 -- 6 D 23/77 --, Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht, § 30 GO Nr. 6; VG Minden, Urt. vom 19.4.1979 -- 2 K 1072/78 --, bestätigt durch Beschl. des Senats vom 20.6.1980 -- 15 A 1594/79 --; vgl. aber auch die gegen den Gesichtspunkt des Sachzusammenhanges erhobenen Bedenken des BayVGH, Urt. vom 9.3.1988, a.a.O., 434, sowie allgemein zum Gesichtspunkt der Sachnähe für die Rechtswegfrage Beschl. des Senats vom 23.9.1986 -- 15 B 2039/86 --, DVBl. 1987, 100 (103).

5.

Der öffentlich-rechtliche Charakter der fraktionsinternen Rechtsbeziehungen läßt sich zwanglos jedoch aus dem Gegenstand des einer Fraktionsbildung zugrunde liegenden Errichtungsaktes herleiten. Weil nach der Gemeindeordnung die Bildung von Fraktionen weder erzwungen werden kann noch in der Weise vorgegeben ist, daß die Mitglieder einer Fraktion nur derselben Partei oder Gruppe angehören können, ist die Errichtung einer Fraktion in die grundsätzlich uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit ihrer (späteren) Mitglieder gestellt. Sie kann daher auf einen unter Zustimmung aller Betroffenen zustande gekommenen Vertrag zurückgeführt werden.

Vgl. z.B. Zuleeg, Die Fraktionen in den kommunalen Vertretungskörperschaften, a.a.O., 145 (153).

6.

Gegenstand dieses Vertrages sind nicht die den Beteiligten in ihrer Eigenschaft als natürliche Personen zustehenden subjektiven (Außen)rechte, sondern die ihnen als Mitglieder des Rates zugewiesenen, auf den gemeindlichen Innenbereich beschränkten Kompetenzen. Denn Sinn und Aufgabe einer Fraktion bestehen hauptsächlich darin, schon vor den Entscheidungen im Rat eine Willensbildung innerhalb der Fraktion herbeiführen zu können, um eine nach Möglichkeit gleichgerichtete und dadurch politisch wirksamere Ausübung der den einzelnen Fraktionsmitgliedern zustehenden Kompetenzen zu gewährleisten. Diese Kompetenzen sind solche des öffentlichen Rechtes. Der einer Fraktionsbildung zugrunde liegende Vertrag hat deshalb einen öffentlichrechtlichen Gegenstand mit der Folge, daß die dadurch begründeten Rechtsbeziehungen der Fraktionsmitglieder untereinander ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind.

Zur Bedeutung des Vertragsgegenstandes für die Unterscheidung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rechtsverhältnisse vgl. BVerwG, Urt. vom 5.10.1965 -- IV C 26.65 --, BVerwGE 22, 138 (140), vom 25.11.1966 -- VII C 35.65 --, BVerwGE 25, 299 (301), vom 6.7.1973 -- IV C 22.72 --, BVerwGE 42, 331 (332), vom 14.11.1975 -- IV C 84.73 --, BVerwGE 49, 359 (361), und vom 6.7.1984 -- 4 C 24.80 --, BayVBl 1985, 371 (372).

7.

Der Zulässigkeit des Antrages steht auch § 123 Abs. 5 VwGO nicht entgegen. Der Ausschluß aus einer Fraktion ist kein Verwaltungsakt, gegen dessen sofortige Vollziehung Rechtsschutz nach oder in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden könnte. Weder hat die Fraktion dem Auszuschließenden gegenüber im Sinne eines Subordinationsverhältnisses die hoheitliche Befugnis zum Erlaß einer der Bestandskraft fähigen Regelung noch erzeugt der Ausschluß aus einer Fraktion unmittelbare Rechtswirkungen nach außen. Vielmehr liegt in der Ausschließung eine zwar einseitige und auf die Beendigung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Willenserklärung, die jedoch in einem Verhältnis prinzipieller Gleichordnung ausgesprochen wird und nur Rechtspositionen aus dem gemeindlichen Innenbereich berührt.

8.

Der Antrag ist auch begründet. Nach der hier einschlägigen Bestimmung in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt der Erlaß einer einstweiligen Anordnung die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruches als auch eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 ZPO) voraus. Beide Erfordernisse sind im vorliegenden Fall erfüllt.

9.

Der Ast. hat glaubhaft gemacht, daß er aufgrund der zu Beginn der Wahlzeit getroffenen Fraktionsabsprache die uneingeschränkte Beteiligung auch an der künftigen Fraktionsarbeit beanspruchen kann. Demgegenüber beruft sich die Ag. ohne Erfolg auf den Ausschluß des Ast. aus der Fraktion; denn bis zu einer eventuellen gegenteiligen Feststellung im Hauptsacheverfahren muß von der Unwirksamkeit des Ausschlusses ausgegangen werden:

10.

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Fraktionsmitglied ausgeschlossen werden kann, richtet sich in erster Linie nach den bei der Errichtung der Fraktion getroffenen Absprachen. Da die Gründung der Fraktion frei ist, steht auch die Regelung der fraktionsinternen Rechtsbeziehungen -- etwa in Gestalt einer Geschäftsordnung oder eines Statutes -- zur im Grundsatz uneingeschränkten Disposition ihrer Mitglieder. Fehlt es -- wie im vorliegenden Fall -- an solchen Absprachen, so kann in Ermangelung einer subsidiär eingreifenden Gesetzesregelung nur auf solche Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden, die auf das persönliche Zusammenwirken mehrerer Beteiligter angelegte Dauerrechtsverhältnisse allgemein kennzeichnen und auch ohne ausdrückliche Absprache als Grundlage der internen Rechtsbeziehungen akzeptiert zu werden pflegen. Zu diesem Mindeststandard, zu dem beispielsweise das Mehrheitsprinzip bei der fraktionsinternen Willensbildung gehört,

vgl. z.B. Zuleeg, Die Fraktionen in den kommunalen Vertretungskörperschaften, a.a.O., 145 (157),

muß auch die grundsätzliche Möglichkeit des Austrittes und des Ausschlusses aus der Fraktion gerechnet werden. Die hier allein interessierende Frage des Ausschlusses ist etwa für die auf bestimmte Zeit eingegangene bürgerlich-rechtliche Gesellschaft dahin geregelt, daß ein Gesellschafter, in dessen Person ein wichtiger Grund eingetreten ist, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann (§ 737 Satz 1, § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB).

11.

Gleiches ist trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung für den privatrechtlichen Verein anerkannt

-- vgl. Staudinger/Coing, BGB, 12. Aufl. 1980, § 35 Rdnr. 34, 37, 39; Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl. 1982, § 39 Rdnr. 6 u. 7 --

und gilt -- wenngleich in anderer Ausgestaltung -- auch für die politischen Parteien (§ 10 Abs. 4 ParteiG). Darin kommt das Prinzip zum Ausdruck, daß ein unter der Voraussetzung grundsätzlicher Übereinstimmung der Beteiligten und mit dem Ziel ihrer persönlichen Zusammenarbeit auf längere Dauer eingegangenes Rechtsverhältnis aus wichtigem Grund muß beendet werden können. Dieses Prinzip gilt auch für den Zusammenschluß mehrerer Ratsmitglieder zu einer Fraktion. Die mit der Bildung einer Fraktion verfolgten politischen Zwecke lassen sich nur solange erreichen, wie die Mitglieder der Fraktion zumindest in den Grundsatzfragen einig und in Randfragen zu Kompromissen bereit sind.

12.

Der danach notwendige Grundkonsens wird freilich weder durch jede Meinungsverschiedenheit der Fraktionsmitglieder noch durch jedes abweichende Verhalten einzelner bei Abstimmungen im Rat oder in dessen Ausschüssen in Frage gestellt; denn der Sinn der fraktionsinternen Meinungsbildung besteht gerade darin, unterschiedliche Auffassungen nach Möglichkeit miteinander in Einklang zu bringen, setzt aber nicht voraus, daß dies immer und ausnahmslos gelingt. Hieraus folgt, daß nicht jeder Dissens einen die Ausschließung einzelner Fraktionsmitglieder rechtfertigenden Grund darstellt, sondern nur solche Umstände, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig und derart stören, daß eine weitere Zusammenarbeit den übrigen Fraktionsmitgliedern nicht zugemutet werden kann.

Ebenso: Erdmann, a.a.O., 911 f; Zuleeg, JuS 1978, 240 (243 f); derselbe, Die Fraktionen in den kommunalen Vertretungskörperschaften, a.a.O., 145 (154); Hauenschild, Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, 1968, S. 201 f; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl. 1984, S. 1029; HessVGH, Urt. vom 16.8.1983 -- II OE 67/82 --, NVwZ 1984, 55, und Beschl. vom 2.8.1984, a.a.O., 210.

13.

Eine derartige Situation liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn als Grund für die Störung des Vertrauensverhältnisses nur Umstände in Frage kommen, die von einem anderen Fraktionsmitglied zu verantworten sind oder doch in dessen alleinigem Einwirkungsbereich liegen. In diesem Fall kann ohne Verletzung des Willkürverbotes nur dieses andere Mitglied gegen seinen Willen aus der Fraktion entfernt werden, nicht hingegen einer derjenigen, denen die Gründe für das Zerwürfnis nicht zurechenbar sind.

Zur gleichartigen Problematik bei der Ausschließung eines Gesellschafters vgl. von Gamm in BGB-RGRK, 12. Aufl. 1978, § 737 Rdnr. 6.

14.

Ob der Ausschluß von der Mehrheit der Fraktionsmitglieder beschlossen werden kann oder -- wofür bei Fehlen einer dahingehenden Regelung im Fraktionsstatut manches spricht -- eine einstimmige Entscheidung aller in der Fraktion verbleibenden Mitglieder nötig erscheint, bedarf hier keiner Erörterung. Desgleichen kann offenbleiben, welchen weiteren Anforderungen das Ausschließungsverfahren genügen muß

-- vgl. dazu die von z.B. Erdmann, a.a.O., 910, und Rothe, DVBl 1988, 382 (385), vertretene Auffassung, daß eine Anhörung des Betroffenen und eine Eröffnung der Ausschlußgründe geboten seien --

und ob das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Zur Kontrolldichte bei der zivilrechtlichen Überprüfung von Parteiausschlüssen vgl. BGH, Urt. vom 20.4.1967 -- II ZR 142/65 --, BGHZ 47, 381 (384 ff), vom 2.7.1979 -- II ZR 206/77 --, BGHZ 75, 158 f, sowie vom 30.5.1983 -- II ZR 138/82 --, BGHZ 87, 337 (343 ff), und zu den daraus gezogenen Schlußfolgerungen für die Überprüfung von Fraktionsausschlüssen vgl. Schuegraf, a.a.O., 117 f, Erdmann, a.a.O., 912 f.

15.

Wird in beiden Fragen von der für die Ag. günstigsten Betrachtungsweise ausgegangen, so bestehen gleichwohl an der Wirksamkeit des streitigen Fraktionsausschlusses aus tatsächlichen Gründen herrührende Zweifel, die nur im Hauptsacheverfahren ausgeräumt werden können und im Rahmen des Eilverfahrens zu Lasten der Ag. gehen.

16.

Die tatsächlichen Umstände, die zur Ausschließung des Ast. geführt haben, sind ungeklärt. (Wird ausgeführt) Ob Gründe in der Person des Ast. gegeben sind, die seine Ausschließung rechtfertigen konnten, ist danach ungewiß und allenfalls im Hauptsacheverfahren feststellbar. Die prozessualen Folgen dieser Ungewißheit müssen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu Lasten der Ag. gehen. Denn sie hält dem aus der Fraktionsvereinbarung hergeleiteten Partizipationsanspruch des Ast. mit dessen Ausschluß aus der Fraktion eine rechtsvernichtende Einwendung entgegen, für die sie auch im Hauptsacheverfahren die Darlegungslast und bei einem non liquet die materielle Beweislast zu tragen hat.

Vgl. Zuleeg, JuS 1978, 240 (244), sowie (allgemein zur Beweislast im Verwaltungsprozeß) OVG NW, Urt. vom 19.5.1987 -- 22 A 177/87 --, NVwZ 1987, 1012, bestätigt durch BVerwG, Urt. vom 18.12. 1987 -- 7 C 49.87 --, BVerwGE 78, 367.

17.

Der Ast. hat auch glaubhaft gemacht, daß die beantragte Regelung nötig ist, um ihn vor wesentlichen Nachteilen zu bewahren.

18.

Der Ausschluß aus der Fraktion bedeutet, daß dem Ast. die Partizipation an den den Fraktionen in der Gemeindeordnung zugewiesenen besonderen Kompetenzen vorenthalten wird. Zu nennen sind insoweit etwa die den Fraktionen, nicht aber einzelnen Ratsmitgliedern vorbehaltenen Befugnisse im Zusammenhang mit der Einberufung von Sitzungen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 GO), der Aufstellung der Tagesordnung (§ 33 Abs. 1 Satz 2 GO), der Besetzung der Ausschüsse (§ 42 Abs. 1 Satz 6, Abs. 6 Satz 1 GO), der Zitierung des Hauptgemeindebeamten (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GO) und den in der Geschäftsordnung zu regelnden Zuwendungen zu den Kosten der Fraktionsarbeit (§ 30 Abs. 7 Satz 6 GO). Ferner bleiben ihm die in der politischen Wirklichkeit darüber hinaus bestehenden, in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden Einflußmöglichkeiten einer Fraktion und der in ihr vereinigten Ratsmitglieder verschlossen.

Zur Rolle und Bedeutung der Fraktionen in der Gemeindepolitik vgl. BVerfG, Urt. vom 10.12.1974 -- 2 BvK 1/73; 2 BvR 902/73 --, BVerfGE 38, 258 (273 f); OVG NW, Urt. vom 14.1.1975 -- III A 551/73 --, Rechtsprechung zum kommunalen Verwaltungsrecht, § 30 GO Nr. 4, und vom 29.4.1988 -- 15 A 2207/85 --, StGRat 1988, 262.

19.

All das führt dazu, daß der Ast. als fraktionsloses Ratsmitglied weit geringere Einwirkungsmöglichkeiten im politischen Geschehen der Gemeinde besitzt als dies innerhalb der Fraktion und bei der Beteiligung an deren Arbeit der Fall ist.

Vgl. Kasten, ZParl 1985, 475 (482); Erdmann, a.a.O., 907 f, 910; HessVGH, Beschl. vom 2.8.1984, a.a.O., 209.

20.

Der Ast. kann die ihm danach durch den Fraktionsausschluß erwachsenden Nachteile im Hauptsacheverfahren nicht abwenden. Denn eine rechtskräftige Entscheidung vor Ablauf der Amtszeit des Rates im Herbst 1989 und der damit einhergehenden Beendigung sowohl des Mandates des Ast. als auch der rechtlichen Existenz der Ag.

-- vgl. zu letzterem HessVGH, Urt. vom 3.9.1985 -- 20 E 93/83 --, NVwZ 1986, 328 --

ist zumindest unwahrscheinlich, wenn nicht ausgeschlossen.

21.

Der vom Ast. beantragten einstweiligen Anordnung steht schließlich auch nicht entgegen, daß mit deren Erlaß eine Entscheidung in der Hauptsache faktisch vorweggenommen wird. Solche die Grenzen vorläufiger Regelungen i.S.v. § 123 Abs. 1 VwGO überschreitende Anordnungen sind allerdings nur ausnahmsweise zu rechtfertigen und haben zur Voraussetzung, daß die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes den jeweiligen Ast. schwer und unzumutbar belasten würde.

Vgl. BVerfG, Beschl. vom 19.10.1977 -- 2 BvR 42/76 --, BVerfGE 46, 166 (179); Beschl. des Senats vom 30.6.1987 -- 15 B 1396/87 --, bestätigt durch BVerfG, Beschl. vom 19.10.1987 -- 2 BvR 947/87 --.

22.

Eine solche Situation kann nicht bei jedem Streit über einen Fraktionsausschluß angenommen werden, sondern läßt sich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles feststellen.

Zu weitgehend demgegenüber Erdmann, a.a.O., 910.

23.

Der vorliegende Fall weist derartige eine Vorwegnehme der Hauptsache rechtfertigende Umstände auf. Weder nach dem bisher feststehenden Sachverhalt noch nach dem Vortrag der Ag. sind, da diese ihre Angaben in wesentlichen Punkten nicht substantiiert hat, hinreichende Gründe für die Ausschließung des Ast. zu erkennen. Zwar ist damit der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht zu Lasten der Ag. präjudiziert, es erscheint jedoch möglich, daß auch in diesem Verfahren ein wichtiger Grund für die Ausschließung nicht einmal dargelegt werden wird. Daß diese Befürchtung nicht unrealistisch ist, zeigt das Verhalten der Ag. im Klageverfahren. Denn in diesem Verfahren hat sie die ihr gesetzte Klageerwiderungsfrist seit Monaten überschritten, ohne ihre Ankündigung, die Tatsachen zur Rechtfertigung des Fraktionsausschlusses im einzelnen darzulegen, bislang auch nur teilweise in die Tat umgesetzt zu haben. Die Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes würde in dieser Situation für den Ast. zur Folge haben, daß er trotz Darlegungs- und Beweispflichtigkeit der Ag. gewissermaßen auf den bloßen Verdacht eines Fehlverhaltens hin die Folgen des Fraktionsausschlusses schutzlos und im praktischen Ergebnis endgültig hinnehmen müßte. Das aber ist für den Ast. schlechthin unzumutbar.