Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 4.1.1966
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II A 16/65 -

(weitere Fundstellen: DÖV 1967, 571 f.)

 

Tatbestand:

1.

Eine Fraktion des Bundestages richtete an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage über den Erlaß der "Dritten Bekanntmachung über die Vergabe öff. Aufträge Im Bereiche des Bundesministers für Verteidigung v. 6. 1. 1961". Die Anfrage wurde vom Staatssekretär in Vertretung des Ministers in der Sitzung des BP beantwortet und hierbei auch über den "Fall des Klägers" berichtet. Der Kl., der Rüstungsfirmen vertritt, verlangt von der bekl. Bundesrepublik, die ihn betreffenden Behauptungen und Angaben in der Beantwortung der Anfrage zu widerrufen, da sie bewußt unrichtig seien, seine Ehre verletzten und seine berufliche Stellung fortdauernd schädigten. Das VG wies die Klage ab, weil insbes. das Rechtsschutzinteresse fehle und die Beantwortung der Anfrage ein parlamentsinterner Vorgang sei. Die Berufung des Kl. führte zur Zurückverweisung der Sache an das VG.

 

Aus den Gründen:

2.

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 VwGO zulässig. Es handelt sich um eine öff.-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

3.

1. Während es in der Rechtslehre seit längerem keinem ernstlichen Zweifel unterliegt, daß bei Ehrenkränkungen durch einen Beamten im hoheitlichen Bereich der öff. Verwaltung die für die Amtsführung des Beamten verantwortliche Körperschaft im Verwaltungsrechtsweg gezwungen werden kann, den rechtswidrigen Störungszustand durch Richtigstellung unwahrer Behauptungen abzustellen, bestehen auch insoweit in der Zivilrechtsprechung keine Bedenken mehr (vgl. BGHZ – Gr.Sen. – 34, 99 und die dort auf S. 109 angeführte Rechtslehre = DÖV 1961, 751; 14, 222; BGH, DÖV 1960, 344; NJW 1961; 1625; DVB1. 1963, 439, unter Hinweis auf Bräutigam, DÖV 1960, 364/367 und Ruckdäschl, DÖV 1961, 677). Dieser Rechtsprechung haben sich die Verwaltungsgerichte angeschlossen und besonders herausgestellt, daß es nicht darauf ankommt, in welcher Form die Äußerungen gemacht worden sind, ob sie im Rahmen eines Verwaltungsakts oder als schlichte Hoheitsverwaltung abgegeben worden sind. (Vgl. BVerwGE 14, 323/328 = DÖV 1962, 703; BayVGH, DVBl. 1965, 447, mit Anm. Evers; vgl. auch Bettermann in der Anm. zu dem angef. Urteil, DVBl. 1965, 886).

4.

2. Das VG hat zu Recht ausgeführt, daß der Vorgang, aus dem der Kl. seine Ansprüche herleitet, hoheitlicher Natur ist. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Parlament durch einen Vertreter der Bundesregierung gehört auch dem Bürger gegenüber, der sich hierdurch beeinträchtigt fühlt, dem hoheitlichen Bereich an, und die sich daraus für den Bürger möglicherweise ergebenden Beziehungen sind sowohl nach der Subjektionstheorie als auch nach der Interessentheorie öff.-rechtlich (vgl. Eyermann-Fröhler, VwGO, 4. Aufl., § 40, Randziff. 3 und 5). Es handelt sich demnach um eine öff.-rechtliche Streitigkeit.

5.

3. Obwohl § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt, daß der Verwaltungsrechtsweg in allen öff.-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist und es in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG heißt, daß jemandem, der durch die öff. Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offensteht, sind öff.-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art nicht ausnahmslos der Rechtskontrolle der VG unterworfen. Es ist in der Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannt, daß es sogen. rechtwegfreie Hoheitsakte gibt (vgl. bejahend v. Mangoldt-Klein, GG, 2. Aufl., Bd. I S. 576 f.; verneinend Maunz-Dürig, GG, 2. Aufl., Art 19 Abs. IV, Randziff. 23 und 24 jeweils mit Nachweisen; Wolff, VR I, 6. Aufl., § 46 III). Dies gilt namentlich, ohne daß über die Abgrenzung im einzelnen Übereinstimmung besteht, für sogen. Regierungsakte, die sich ihrer Natur nach jeder Rechtskontrolle entziehen. Auch die Beantwortung einer Kleinen Anfrage und ihr begehrter Widerruf können eine solche Regierungshandlung sein, ohne daß sie unmittelbar auf einen Rechtserfolg gerichtet sind. Es kommt nicht auf die Form, sondern auf den Inhalt des Regierungsaktes an.

6.

Bei der hier fraglichen Beantwortung der Kleinen Anfrage handelt es sich nicht um einen gerichtsfreien Regierungsakt. Wenn man einen gerichtsfreien Hoheitsraum für Handlungen der Regierung anerkennt, dann kann es sich nur um Entscheidungen handeln, denen ein staatspolitisches Moment innewohnt (vgl. BVerwGE 2, 36/38 =DÖV 1956, 735). Ein solches staatspolitisches Moment wird nur bei einer die Politik betreffenden Führungsentscheidung anerkannt. (Vgl. OVG Münster, DÖV 1965, 774; OVG Berlin, JZ 1953, 644; v. Mangoldt-Klein, aaO; Maunz-Dürig, aaO, unter Hinweis auf Loening, DVBl. 1951, 233). Die Beantwortung durch den Staatssekretär und ihr begehrter Widerruf beziehen sich jedoch vorliegend nicht einmal auf die durch eine Anfrage mögliche politische Richtungskontrolle des Parlaments, sondern sind Gegenstand einer Leistungs- oder Sachkontrolle (vgl. Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, 1. Aufl. 608). Sie haben ein schlichtes Verwaltungshandeln der Bundesregierung zum Gegenstand, weil nach den Vorfällen gefragt wurde, die die "3. Bekanntmachung über die Vergabe öff. Aufträge im Bereich des BMVtdg v. 6. 1. 1961 veranlaßt haben.

7.

4. Die Streitigkeit ist auch nichtverfassunsrechtlicher Art.

8.

a) Der vom Kl. begehrte Widerruf der Beantwortung der Anfrage gehört seinem materiellen Rechtscharakter nach nicht dem Verfassungsrecht an. Verfassungsrechtliche Streitigkeiten sind Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Bundesverfassung und der Landesverfassungen (vgl. Klinger, VwGO, 2. Aufl. S. 133). Dabei muß die Auslegung oder Anwendung eines Verfassungssatzes nicht lediglich eine Vorfrage, sondern den Kern des Rechtsstreits bilden. Daher reicht es für eine verfassungsrechtliche Streitigkeit nicht schon aus, wenn die Verletzung eines Grundrechts oder eines anderen Verfassungsprinzips durch die öff. Verwaltung durch eine Privatperson gerügt wird (vgl. Wolff, VR III, 1966, § 170, Anm. II c l).Im vorl. Fall geht es nicht um die Kompetenz und Abgrenzung von Organen der Verfassung, sondern um eine von dem Kl. behauptete ihm gegenüber begangene Rechtsverletzung der öff. Gewalt.

9.

b) Die Sache ist schließlich auch nicht deshalb eine Verfassungsstreitigkeit, weil die Erklärungen in Vertretung eines Bundesministers im Parlament abgegeben worden sind. Bei der diesen Rechtsstreit auslösenden Beantwortung der Kleinen Anfrage handelt es sich um eine Handlung der Bundesregierung als vollziehender Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und nicht etwa um eine solche des "Organs der Gesetzgebung" im Sinne dieser Bestimmung, wie es Arndt (Anm. zu dem angef. Urteil, DVBl 1965, 954) anzunehmen scheint. Arndt meint, Bundesregierung und Bundestag seien als Verfassungsorgane nicht absolut voneinander getrennt. Die Bundesregierung sei durch Art. 43 Abs. 2 GG in den Bundestag integriert, soweit die Mitglieder der Bundesregierung und ihre Beauftragten zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt hätten und dort auch jederzeit gehört werden müßten. Dieses Zutrittsrecht und die Redebefugnis der Mitglieder der Bundesregierung werden jedoch durch, diesen Rechtsstreit ebensowenig berührt, wie das dem Bundestag und seinen Ausschüssen gemäß § 43 Abs. 1 GG zustehende Recht, die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung zu verlangen. Hiervon abgesehen wird die Bundesregierung durch die Wahrnehmung dieser Pflichten nicht in den Bundestag integriert sondern handelt im Rahmen der ihr durch das GG zugewiesenen Regierungsfunktion. Das Tätigwerden der Bundesregierung auf Grund des parlament. Kontrollrechts, das u. a. durch das in §§ 105 ff. GeschOBT näher geregelte Interpellationsrecht konkretisiert wird, ist Teil der vollziehenden Gewalt. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), ist alle Tätigkeit der Regierung außerhalb ihrer Mitwirkung bei der Gesetzgebung und sonstigen Normsetzung "vollziehende Gewalt" (Bettermann, DVBl. 1965, 887). Trotz des Zitierungs- und Auskunftsrechts des Bundestags bleibt das Spannungsverhältnis zwischen dem Parlament als dem Gesetzgebungs- und obersten Kontrollorgan und der Bundesregierung als Spitze der Exekutive bestehen (vgl. auch BVerfGE 10, 4/17 ff. = DÖV 1959, 695 zum Anhörungsrecht der Bundesminister). Dementsprechend geschah die Beantwortung der hier maßgeblichen Anfrage durch den Staatssekretär ‚des BMVtdg gemäß Art. 43 Abs. 1. GG iVm § 110 Abs. 2 GeschOBT im Rahmen der Exekutive.

10.

5. Löst ein Akt der vollziehenden Gewalt eine öff.-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art aus, so ist hierfür gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. BVerwGE 14, 323/328 = DÖV 1962, 703; Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt, II 365/380, 382). Der Kl. beantragt hier den Widerruf von Äußerungen der Regierung; eines Organs der vollziehenden Gewalt im Sinne Art 20 Abs. 2 Satz 2. GG. Er verlangt damit eine Rechtskontrolle durch die VG, wozu diese auf Grund der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung berufen sind (vgl. Maunz-Dürig, Art 20 GG Nr. 78; v. Mangoldt-Klein aaO., 602; Hamann, GG, Einf. I D 7 c und Art 20, Anm. 7; Forsthoff, Lehrb. 8. Aufl., 474 ff.). Während vor dem Inkrafttreten des GG und der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel die vom Kl., begehrte Entscheidung als eine unzulässige Einmischung der Gerichte in die Tätigkeit der vollziehenden Gewalt angesehen wurde (BCHZ 34,99/104 = DÖV 1961, 751), ist dieser Gesichtspunkt heute nach dem Verfassungsprinzip der Rechtsstaatlichkeit und der ausgedehnten gerichtlichen Kontrolle der öff. Gewalt nicht mehr anzuerkennen. Mit der Widerrufsklage soll lediglich eine Richtigstellung einer im Rahmen der vollziehenden Gewalt abgegebenen Äußerung der Regierung als Exekutivorgan erreicht werden. Damit wird weder eine Regierungstätigkeit noch eine unzulässige Einmischung in die dem Bundestag über die Bundesregierung zustehende Kontrollfunktion angestrebt. Die VG sollen die ihnen von der Verfassung und vom Gesetzgeber in der VwGO übertragene Rechtskontrolle ausüben, die hier weder durch ungeschriebenes noch durch geschriebenes Recht ausgeschlossen ist. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Das gilt auch für die Beantwortung von Anfragen durch die Bundesregierung im Bundestag, weil sie hier als Exekutive tätig wird. Hält sich die Bundesregierung nicht hieran, und wird hierdurch ein Dritter in seinen Rechten verletzt, so kann er zur Überprüfung die VG anrufen Bei dieser Rechtskontrolle und den sich daraus ergebenden Entscheidungen üben die Gerichte ebensowenig Verwaltungs- oder Regierungstätigkeit aus wie bei der Überprüfung und Entscheidung über den mit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage unterbreiteten Streitgegenstand (vgl. Bettermann, DVBl. 1965, 886 und DVBl 1952, 312; wohl auch Arndt, DVBl 1965, 954). Die von der Vorinstanz in Zweifel gezogene "Rechtsmacht" der VG ist demnach zu bejahen.

11.

6. Auch Art. 46 Abs.1 GG steht hier der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges nicht entgegen. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Indemnitätsschutz der Abgeordneten des Bundestages auch den Verwaltungsrechtsweg ausschließt. Jedenfalls vermag der Senat der Meinung von Arndt, aaO., daß die Mitglieder der Bundsregierung und damit, die Bundesregierung selbst unter dem Schutz des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GG standen nicht zu folgen Diese Bestimmung bezieht sich nur auf "Abgeordnete". Bei der Beantwortung einer Anfrage handelt der Minister, auch wenn er zugleich Bundestagsabgeordneter ist, dem Zweck der Kontrolle entsprechend in seiner Ministereigenschaft als Angehöriger der. Exekutive (vgl. Maunz-Dürig, Art. 46 GG Anm. 8; BVerfGE 10,4 = DÖV 1959, 695). Der dem Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GG innewohnende Zweck, dem Abgeordneten die volle Meinungsfreiheit für die Ausübung seines Mandats und sein Recht zur Kritik zu sichern (vgl. Eschenburg, aaO, 505 f.; v. Mangoldt-Klein, aaO, 968) trifft nicht auf die vollziehende Gewalt zu. Diese Bestimmung des GG hat. Ausnahmecharakter und ist daher auf andere Tatbestände nicht ausdehnend anzuwenden.

12.

7 Die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen. Insbes. macht der Kl. keinen Schadensersatzanspruch aus Verletzung öff.-rechtlicher Pflichten im Sinne des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend.

13.

Demnach ist der Veraltungsrechtsweg gegeben.

14.

II. Die Klage ist auch zulässig.

15.

1. Entgegen der Auffassung des VG wird das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Bundestag die Entgegennahme des Widerrufs durch die Bundesregierung ablehnen könnte. Im jetzigen Zeitpunkt steht nicht fest, daß der Bundestag den Widerruf ablehnen wird. Es ist vielmehr darauf hinzuweisen, daß gemäß Art. 43 Abs. 2 GG die Mitglieder der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt haben und jederzeit gehört werden müssen. Nach § 47 GeschOBT müssen die Mitglieder der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten auf ihr Verlangen jederzeit gehört werden. Allein das ist eine Garantie dafür, daß im Falle der Verurteilung zum Widerruf die Bundesregierung den Widerruf dem Organ gegenüber zur Geltung bringen kann, gegenüber dem die fraglichen Äußerungen gemacht wurden (vgl. Bettermann, DVBl 1965, 886). Es kann deswegen mindestens im jetzigen Zeitpunkt keine Rede davon sein, daß der Kl. die Verurteilung der Beklagten zu einer unmöglichen Leistung verlangt. Die Frage, ob das Begehren einer unmöglichen Leistung die Klage unzulässig macht, (vgl. Menger, VerwArch 57, 175/181), ergibt sich daher hier nicht.

16.

2. Auch die Klagebefugnis des Kl. ist zu bejahen. Die Klagebefugnis muß sowohl für den Fall vorliegen, daß der Kl. eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 VwGO erhebt, als auch dann, wenn das Klagebegehren in Form der allgemeinen Leistungsklage verfolgt wird (vgl. Kellner, DÖV 1963, 418/420; Menger, VerwArch 53, 185; Rautenberg und Voigt, DÖV 1964, 259/261; Hoffmann, VerwArch 53, 297/314 Fußn. 76).

17.

a) Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Widerruf von ehrverletzenden unwahren Behauptungen ist zulässig, wenn der Kl. geltend macht, daß er durch Äußerungen eines Trägers öff. Gewalt in seiner Ehre verletzt sei und diese Beeinträchtigung noch fortbestehe... Dies ist hier der Fall. Der Kl. behauptet, die Beantwortung der Anfrage sei bewußt unwahr gewesen und habe verleumderischen Inhalt gehabt; hierdurch seien seine Ehre verletzt und seine berufliche Stellung noch gegenwärtig betroffen.

18.

aa) Das Recht auf Ehre und auf berufliches Fortkommen ist durch das GG geschützt… Bei der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG ist Art. 1 Abs. 1 GG. als Wertmaßstab heranzuziehen, weil Art. 1 Abs. 1 GG als oberster Verfassungsgrundsatz die gesamte Rechts- und Staatsordnung beherrscht und die Würde des Menschen als etwas Unverlierbares, Unverzichtbares und immer Vorhandenes für unantastbar erklärt, (vgl. BVerfGE 1, 97/104 = DÖV 1952, 215; Maunz-Dürig, aaO., Art. 1 Abs. 1, Randziff. 2, 13). Diese Bestimmungen schützen unmittelbar den inneren Persönlichkeitsbereich der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des einzelnen unterstellt und dessen Verletzung rechtlich dadurch gekennzeichnet ist, daß sie in erster Linie sog. immaterielle Schäden, die sich in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeugt (BGHZ 26, 349/354). Hierbei wird die Ehre, der Ruf, den der Mensch genießt, und sein berufliches Ansehen mitumfaßt. Sie sind Teil der Persönlichkeit, und deswegen besteht das Recht des einzelnen, daß sie von anderen beachtet und nicht verletzt werden (vgl. BGHZ 31, 308/312). Ob sich daraus ein absolutes subjektives Privatrecht auf Ehre, auf soziale Achtung ergibt, braucht hier nicht erörtert zu werden. Auch aus Art. 5 Abs. 2 GG ergibt sich das Recht auf Achtung der persönlichen Ehre. Nach dieser Bestimmung findet das Recht der freien Meinungsäußerung seine Schranken u. a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht auf persönliche Ehre (vgl. Maunz, Dt. StaatsR, 13. Aufl., 109; v. Mangoldt-Klein, aaO, 252; Wernicke in BK Art. 5 GG, Anm. II 2d).

19.

bb) Daß die Ehrverletzung in der Beantwortung einer parlamentar. Anfrage durch die Bundesregierung verursacht ist, hindert vom Fall eines justizfreien Regierungsaktes abgesehen, den Betroffenen nicht, den Schutz der Verwaltungsgerichte gegen die Verletzung seiner Ehre in Anspruch zu nehmen.

20.

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundwerte der Rechtsordnung binden auch den Staat und seine Organe. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 2 [u. Abs. 3; Art. 20 Abs. 3] GG... Die Bundesregierung ist demnach bei einer Beantwortung einer Anfrage ebenfalls an Gesetz und Recht gebunden; sie muß wahrheitsgemäß antworten. Das BVerfG hat zu der Pressefreiheit ausgeführt, daß sie auch Pflichten begründe, die um so ernster genommen werden müßten, je höher das Grundrecht der Pressefreiheit eingeschätzt werde. Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch mache, sei sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht werde nach der gesicherten Rechtsprechung schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert (vgl. BVerfGE 12, 113/130; Leibholz-Ring, GG, Art. 5, Randziff. 4). Gleiches hat für die Beantwortung von Anfragen dem Parlament gegenüber zu gelten. Wenn, das Interpellationsrecht ein wirksames Mittel der Kontrolle des Parlaments sein soll, folgt daraus notwendig, daß die Beantwortung durch die Bundesregierung wahrheitsgemäß sein muß, damit sich das Parlament eine richtige Meinung von der Tätigkeit der Exekutive bilden kann. Da die Bundesregierung bei ihrer Tätigkeit allgemein .an Gesetz und Recht gebunden ist, also auch die Ehre des Bettoffenen zu achten hat, muß dies auch für die Beantwortung von Anfragen gelten.

21.

Die Tatsache, daß vor dem Parlament geantwortet wird, ist keine Schranke dafür, daß derartige Äußerungen nicht auch rechtliche Auswirkungen für einen Dritten haben können. Selbst die Äußerung eines Abgeordneten als eines Mitglieds des Parlaments kann rechtliche Wirkungen nach außen haben. Das ergibt sich aus der Indemnitätsbestimmung des Art. 46 Abs. 1 GG, besonders aus Satz 2 wonach der Indemnitätsschutz bei verleumderischer Beleidigung entfällt. Art 46 Abs 1 GG wäre überflüssig, wenn Äußerungen von Abgeordneten keine Rechtswirkung nach außen haben könnten (Bettermann, DVBl 1965, 886). Dies muß erst recht von Äußerungen im Parlament gelten, die nicht dem Schutz des Art. 46 GG unterliegen. Diese Rechtsauffassung benachteiligt auch nicht die Kontrollmöglichkeit des Parlaments; eine wirksame Kontrolle setzt im Gegenteil diese Auffassung voraus, weil die Regierung hiernach zur wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet ist. Die Sitzung des Bundestages, in der die hier maßgebliche Anfrage beantwortet wurde, war entsprechend Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG und § 23 Satz 1 GeschOBT öffentlich. Die beanstandete Äußerung blieb deshalb nicht nur parlamentsintern, sondern konnte Außenwirkungen haben.

22.

cc) Der Annahme einer Rechtsverletzung des Kl. im vorl. Fall steht auch nicht entgegen, daß das BVerfG Antworten der Bundesregierung auf Anfragen von Mitgliedern des Bundestages als parlamentsinternen Vorgang bezeichnet hat, der sich in der Regel in der Äußerung einer Meinung erschöpfe und keine rechtliche Außenwirkung habe (BVerfGE 13, 123). Diese Beurteilung bezieht sich auf eine Organstreitigkeit im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, des § 13 Ziffer 5 und der § 63 ff. BVerfGG. Das BVerfG spricht wohl deshalb nur von einem parlamentsinternen Vorgang, weil es annimmt, bei der Äußerung lediglich einer Meinung des Ministers könnten Rechte Dritter nicht betroffen werden und deswegen eine Außenwirkung nicht entstehen, so daß die Beantwortung schon aus diesem Grunde nicht anders als intern bleiben könne. Im Falle des Kl. liegt der Sachverhalt jedoch anders, weil sich nach seiner Behauptung die fragliche Beantwortung nicht in einer Meinung erschöpfte, sondern auch ehrenrührige, wahrheitswidrige und verleumderische Angaben tatsächlicher Art enthielt. Ob es richtig ist, daß eine geäußerte Meinung schlechthin keine rechtliche Beeinträchtigung eines Dritten erzeugen kann, kann deshalb hier auf sich beruhen. Für ehrverletzende Äußerungen, die nicht der Wahrheit entsprechen, kann das jedenfalls nicht anerkannt werden. Will man nicht das Recht auf Würde des Menschen und Entfaltung seiner Persönlichkeit leugnen, beeinträchtigen solche Äußerungen in jedem Fall den Betroffenen auch rechtlich (vgl. noch Bettermann, DVBl 1965, 886 f).

23.

Eine andere Frage ist es, ob und wann solche ehrenrührigen Behauptungen dem Betroffenen gegenüber nicht rechtswidrig sind, wenn sie etwa in Wahrnehmung berechtigter Interessen, im Zusammenhang und als notwendiger Bestandteil eines anderen Verfahrens oder in internen Kreisen geäußert werden (vgl. Helle, NJW 1961, 1896). Helle meint, auch bei den Antworten der Minister auf Anfragen im Parlament liege es sehr nahe, daraus weitgehend zu folgern, daß sie an sich auch unter dem Gesichtspunkt des Ehrenschutzes rechtmäßig seien (vgl. auch Arndt, DVBl. 1965, 955, der die Redefreiheit im Parlament mit der Redefreiheit vor Gericht vergleicht). Diese Fragen betreffen jedoch die Begründetheit, nicht die Zulässigkeit der Klage, für die es genügt, daß die behauptete Rechtsbeeinträchtigung vorliegen kann.

24.

III. Die Bundesrepublik ist die richtige Bekl. Es handelt sich nicht um eine Organstreitigkeit zwischen Bundestag und Bundesregierung; vielmehr verlangt ein Bürger die Wiederherstellung seiner angeblich rechtswidrig verletzten Ehre. Hierfür muß er sich nach den in der Zivilrechtsprechung entwickelten Grundsätzen an die zuständige öff.-rechtliche Körperschaft wenden (vgl. BGHZ 34, 99/106 DÖV 1961, 751). Das ist in diesem Falle die Bundesrepublik. Die Anfragen des Bundestages werden an die Bundesregierung gerichtet (vgl. § 105, 110 und 111 GeschOBT). Die Beantwortung der Anfrage wird von der Bundesregierung oder dem zuständigen Bundesminister als Mitglied der Bundesregierung (vgl. Art. 62 GG) abgegeben. Die Bundesregierung ist keine jur. Person des öff. Rechts und keine Körperschaft (v. Mangoldt-Klein, aaO., 1198). Sie ist eines der besonderen Organe im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Im Außenverhältnis gegenüber Dritten gelten ihre Handlungen als solche der Bundesrepublik. Aus dieser Tätigkeit herrührende Ansprüche muß der Bürger demnach gegenüber der Bundesrepublik als der zuständigen Körperschaft des öff. Rechts geltend machen.

25.

IV. Gemäß § 130 Abs. 1 Ziff. 1 VwGO war das angef. Urteil aufzuheben und die Sache an das VG zurückzuverweisen, weil es in der Sache selbst noch nicht entschieden hat.