Verwaltungsgericht Köln 
Beschluss vom 18.11.1994
- 20 L 1955/95
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 (weitere Fundstellen: GewArch 1995, 70 f.)

 

 

Aus den Gründen:

1.

II. . . . Rechtsgrundlage für den Erlass der Ordnungsverfügung ist § 14 Abs. 1 des Ges. über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz – (OBG) i.d.F. vom 13.05.1980, GV NW S. 528. Danach können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen um, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden. Auf eine Gefahr für die öffentliche3 Sicherheit nach § 14 Abs. 1 OBG hat der Ag. Seine Verfügung nicht gestützt; eine derartige Gefahr drängt sich auch im Rahmen der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht auf.

2.

Unter der öffentlichen Ordnung ist die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit zu verstehen, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird. Vgl. PrOVG, Urteil vom 09.11.1933 – III. C 109.33 -, PrOVGE 91, 139 (140); OVG NR, Urteil vom 31.05.1988 – 5 A 2638/85 -, Urteilsabschrift S. 8; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 245; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 1993, S. 52.

3.

Bei diesem Begriff handelt es sich – wie bei dem Begriff der guten Sitten im Gewerberecht – um einen unbestimmten, ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff, der der Verwaltung weder Ermessen noch Beurteilungsspielraum überlässt und dessen Anwendung in vollem Umfang gerichtlicher Nachprüfung unterliegt. Mit ihm verweist das Gesetz auf die dem geschichtlichen Wandel unterworfenen sozialethischen Wertvorstellungen, die in der Rechtsgemeinschaft als maßgebliche Ordnungsvoraussetzungen anerkannt sind. Den Kern des maßgeblichen sozialethischen Ordnungsgefüges bilden die wertethischen Prinzipien, über deren Verbindlichkeit die Rechtsgemeinschaft im Verfassungskonsens befunden hat. Ein Verhalten, das einer im Grundgesetz verankerten Wertvorstellung widerspricht, verstößt gegen die öffentliche Ordnung. Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes. Veranstaltungen, die durch die Umstände ihres Ablaufs die Würde des Menschen verletzen, sind sittenwidrig. So BVerwG a.a.O., BVerwGE 64, 274 (276 f.) – Peep-Show I, GewArch 1982, 139; BVerwG, Urteil vom 16.12.1981 – 1 C 32.78 -, BVerwGE 64, 280 (282 f.), GewArch 1982, 141 – Geschlechtsverkehr eines Ehepaares auf der Bühne; BVerwG, Urteil vom 30.01.1990 – 1 C 26.87 -, BVerwGE 84, 314 (317 f.) – Peep-Show II, GewArch 1990, 212. 

4.

Die Menschenwürde ist dann verletzt, wenn eine Person zum Objekt gemacht wird; dies gilt auch, wenn der Betr. Damit einverstanden ist, die Menschenwürde ist unverzichtbar. BVerwG, wie vor; VG Neustadt, GewArch 1992, 296, NVwZ 1993, 98 f. – Zwergenwerfen. 

5.

Zur Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall ein Verhalten nach den herrschenden Anschauungen der Bevölkerung gegen die ungeschriebenen Regeln des gedeihlichen Miteinanderlebens verstößt, können Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Bereich betreffenden Normen zu entnehmen sind, herangezogen werden. Wichtige Indizien für die Anerkennung einer Anschauung als "herrschend" können ferner neben dem faktischen Verhalten der großen Mehrheit der Bevölkerung die Behördenpraxis, die Rechtsprechung und die darauf bezogenen Reaktionen der Öffentlichkeit sein. Dabei müssen die in der herrschenden Anschauung zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen von einer klaren und deutlichen Mehrheit getragen werden. OVG NW, a.a.O., S. 248. 

6.

Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass bloße Belästigungen und Geschmacklosigkeiten, mögen sie auch in einer breiten Öffentlichkeit nicht toleriert werden, ein Einschreiten mit ordnungsrechtlichen, den Betroffenen unter Umständen erheblich belastenden Mitteln (noch) nicht rechtfertigen. Aufgabe des Ordnungsrechts ist nicht, den einzelnen zu einem allgemein akzeptierten sozialverträglichen Verhalten zu bewegen, sondern die Abwehr von Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. 

7.

Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung aufgrund des Akteninhalts und des Ergebnisses des Ortstermins vom 25.20.1994 nach Auffassung der Kammer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung durch das Betreiben des Laserdromes der Ast’in, wie es sich derzeit darstellt, zu verneinen. 

8.

Dabei ist zunächst zu beachten, dass sich der Betrieb allenfalls mittelbar bzw. eingeschränkt in der Öffentlichkeit vollzieht. Die Betriebsstätte der Ast’in liegt mitten im Gewerbegebiet. Wohnbebauung, von der aus das Geschehen unmittelbar oder mittelbar aufgrund des Anfahrtsverkehrs wahrgenommen werden könnte, ist nicht vorhanden. Das Geschehen spielt sich in einer fensterlosen Halle ab und ist von außen nicht einsehbar. Gefährdungen für die öffentliche Ordnung können hier nur durch Fernwirkungen entstehen, nämlich dadurch, dass die Allgemeinheit Kenntnis von möglicherweise menschenverachtenden Spielgestalten erhält und dadurch die vom Grundgesetz aufgestellte Wertordnung erheblich beeinträchtigt würde. 

9.

Bei objektiver Betrachtung der Spielkonzeption und des Spielgeschehens spricht wenig dafür, dass konkret eine derartige Situation vorliegt. 

10.

Dies ergibt sich zunächst aus der Ausgestaltung der Betriebsstätte und der Spielgeräte, wie sie sich der Kammer beim Ortstermin dargestellt hat. Es handelt sich bei dem Laserdrome um eine völlig ebene Halle, in der, getrennt durch eine große freie Fläche in der Mitte, zwei Labyrinthe mittels einfachen weißen Stellwänden aufgebaut sind. Die Hallenwand ist durch Tarnnetze mehr oder weniger verhängt, die in der Spielbeleuchtung – Schwarzlicht – nicht sichtbar sind. Die in der Regel in etwa 2,50 Meter Höhe angebrachten Zielobjekte sind kleine graue Kästchen, in denen eine rote Lichterkette kreist. Lediglich ein Ziel, der sogenannte "Predator", hat menschliche Umrisse; der Kopf stellt jedoch eine Mischung aus Tierschädel und Fabelwesen dar, so dass von einer menschenähnlichen Zielscheibe nicht die Rede sein kann. Die Teilnehmer tragen Westen, wie sie normalerweise von Anglern benutzt werden. Soweit auf die Teilnehmer am Spiel selbst gezielt werden kann, bestehen die auf den Westen angebrachten Zielobjekte auch nur aus den festinstallierten Zielen gleich gestalteten Kästchen; nur diese sind in der Dunkelheit erkennbar. Die Beleuchtung und die Nebeleffekte gleichen denen in Diskotheken üblichen. Die Zielgeräte selbst stellen eine von der Ausgestaltung her schlichte Mischung zwischen dem Science-fiction-Bere4ich zuzurechnenden Strahlengewehren und älteren Maschinengewehrmodellen dar. Die gesamte Ausgestaltung vermag den Eindruck einer realen kriegerischen Situation, aber auch realer Gewaltanwendung bzw. simulierten Tötens von Menschen nicht zu vermitteln. 

11.

Auch die Gestaltung des Spiels selbst vermag eine Gefahr für die öffentliche Ordnung in dem oben beschriebenen Sinne – Degradierung des Menschen zu einem bloßen Objekt – nicht zu begründen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass – anders als die Ast’in meint – das Treffen des Gegners im Vordergrund steht. Dieser Umstand macht den Hauptreiz des Spiels aus und ermöglicht die ungehinderte Suche nach den punktträchtigen Zielen. Dennoch ist dies – anders als in der Variante des "Quasar", wo es allein um die Ausschaltung der Gegner geht – vgl. dazu VG Neustadt, Beschluss vom 12.04.1994 – 7 L 1161/94.NW -, GewArch 1994, 236; OVG Rhld.-Pf., Beschluss vom 21.06.1994 – 11 B 11428/94.OVG -, GewArch 1994, 374 -, nur ein Teilziel. Insbesondere kann derzeit nicht festgestellt werden, es würden hier Angriffe gegen menschliches Leben realitätsnah nachgestellt. Die Gesamtinszenierung und die Spielgestaltung stehen nicht in der Nähe zu realen Gewaltbildern oder kriegsartigen Szenarien; die Erzielung von Treffern durch Infrarotstrahlen, begleitet von Laserlicht, ist von realer kämpferischer oder militärischer Gewaltenfaltung deutlich entfernt und orientiert sich eher an "Fantasy"– oder "Fiction"-Welten. Ebenso ist nicht erkennbar, dass der Spielgegner, der gegebenenfalls nach fünfmaligem Treffen für einen gewissen Zeitraum aus dem Spielablauf und damit der Möglichkeit, selbst zu agieren oder Treffer zu erzielen, verdrängt wird, nach Aufladen seines Laserzielgerätes an der Ladestation jedoch wieder teilnehmen kann, dadurch zum schlichten Jagdziel bzw. zum Objekt gemacht wird. Eine menschenverachtende Motivation bzw. ein Appell an menschenverachtende Haltungen ist darin noch nicht zu sehen, zu einer vergleichbaren Anlage in München BayVGH, Beschluss vom 04.07.1994 – 22 CS 94.1528 -, GewArch 1994, 376.

12.

Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass sie nicht zu beurteilen hatte, ob – wofür vieles spricht – bei denkbaren anders gestalteten Spielabläufen mit Anlehnung an realere Gewaltszenarien, kriegs- oder bürgerkriegsähnliche Konstellationen oder Situationen, die an Menschenjagd, Menschenverfolgung oder auch "Gladiatorenspiele" erinnern, eine vergleichbare Ordnungsverfügung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Ordnung ergehen könnte. Die Ast’in hat Absichten, den Spielablauf derart zu gestalten, nicht zu erkennen gegeben; es ist auch – trotz ihres ausweichenden Verhaltens im Verwaltungsverfahren – angesichts der zu erwartenden regelmäßigen Kontrollen durch den Ag. Eine entsprechende Abänderung nicht zu erwarten, unabhängig davon, dass dem Ag. Bei einer derartigen Veränderung ein Ordnungsbehördliches Einschreiten gegebenenfalls unbenommen bliebe.