Verwaltungsgericht Schleswig
Urteil vom 8.4.1975
- 1 A 120/74
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(weitere Fundstellen: Kommunale Steuer-Zeitschrift 1975, 199 f.)

Tatbestand

1.

Der Kläger pflegt vor Kaufhäusern und dergleichen Automaten zur Unterhaltung von Kindern aufzustellen. Es handelt sich um Geräte mit einem daraufgesetzten künstlichen Reittier oder ähnlichem, auf dem die Kinder Platz nehmen können und das dann nach Einwurf eines oder mehrerer 10-Pfennigstücke in rüttelnde oder schaukelnde Bewegung versetzt wird.

2.

Die Beklagte erhebt für den Betrieb zweier solcher vom Kläger in ihrem Gebiet aufgestellter Kinderunterhaltungsautomaten eine Vergnügungssteuer in Höhe von 10,- DM pro Monat und Gerät. Der Kläger ist der Meinung, daß die Vergnügungssteuer zu Unrecht von ihm erhoben wird.

Aus den Gründen:

3.

Die Erhebung von Vergnügungssteuer für die vom Kläger aufgestellten Kinderunterhaltungsautomaten ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid vom 13.8.1974 und der dazu gehörige Widerspruchsbescheide können daher auch nicht aufgehoben werden.

4.

Vorweg ist festzustellen, daß die Höhe der Steuer der in § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes über die Vergnügungssteuer im Lande Schleswig-Holstein (Vergnügungssteuergesetz) i. d. F. des Gesetzes vom 16.12.1966 (GVOBl. S. 257) enthaltenen Regelung entspricht. Auch der Kläger wendet sich vielmehr dagegen, daß für die Aufstellung derartiger Kinderunterhaltungsautomaten überhaupt Vergnügungssteuer erhoben wird.

5.

Die Kammer ist freilich ebenso wie die Beklagte der Auffassung, daß die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 7.2.1974 (XIII A 99/73 - KStZ 1974 S. 177) auf schleswig-holsteinische Verhältnisse nicht übertragbar ist. Das OVG Münster hat zwar die Auffassung vertreten, daß "stationär betriebene Volksbelustigungen der auf Jahrmärkten, Kirmessen u. ä. Veranstaltungen üblichen Art" keine "vergnügungssteuerpflichtigen Apparate" seien, doch bezieht sich diese Feststellung - wie aus den Entscheidungsgründen des Urteils unmißverständlich hervorgeht - auf die Auslegung des seit 1965 in Nordrhein-Westfalen geltenden Vergnügungssteuergesetzes. Dieses neuere Vergnügungssteuergesetzes. Dieses neuere Vergnügungssteuergesetz des Landes Nordrhein-Westfalen hat ein älteres - aus dem Jahre 1956 herrührendes - Vergnügungssteuergesetz abgelöst.

6.

Die aufgehobene Fassung des Vergnügungssteuergesetzes 1956 entspricht dabei in den Grundzügen der noch heute in Schleswig-Holstein gültigen Fassung des Vergnügungssteuergesetzes vom 1.11.1952 (von einigen späteren - hier nicht interessierenden - Änderungen abgesehen).

7.

Demgegenüber hat die Neufassung des Vergnügungssteuergesetzes NRW 1965 die wesentliche Änderung mit sich gebracht, daß die Generalklausel des § 2 Abs. 1 - wie sie in Schleswig-Holstein noch weiter besteht - aufgehoben und daß die in Schleswig-Holstein nur beispielhafte Aufzählung des § 2 Abs. 2 Vergnügungssteuergesetz in Nordrhein-Westfalen teilweise zusammengestrichen und zu einem Enumerativkatalog für die Besteuerung von Vergnügungen gemacht wurde. Angesichts dessen kommt in Nordrhein-Westfalen nach der heutigen Rechtslage der scharfen Unterscheidung zwischen den einzelnen Abarten von Spiel-, Unterhaltung- und ähnlichen Automaten im Sinne des Vergnügungssteuerrechts eine große Bedeutung zu, mag man auch im einzelnen über die vom OVG Münster in seiner Entscheidung betonten Abgrenzungskriterien geteilter Meinung sein. In Schleswig-Holstein aber hat eine derartige Abgrenzung und Präzisierung der einzelnen Abgrenzungsmerkmale keinen Sinn. Sie wäre gekünstelt und mehr oder weniger theoretischer Natur, weil nach wie vor nach § 2 Abs. 1 des geltenden Vergnügungssteuergesetzes Gegenstand der Besteuerung "die im Gemeindegebiet veranstalteten Vergnügungen" sind und weil die Aufzählung in § 2 Abs. 2 des Vergnügungssteuergesetzes die - wie aus den Entscheidungsgründen des Urteils des OVG Münster vom 7.2.1974 hervorgeht - ohnehin umfangreicher als die heute in Nordrhein-Westfalen gültige Aufzählung ist, nur beispielhaften und keineswegs abschließenden Charakter hat. Selbst wenn sich also Automaten derart, wie sie der Kläger aufzustellen pflegt, unter keinem nur denkbaren Gesichtspunkt in den Katalog des § 2 Abs. 2 des heute in Schleswig-Holstein geltenden Vergnügungssteuergesetzes fassen ließen, so bliebe dennoch die Besteuerung aufgrund der Generalklausel des § 2 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes möglich. Für die Kammer unterliegt es nämlich keinem Zweifel - und auch der Kläger selbst bezweifelt dies nicht ernstlich, wie in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, daß die Benutzung der vom Kläger aufgestellten Automaten den Kindern Spaß macht, ihnen also Vergnügen bereitet. Andernfalls wäre es auch kaum verständlich, wieso sie sonst bereit wären, einige Groschen von ihrem Taschengeld zu opfern oder ihre Begleiter um Geld zu bitten, nur um auf diesen Automaten Platz zu nehmen und diese für eine Zeitlang in Gang zu setzen.

8.

Ganz abgesehen davon aber stützt sich das Urteil des OVG Münster in besonderem Maße darauf, daß im neuen Nordrhein-Westfälischen Vergnügungssteuerrecht ein Passus fehlt, wie er in § 2 Abs. 2 Nr. 3 des Schleswig-Holsteinischen Vergnügungssteuergesetzes enthalten ist, wonach "Volksbelustigungen der auf Jahrmärkten, Kirmessen und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art" vergnügungssteuerpflichtig seien. Das OVG Münster folgert aus dem Wegfall der vergleichbaren Vorschrift in Nordrhein-Westfalen, daß nunmehr Unterhaltungsgerätschaften, wie sie eben auf Jahrmärkten, Kirmessen und dergleichen zu finden sind, nicht mehr vergnügungssteuerpflichtig sein sollten. Das OVG Münster sieht als solche nunmehr nicht mehr vergnügungssteuerpflichtigen Volksbelustigungen insbesondere die Benutzung solcher Vorrichtungen an, bei denen die "Vergnügung" darin besteht, daß der "Apparat" den Benutzer zu seiner Belustigung bewegt oder sich mit ihm fortbewegt. Gerade dies sei die Eigenart eines Großteils der auf Jahrmärkten, Kirmessen und ähnlichen Veranstaltungen gebräuchlichen Volksbelustigungen. Folgt man diesem Definitionsversuch des OVG Münster, daß Vorrichtungen, wie sie der Kläger aufzustellen pflegt, zu den "Volksbelustigungen der auf Jahrmärkten, Kirmessen und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art" gehören, so ergibt sich schon daraus mit logischer Zwangsläufigkeit angesichts der anderen Rechtslage in Schleswig-Holstein, daß im Falle des Klägers eine Vergnügungssteuerpflicht aufgrund des § 2 Abs. 2 Nr. 3 Vergnügungssteuergesetz gegeben ist.

9.

In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, daß in §§ 22 Abs. 1 Nr. 1 des Vergnügungssteuergesetzes die Erhebung von Pauschsteuer für das Halten eines "Schau-, Scherz- Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparates" normiert wird, daß also an dieser Stelle im Gesetz von "ähnlichen Apparaten" gesprochen wird, wie auch in § 2 Nr. 6 des Nordrhein-Westfälischen Vergnügungssteuergesetzes. § 22 des Schleswig-Holsteinischen Vergnügungssteuergesetzes regelt nämlich nur die Art und Weise der Steuererhebung, nicht jedoch die Frage, welcher Lebensvorgang mit einer Vergnügungssteuer zu belegen ist. Die Steuerpflicht als solche wird in Schleswig-Holstein vielmehr allein in § 2 des Vergnügungssteuergesetzes festgelegt. Eine Gegenüberstellung der Formulierung "ähnliche Apparate" in den z. Z. in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen geltenden Vergnügungssteuergesetzen kann somit nicht zu dem vom Kläger erhofften Ergebnis führen. Während nämlich diese Formulierung in Nordrhein-Westfalen Bedeutung für die Frage hat, ob überhaupt eine Steuerpflicht besteht, fehlt eine vergleichbare Regelung in Schleswig-Holstein. In Schleswig-Holstein ist es vielmehr so, daß ausgehend von einer nach § 2 Vergnügungssteuergesetz zu konstatierenden Vergnügungssteuerpflicht die Frage, ob es sich um einen "ähnlichen Apparat" handelt, nur noch für die Frage Bedeutung hat, ob eine Pauschsteuer zu erheben ist. Insoweit kommt es in Schleswig-Holstein dann nur noch auf die verwaltungsmäßige Abwicklung der Steuererhebung an, weswegen hier einer derart präzise Definition der Formulierung "ähnlicher Apparat" wie in Nordrhein-Westfalen geradezu abwegig erscheint.