Aufbauhilfe für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess

(Stand der Bearbeitung: 2. Juni 2019)

© Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatiX GbR, Ottweiler

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Das Schema soll bei der Prüfung der Zulässigkeit von verwaltungsgerichtlichen Klagen helfen. Nicht in jedem Fall ist es jedoch geboten schematisch jeden Punkt zu behandeln (Hufen, § 10 Rn. 2). Deshalb bedeutet:

* hinter einem Prüfungspunkt: eine Prüfung ist nur erforderlich, wenn der Sachverhalt hierfür besonderen Anlass bietet; bei unproblematischen Fällen erübrigt sich sogar eine ausdrückliche Erwähnung.

** hinter einem Prüfungspunkt: eine Prüfung ist zumindest erforderlich, wenn es sich um einen Rechtsstreit über eine Maßnahme einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Landesbehörde handelt.

Nähere Informationen zu den einzelnen Prüfungspunkten sind auf diesem Wegweiser zum Verwaltungsprozessrecht hinterlegt.

1. Deutsche Gerichtsbarkeit (§ 173 VwGO i.V.m. §§ 18 ff. GVG) *
2. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges (§ 40 VwGO [s. dazu § 13,§§ 17 ff. GVG, § 2, § 2a ArbGG, § 33 FGO, § 51 SGG usw.])

Anmerkung: Teilweise wird  die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht mehr als Punkt der Zulässigkeitsprüfung behandelt, sondern im Rahmen einer Vorprüfung abgehandelt, da im Fall des falschen Rechtswegs die Klage nicht als unzulässig abzuweisen, sondern nach § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht zu verweisen ist. Dies ist sicher richtig (Hufen, § 10 Rn. 1), aber dadurch wird der Prüfungsaufbau allzu kompliziert. Man kann das Problem dadurch umgehen, dass die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen für den Verwaltungsprozess nicht unter der Überschrift "Zulässigkeit", sondern unter der Überschrift "Sachentscheidungsvoraussetzungen" abgehandelt wird (vgl. die ausführliche Begründung von Heinze/Starke, Jura 2012, 175, 176 ff.), jedoch mag dies manchem Prüfer etwas ungewohnt erscheinen.

3. Statthafte Klage- oder Antragsart (§ 42, § 43, § 47 [ggf. i.V.m. § 18 AGVwGO], § 80, § 80 a, § 123 VwGO)

Anmerkung: Die statthafte Klage- oder Antragsart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich nach verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage darstellt (vgl. § 88 VwGO). Dies bedeutet, dass bei diesem Prüfungspunkt vor allem herauszuarbeiten ist, was der Kläger vom Beklagten eigentlich will und auf welche Weise dieses Ziel mit prozessualen Mitteln zu erreichen ist bzw. wie man diesem Ziel mit prozessualen Mitteln zumindest näher kommen kann. Insoweit ähnelt der Prüfungspunkt der statthaften Klageart vielfach dem Aufsuchen einer Anspruchsgrundlage des materiellen Rechts nach den Grundsätzen "Wer will was von wem woraus?".

Siehe hierzu z. B. den Abgeschleppt-und-Abgezockt-Fall, den Dissonanzen-Fall, den Hauptsach'-gudd-g'rillt- Fall, Kraftprobe-Fall, den Saalbaubau-Fall, den SaarheimInForm-Fall, den Saarphrodite-Fall und den Schlachthof-Fall.

4. Feststellungs- oder Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO)

- nur bei Feststellungsklagen und Fortsetzungsfeststellungsklagen - 

5. Klage- bzw. Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2, § 47 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a VwGO)
6. Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO, §§ 7 ff. AGVwGO)

- nur bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (oder wenn es, wie in § 126 Abs. 3 BRRG, ausdrücklich auch für andere Klagearten vorgeschrieben ist) -

7. Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (§§ 45 ff. VwGO [s. auch § 52 VwGO, § 1 AGVwGO]) *
8. Passive Prozessführungsbefugnis – Klage- oder Antragsgegner  (§ 78 VwGO, § 19 Abs. 2 AGVwGO) **
9. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO, § 19 Abs. 1 AGVwGO) **
10. Beiladung (§ 65 VwGO) *

- hierbei handelt es sich nicht eigentlich um eine Sachurteilsvoraussetzungen; dennoch bietet sich eine Prüfung insbesondere der notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO an dieser Stelle (nach der Prüfung der Beteiligtenfähigkeit) an; vertretbar wäre es aber auch, die Beiladung erst ganz am Ende der Prüfung in Zusammenhang mit dem Gesamtergebnis vorzunehmen - 

11. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis *
- bei vorbeugender Unterlassungsklage: besonderes Rechtsschutzbedürfnis  -
12. Prozessfähigkeit, Prozessvertretung, Beistand (§§ 62, 67 VwGO) *
13. Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung oder des Antrags (§§ 81, 82 VwGO) *
14. Fehlende Rechtshängigkeit und Rechtskraft (§ 90 Abs. 2, § 121 VwGO) *
15. Klagefrist (§§ 74 ff. VwGO) *
16. Klagehäufung (§ 44, § 64 VwGO) *

- hierbei handelt es sich nicht eigentlich um eine Sachurteilsvoraussetzung; zur Stellung im Prüfungsaufbau beachten Sie bitte diesen Hinweis