Niederschläge

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Eigentlich hatte der Morgen für Karl Knupper ganz gut begonnen. Dies sollte sich jedoch schlagartig mit dem Öffnen seines heimischen Briefkastens ändern. Denn in diesem fand er einen Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim, Oskar Obenauf, vor, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er ab dem 1. Januar nächsten Jahres verpflichtet sei, sein (im Bescheid genau bezeichnetes) Grundstück im Ortsteil Quierbrück der Stadt Saarheim an den öffentlichen Abwasserkanal der Stadt Saarheim anzuschließen, die hierfür notwendigen Grundstücksentwässerungsanlagen zum Anschluss an diesen Abwasserkanal herzustellen und über diese Anlage das von diesem Grundstück abfließende Niederschlagswasser (Regenwasser) einzuleiten. In dem Bescheid werden zudem die herzustellenden Anlagen näher beschrieben und darauf hingewiesen, dass sich die Verpflichtung zur Herstellung dieser Anlagen und zur Nutzung des städtischen Abwasserkanals aus der bereits vor anderthalb Jahren in Kraft getretenen "Satzung zum Anschluss der Quierbrücker Höhen an die Regenwasserkanalisation der Stadt Saarheim" ergebe.

Diese Satzung lautet in ihren hier interessierenden Teilen:

"§ 1 Allgemeines

Die Stadt Saarheim stellt zur Beseitigung des von den Grundstücken der Quierbrücker Höhen abfließenden Niederschlagswassers und damit zum Schutz der umliegenden Grundstücke und Verkehrswege vor Überschwemmungsschäden Abwasseranlagen her, die an die bereits bestehenden Abwasseranlagen im Ortsteil Quierbrück angeschlossen und rechtlich und wirtschaftlich mit diesen ein einheitliches System bilden und von der Stadt Saarheim als öffentliche Einrichtung betrieben und unterhalten werden sollen.

§ 2 Begriffsbestimmung

(1) Die Quierbrücker Höhen im Sinne dieser Satzung sind das Gebiet, das im Norden durch die Straße "Druidensteige", im Osten durch die Homburger Straße, im Süden durch die Brückenstraße und im Westen durch den Mistelweg begrenzt wird.

(2) Niederschlagswasser im Sinne dieser Satzung ist das von Niederschlägen (Regen, Schnee, Hagel) von den Grundstücken abfließende Wasser.

(3) Grundstücksentwässerungsanlagen sind Anlagen zur Sammlung des Niederschlagswassers auf den Grundstücken, soweit sie nicht Bestandteil der nach § 1 dieser Satzung errichteten Abwasseranlagen sind.

§ 3 Anschluss- und Benutzungszwang

Für die Grundstücke der Quierbrücker Höhen besteht eine Anschluss- und Benutzungspflicht der nach § 1 dieser Satzung errichteten Abwasseranlagen. Die Grundstückseigentümer haben den Anschluss innerhalb von drei Monaten nach der Anordnung des Anschlusszwangs durch die Stadt Saarheim herzustellen. Das Niederschlagswasser darf nur über die Grundstücksentwässerungsanlagen eingeleitet werden.

In den folgenden Paragraphen der Satzung werden die von den Grundstückseigentümern zu errichtenden Grundstücksentwässerungsanlagen näher spezifiziert, die Benutzungsbedingungen näher ausgestaltet und darauf hingewiesen, dass die Nutzung der Abwasseranlagen nach Maßgabe der bereits bestehenden "Abwasserabgabensatzung für die Niederschlagswasserbeseitigung im Ortsteil Quierbrück" gebührenpflichtig sei.

Knupper hat für derlei gestellte, von ihm als völlig unnötig und unverfroren erachteten Verpflichtungen kein Verständnis und beschließt, diesen - für ihn mit erheblichen Kostenfolgen verbundenen - Bescheid nicht einfach so hinzunehmen. Er wendet sich daher kurzum an den Saarheimer Rechtsanwalt Rudi Rathgeber und bittet diesen, in seinem Namen etwas gegen den Bescheid zu unternehmen. Denn schließlich versickerte das Niederschlagswasser auch bei und nach heftigem Gewitterregen auf dem von ihm nur als Weideland genutzten und daher unbefestigten und unbebauten Grundstück ganz gut von allein, so dass es keines Anschlusses an den städtischen Regenwasserkanal bedürfe. Nicht anders sei es bei den übrigen von der Satzung betroffenen Grundstücken, die allesamt ausschließlich der Forstwirtschaft oder als Weideland für Kühe, Pferde und Schafe dienten. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit der Anschluss der Grundstücke an die Abwasserkanalisation Überschwemmungsschäden vorbeugen könnte. Denn obwohl alle betroffenen Grundstücke eine Hanglage aufwiesen, sei es bisher nur einmal auf Grund eines - im Nachhinein als Jahrhundertregen bezeichneten - Unwetters zu einer Überflutung der die Quierbrücker Höhen umliegenden Straßen auch auf Grund der von den Hängen ablaufenden Niederschlagsmengen gekommen. Jedoch könne ihm und den anderen Grundstückseigentümern wegen solcher überaus seltener Naturereignisse wohl kaum eine andauernde Kanalnutzungspflicht auferlegt werden, zumal es auch damals zu keinen größeren Schäden gekommen war. Das hatte er bereits dem insoweit wohl zuständigen Sachbearbeiter in der Stadtverwaltung, mit Namen Gerd Mütlich, vor einer Woche am Telefon gesagt, als dieser ihn schon mit dem im wesentlichen Gleichen, was er jetzt dem schriftlichen Bescheid entnehmen konnte, belästigt habe.

Rathgeber bezweifelt angesichts dessen die Rechtmäßigkeit der sich aus der "Satzung zum Anschluss der Quierbrücker Höhen an die Regenwasserkanalisation" ergebenden Verpflichtungen. Die Satzung allein reiche insoweit wohl kaum als Rechtsgrundlage aus. Jedenfalls lasse sich eine solche Nutzungspflicht nicht rechtfertigen, da hierfür kein rechtfertigender Grund erkennbar sei: Eine solche Nutzungspflicht müsse durch ein besonderes öffentliches Interesse begründet sein. Dies läge regelmäßig nur bei einer Gefährdung der Volksgesundheit vor. Hier versickere das Wasser jedoch schlicht im Boden der im unbebauten und "natürlich genutzten" Außenbereichsgrundstücke. Es drohe auch, was zutreffend ist, keinerlei Verunreinigung der städtischen Trinkwasserversorgung und das Regenwasser sickere auch nicht ungewöhnlich schlecht ab, so dass auch keine "Tümpel" entstünden, in denen sich eventuell Bakterien anhäufen könnten. Den Nutzungszwang nur wegen der Gefahr der Überschwemmung der umliegenden Straßen bei überaus seltenen sintflutartigen Regenfällen anzuordnen, übersteige das den Grundeigentümern Zumutbare: Es gehe in solchen Fällen letztlich um ganz außergewöhnliche, katastrophenartige Wirkungen elementarer Naturkräfte, für die die Grundstückseigentümer wegen ihrer Seltenheit weder Vorkehrungen treffen müssten noch wirtschaftlich zumutbar treffen könnten. Hieran ändere auch der Klimawandel nichts: Zwar sei es in den letzten Jahren auch auf den Quierbrücker Höhen vermehrt zu erheblichen Starkregen gekommen; Überflutungsereignisse seien jedoch nicht mehr eingetreten.

Darüber hinaus kommen Rathgeber auch Zweifel bezüglich der formellen Ordnungsgemäßheit der Satzung: Sie sei zwar formgerecht verkündet worden; dem Protokoll über die Stadtratssitzung, in der die Satzung beschlossen worden sei, lasse sich jedoch entnehmen, das der Oberbürgermeister aus Gründen der Kostenersparnis darauf verzichtet habe, die Stadtratsmitglieder zur Sitzung schriftlich zu laden, sondern den Termin der Stadtratssitzung sowie die wesentlichen zur Verhandlung anstehenden Punkte nur beim allfreitagabendlichen Stammtisch im Saarheimer Ratskeller kundgemacht habe. Unter anderem hatte sich Obenauf von dieser Vorgehensweise den Vorteil versprochen, dass, da am Stammtisch ohnehin nur diejenigen Stadtratsmitglieder teilnehmen, die für eine kurze, unbürokratische Handhabe beim Satzungserlass bekannt sind, er um die ewigen Nörgeleien und Diskussionen, insbesondere von Seiten der "Umweltfraktion", herumkommen würde. Allerdings, so ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll weiter, war diese Rechnung nicht aufgegangen, da dennoch sämtliche Stadtratsmitglieder zur Sitzung erschienen waren und mitabgestimmt hatten, was wohl auf die gut funktionierende Saarheimer Mundpropaganda zurückzuführen sein dürfte.

Erfreut über all diese Erkenntnisse, bittet Rathgeber nun Sie, in einem Gutachten die Rechtmäßigkeit des gegenüber Knupper erlassenen Bescheids zu prüfen. Gehen Sie dabei nicht auf wasserrechtliche Vorschriften ein und unterstellen Sie, dass die Erkenntnisse Rathgebers über die Häufigkeit und Auswirkungen von Starkregenereignissen auf den Quierbrücker Höhen sowie die Folgen des schlichten "Versickernlassens" des Niederschlagswassers auf den von der "Satzung zum Anschluss der Quierbrücker Höhen an die Regenwasserkanalisation der Stadt Saarheim" betroffenen Grundstücken zutreffend sind.

Lösungsvorschlag

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Teilnehmer der Rathausführung : Nach Bearbeitung hier lang!