Hinweis zur Prüfung des
Regelungsinhalts eines Verwaltungsaktes 
(Stand der Bearbeitung: 14. Dezember 
2024)
  
© 
Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
    mit freundlicher Unterstützung der  jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
      
 
Nicht immer ist eindeutig, welcher Regelungsgehalt
einem bereits erlassenen Verwaltungsakt zukommt, was also genau von ihm
geregelt wird (zur Prüfung der Frage, wann eine bestimmte bereits erlassene Maßnahme
einen Verwaltungsakt darstellen kann, siehe diesen Hinweis).
Typischerweise stellt sich diese Frage 
  - bei begünstigenden Verwaltungsakten in
    Zusammenhang mit der Frage, welche Rechte der Begünstigte aus diesem Verwaltungsakt genau
    herleiten kann und ob dieser mit (ggf. welchen) Nebenbestimmungen i.S.d.
    § 36 Abs. 2 VwVfG (bzw. der entsprechenden Bestimmung des konkret anzuwendenden
    Verwaltungsverfahrensgesetzes) erlassen wurde (siehe hierzu z. B. den Ihr-Kinderlein-kaufet-Fall, den Sanitäter-Fall, den Wasser-Fall und den Unschuldslamm-Fall).
  - bei belastenden Verwaltungsakten in Zusammenhang
    mit der Frage, welche Belastung dem Betroffenen eigentlich auferlegt wird, welche
    Verpflichtungen sich für den Betroffenen also aus dem Verwaltungsakt ergeben und an
    welchen Vorschriften diese Verpflichtungen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der
    Maßnahme zu messen sind. Im Rahmen der Prüfung einer Anfechtungsklage erfolgt die
    Auslegung des angefochtenen Verwaltungsakts deshalb am Anfang der Begründetheitsprüfung
    noch vor Prüfung der Ermächtigungsgrundlage und der formellen Rechtmäßigkeit des
    Bescheides (vgl. hierzu den Dissonanzen-Fall
    und den Rathausbrand-Fall).
Im Grundsatz bestimmt sich der Inhalt eines Verwaltungsaktes nach
den insoweit entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 BGB. Maßgebend für den Inhalt
der Erklärung ist somit nicht der innere Wille des Bearbeiters, sondern der erklärte
Wille, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger
Würdigung verstehen durfte. 
	Anmerkung: Siehe hierzu und zum Folgenden U. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35
Rn. 76 ff.
Im Einzelnen bedeutet dies:
  - Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des
    verfügenden Teils des Verwaltungsaktes unter Zuhilfenahme seiner Begründung. Wurde der
    Verwaltungsakt beantragt und dem Antrag stattgegeben, kann auch der Antrag und die ihm
    beigefügten Unterlagen für die Bestimmung des Regelungsinhalts des beantragten
    Verwaltungsakts herangezogen werden (siehe hierzu den Unschuldslamm-Fall).
  - Ergänzend hinzugezogen werden können auch die (für den
    Betroffenen erkennbaren) Umstände vor und beim Erlass der Maßnahme. Zu
    diesen Umständen kann zählen, welche Aufgaben eine Behörde mit einer
    bestimmten Maßnahme (für den Betroffenen erkennbar) verfolgt, in welchem Umfang die
    Behörde befugt war, einen bestimmten Sachverhalt zu überprüfen und eine Entscheidung zu
    treffen. Insbesondere kann vielfach aus dem Umstand, dass in einem Verwaltungsakt eine
    bestimmte Regelung enthalten ist, auch geschlossen werden, dass diese Regelung implizit
    einen früher erlassenen Verwaltungsakt aufhebt, der der nunmehr getroffenen Regelung
    entgegensteht (sog. konkludente Aufhebung, siehe hierzu den Dissonanzen-Fall, den Rathausbrand-Fall und den Sanitäter-Fall).
  - Bei Zweifeln über den Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts kann
    jedoch nicht ohne weiteres - wie dies vielfach angenommen wird - auf die Vermutung
    gesetzeskonformen Verhaltens zurückgegriffen werden (sog. gesetzeskonforme
    Auslegung). Dies ist allenfalls möglich, wenn die Rechtslage allen Beteiligten
    bekannt ist bzw. hierüber (nach der insoweit notwendigen  Parallelwertung in der
    Laiensphäre) vernünftigerweise kein Zweifel besteht. Nur dann erscheint aus der Sicht
    des Adressaten und sonstiger Betroffener die Annahme als gerechtfertigt erscheint, dass
    die Behörde nicht mehr (und nicht weniger) regeln wollte, als ihr das  Gesetz
    gestattet. Ansonsten belastet eine gesetzeskonforme Auslegung den Adressaten mit der
    Unsicherheit, dass zwischen ihm und der Behörden Meinungsverschiedenheiten über die
    Gesetzeskonformität bestehen.
	
		Anmerkung: So bereits (!)
		RG, I 644/81 v. 14.1.1882 =
		RGZ 9, 202, 206.
	
  - Verbleiben nach diesen Auslegungsschritten Unklarheiten,
    gehen diese vielmehr grundsätzlich zu Lasten der Behörde. Dies gilt
    jedoch nicht bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, da
    dieselbe Auslegungsvariante im Hinblick auf die jeweils geschützten Rechtspositionen
    für einen der Betroffenen günstig, für einen anderen Betroffenen oder den Adressaten
    ungünstig sein kann und sich auch nicht immer ersehen lässt, welche der verschiedenen
    Auslegungsvarianten für die Behörde belastend wäre. In solchen Fällen gibt es keine
    "Im-Zweifel-Auslegung".
Lässt sich der Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes nach diesen
    Auslegungsschritten nicht verlässlich bestimmen, ist der Verwaltungsakt zu unbestimmt und
    somit wegen Verstoßes gegen § 37 Abs. 1 VwVfG (bzw. der entsprechenden Bestimmung des
    konkret anzuwendenden Verwaltungsverfahrensgesetzes) rechtswidrig.
Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG (bzw. der entsprechenden
    Bestimmung des konkret anzuwendenden Verwaltungsverfahrensgesetzes) liegt demgegenüber
    nur vor, wenn der Verwaltungsakt in sich widersprüchlich oder 
völlig
    unverständlich ist.
	Anmerkung: Siehe hierzu Sachs, in: 
	Stelkens/Bonk/Sachs,
    § 44 Rn. 114; U. Stelkens in:
	Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 Rn. 
	7.
Ergebnis einer Prüfung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts
kann auch sein, 
  - dass ein Schreiben sowohl einen Verwaltungsakt im
    materiellen Sinne wie eine sonstige behördliche Maßnahme enthält, z. B.
    ein Verwaltungsinternum.
Richtet sich eine Klage gegen eine solche Doppelmaßnahme, liegt
in beiden Fällen streng genommen eine (im Regelfall unproblematisch zulässige objektive)
Klagehäufung vor. Im ersten Fall bedarf dies allerdings - anders als im zweiten Fall -
regelmäßig keiner Erwähnung.
	Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, 
	in: Stelkens/Bonk/Sachs,  § 35 
	Rn. 45 und diesen Hinweis
zur Klagehäufung.