Lösungsvorschlag

Presseflug

Stand der Bearbeitung: 14. Mai 2023

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Bevor Rathgeber irgendwelche gerichtlichen Schritte einleitet, sollte er zunächst einmal überlegen, aus welchem Rechtsgrund und wem gegenüber Frau Thalflug einen Anspruch auf Teilnahme am Presseflug oder zumindest an der sich anschließenden Pressekonferenz herleiten kann. Nur wenn ein solcher Anspruch als gegeben erscheint, ist es sinnvoll, über das Einleiten gerichtlicher Schritte nachzudenken und Frau Thalflug die Einleitung solcher Schritte zu empfehlen.

Erster Teil: Anspruch auf Teilnahme an Presseflug und Pressekonferenz

Frau Thalflug könnte einen Anspruch auf Teilnahme am Presseflug und an der Pressekonferenz möglicherweise entweder aus den Landespressegesetzen oder unmittelbar aus den Grundrechten der EMRK oder des Grundgesetzes herleiten. Ein solcher Anspruch könnte sich unmittelbar gegen die Lufthansa AG oder auch (nur) gegen den Bund bzw. das Bundesministerium für Digitales und Verkehr richten.

A) Ansprüche gegen die Deutsche Lufthansa AG

Ansprüche gegen die Lufthansa AG auf Teilnahme am Presseflug und der anschließenden Pressekonferenz könnten sich v. a. aus dem Presserecht ergeben. Insoweit kommt der presserechtliche Auskunftsanspruch in Betracht, der im Saarland in § 5 Abs. 1 SMG (nicht nur für die Presse sondern auch für andere Medienunternehmen) geregelt ist, in den übrigen Bundesländern jedoch zumeist in eigenen Landespressegesetzen.

Anmerkung: Eine Zusammenstellung der sich auf die Presse beziehenden Vorschriften der Bundesländer finden Sie hier. In den meisten Ländern beziehen sich die als "Landesmediengesetze" bezeichneten Gesetze nur auf private Rundfunkveranstaltungen und Telemedien.

I. Anspruch aus § 5 Abs. 1 SMG

Grundlage des Anspruchs könnte zunächst § 5 Abs. 1 SMG sein, weil der Presseflug, an dem Frau Thalflug teilnehmen will, in Saarbrücken-Ensheim endet und die sich anschließende Pressekonferenz auch in Saarbrücken stattfinden soll und Frau Thalflug als Anspruchsstellerin auch im Saarland wohnt. Das setzt aber voraus, dass das Saarländische Mediengesetz - selbst bei einem so begründeten "Saarland-Bezug" - überhaupt Ansprüche gegenüber der Deutschen Lufthansa AG, die ihren Sitz in Köln, also in Nordrhein-Westfalen, hat, begründen kann. Denn die Regelungszuständigkeit des saarländischen Gesetzgebers endet grundsätzlich an den Grenzen seines Landes, so dass er grundsätzlich keine Personen zu Leistungen verpflichten kann, die weder ihren Sitz im Saarland haben noch bestimmte Tätigkeiten im Saarland ausüben. Dementsprechend ist Anknüpfungspunkt für die Regelung des § 5 Abs. 1 SMG eindeutig der als "Behörde" bezeichnete "Passivlegitimierte" (und damit deren Sitz) und nicht der Ort, an dem die begehrte Auskunft erteilt werden soll. Somit kann sich eine Verpflichtung der Deutschen Lufthansa AG, Frau Thalflug die Teilnahme an dem Presseflug und anschließender Pressekonferenz zu ermöglichen, nicht aus § 5 Abs. 1 SMG ergeben.

II. Anspruch aus § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW) gegenüber der Lufthansa AG

Weil die Deutsche Lufthansa AG ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat, könnte sich ihr gegenüber ein Anspruch auf Teilnahme an dem Presseflug jedoch aus § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW ergeben. Frau Thalflug müsste dann anspruchsberechtigt, die Deutsche Lufthansa AG müsste anspruchsverpflichtet sein und aus § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW müsste sich zudem ein Anspruch gerade auf Teilnahme an dem Presseflug und der sich anschließenden Pressekonferenz herleiten lassen.

1. Anspruchsberechtigung von Frau Thalflug

Der durch § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW normierte Auskunftsanspruch steht nach wohl überwiegender Auffassung allen Personen zu, die an der Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen mitwirken. Dabei ist der Begriff der Presse im umfassenden Sinne zu verstehen, also nicht lediglich begrenzt auf periodisch erscheinende Zeitungen und Zeitschriften.

Anmerkung: Siehe hierzu Partsch, NJW 2013, 2858.

Zu den Vertretern der Presse gemäß § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW zählen damit alle Personen, deren Aufgabe die Beschaffung oder Verbreitung von Nachrichten ist.

Anmerkung: Siehe hierzu BGH, I ZR 13/16 v. 16.3.2017, Abs. 16 = NJW 2017, 3153 Abs. 16.

Hierunter zählen auch Korrespondenten von Nachrichtenagenturen, weil Zeitungen vielfach ihr Material nur über Agenturen bekommen können (insbesondere kleinere Zeitungen), so dass gerade insoweit das Auskunftsrecht bedeutsam ist. Unerheblich ist auch die Nationalität des Presseorgans; den Auskunftsanspruch können ausländische Pressevertreter ebenfalls geltend machen. Das ergibt sich schon daraus, dass § 4 Abs. 1 LandespresseG NRW keinen Hinweis auf eine nationale Beschränkung enthält. Dem lässt sich auch nicht mit dem Argument begegnen, die ausländische Presse erfülle im Inland keine öffentliche Aufgabe; denn ausländische Presseerzeugnisse und Nachrichtenagenturen wirken ebenfalls an der Verbreitung von Informationen und an der Meinungsbildung mit.

Anmerkung: Siehe hierzu Schnabel, BayVBl. 2016, 114 f.

Frau Thalflug ist somit gemäß § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW anspruchsberechtigt.

Anmerkung: Etwas unklar ist dagegen die Beschreibung der Anspruchsberechtigten aus den landesrechtlichen presserechtlichen Auskunftsansprüchen nach BVerwG, 7 C 26/17 v. 21.3.2019, Abs. 23 ff. = BVerwGE 165, 82 Abs. 23 ff.: Hier wird einerseits behauptet, dass sich der Ausgestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers bei der Konkretisierung der Anspruchsberechtigten der presserechtlichen Auskunftsansprüche wegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG darin erschöpfe, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nachzuzeichnen, ohne dabei den Kreis der Grundrechtsträger zu verengen. Andererseits wird auf den "Funktionenbezug" der Presse abgestellt. Dies schließe zwar typisierende Bewertungen nicht aus. Der Schutz der Pressefreiheit nach Maßgabe des weiten und formalen Pressebegriffs knüpfe zwar an das sächliche Substrat einer Publikation in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form an. Damit habe es aber nicht sein Bewenden. Denn vorausgesetzt werde darüber hinaus "in inhaltlicher Hinsicht, dass die Publikation am Kommunikationsprozess zur Ermöglichung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung teilnimmt." Die Annahme, die Publikation eines Druckerzeugnisses diene der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse, sei daher ohne Weiteres regelmäßig nur bei Presseunternehmen wie etwa Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen gerechtfertigt. Entsprechendes gelte für Journalisten und Redakteure, deren Berufsbild ebenfalls von der Wahrnehmung dieser Aufgabe geprägt werde. Bei anderen Unternehmen fehlt es an einer vergleichbar eindeutigen Verknüpfung zwischen Tätigkeit und publizistischem Zweck. In diesen Fällen bedarf daher näherer Prüfung, ob der erforderliche Funktionsbezug vorliege. Dieser verfassungsrechtlich begründete Funktionsbezug verhindere "ein zweckwidriges Ausufern des Kreises der Anspruchsberechtigten; er stellt zugleich die sachliche Rechtfertigung für die Gebührenfreiheit des presserechtlichen Auskunftsanspruchs dar. Wer mithilfe der begehrten Auskünfte nicht oder nicht vorrangig die Funktion der Presse wahrnimmt, ist daher auf andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung - etwa die gebührenpflichtigen Ansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen - verwiesen."

2. Anspruchsverpflichtung der Deutschen Lufthansa AG

Die Pflicht zur Auskunftserteilung trifft nach § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW Behörden. Damit dürfte die Deutsche Lufthansa AG kaum als anspruchsverpflichtet anzusehen sein, weil sie kein Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, sondern eine juristische Person des Privatrechts ist.

Anmerkung: Siehe zum Begriff der Behörde im verwaltungsorganisationsrechtlichen Sinne diesen Hinweis.

In Literatur und Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, ein Auskunftsanspruch bestehe auch dann, wenn sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Organisationsformen bediene, weil es vielfach lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit sei, ob eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Organisation gewählt werde. Deshalb seien auch wirtschaftliche Unternehmen in privatrechtlicher Form, deren Anteile vollständig oder überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten werden, zumindest dann als "Behörden" zur Erteilung von Auskünften verpflichtet, wenn sie Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllten.

Anmerkung: So z. B. BVerwG, 10 C 1/20 v. 26.4.2021, Abs. 17 f.  = BVerwGE 172, 222 Abs. 17 f.; OVG Bremen, 1 LB 118/19 v. 30.10.2019 = NordÖR 2020, 182, 186;  OVG Saarlouis, 8 R 27/96 v. 1.4.1998 = ZUM-RD 1998, 573, 576 ff.; OVG Lüneburg, 10 ME 269/20 v. 8.1.2021 = NdsVBl. 2022, 24, 25; VG Cottbus, 1 L 219/13 v. 19.9.2013, Abs. 17 ff. = LKV 2013, 524 f.; VG Hamburg, 4 Bf 179/09.Z v. 4.10.2010, Abs. 4, 16 ff. = NordÖR 2011, 190; VG Hannover, 6 A 4856/02 v. 5.6.2003, Abs. 8 = NdsVBl. 2003, 305; VG Potsdam, 12 L 306/09 v. 21.7.2009 = LKV 2009, 429; BGH, III ZR 294/04 v. 10.2.2005, S. 6 ff. = NJW 2005, 1720 ff.; BGH, I ZR 13/16 v. 16.3.2017, Abs. 18 ff. = NJW 2017, 3153 Abs. 18 ff.; OLG Hamm, 11 U 5/14 v. 16.12.2015, Abs. 47 ff. = NVwZ 2016, 551 ff.;  LG Berlin, 28 O 421/18 v. 5.10.2020, Abs. 10 ff. = LKV 2020, 574, 575; LG Berlin, 46 O 172/23 v. 6.9.2023, Abs. 6 = NVwZ-RR 2024, 174 Abs. 6; Gundel, AfP 2001, 194; Köhler, NJW 2005, 2337, 2338 f.; Maier, NZG 2003, 196 ff.; Partsch, NJW 2013, 2858, 2859; Rhein, DÖV 2019, 394, 396 f.; Schnabel, BayVBl. 2016, 114, 115.

Ob dem zu folgen ist, kann hier dahin stehen. Denn vorliegend scheidet eine Auskunftsverpflichtung der Deutschen Lufthansa AG schon deshalb aus, weil der Bund die von ihm bis dahin gehaltenen Aktien der Gesellschaft im Herbst 1997 an der Börse verkauft hat, die Deutsche Lufthansa AG somit "privatisiert" worden ist. Zwar hat der Bund wäre der Corona-Pandemie zur Stützung der Deutschen Lufthansa AG wieder Aktien erworben, jedoch wurde auch diese Stützungsmaßnahme im September 2022 beendet und die Aktien des Bundes vollständig verkauft. Heute ist die Deutsche Lufthansa AG daher (wieder) ein vollständig privates Unternehmen. Gegen Private begründet jedoch § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW eindeutig keine Auskunftsverpflichtung.

Darüber hinaus nimmt die Deutsche Lufthansa AG im vorliegenden Fall nicht selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr. Sie wird hier lediglich im Auftrage des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr tätig, das zwar selbst keine Presseflüge durchführen kann, aber - wenn überhaupt - der richtige Anspruchsadressat ist; denn bei der Information über Flughafenprojekte geht es um die Unterrichtung über die Luftverkehrspolitik der Bundesregierung, und die Deutsche Lufthansa AG fungiert insoweit lediglich als Verwaltungshelfer.

Anmerkung: Zur Frage der Rechtsstellung von Verwaltungshelfern, Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen siehe die zusammenfassende Darstellung von U. Stelkens, Jura 2016, 1260 ff.

3. Ergebnis zu II

Da die Deutsche Lufthansa AG demnach nicht anspruchsverpflichtet ist, scheidet ein Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW gegen sie aus.

III. Ergebnis zu A

Da es sich bei der Deutsche Lufthansa AG um ein rein privates Unternehmen handelt, dass deshalb auch nicht unmittelbar aus den Grundrechten heraus verpflichtet ist, ist nicht erkennbar aus welchen sonstigen (privatrechtlichen) Rechtsgrundlagen Frau Thalflug einen Anspruch gegen die Lufthansa AG auf Teilnahme am Presseflug und der anschließenden Pressekonferenz ergeben könnte, zumal diese eben nicht "im eigenen Namen" sondern für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr handelt.

Gegen die Deutsche Lufthansa AG kann Frau Thalflug somit keine Ansprüche geltend machen.

B) Ansprüche gegen den Bund bzw. das Bundesministerium für Digitales und Verkehr

Daher kommt hier allein ein Anspruch gegen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bzw. den Bund als dessen Träger in Betracht.

Anmerkung: Zur Unterscheidung zwischen Behörden und ihren Trägern siehe diesen Hinweis und diesen Hinweis.

I. Anspruch aus § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz

Da das Bundesministerium für Digitales und Verkehr seinen Sitz in Berlin hat, können sich nach dem oben Gesagten (s. Erster Teil A I) Ansprüche ihm gegenüber nur aus § 4 Abs. 1 Berliner Pressegesetz ergeben. Da § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes mit § 4 Abs. 1 Landespressegesetz NRW weitgehend übereinstimmt, ist davon auszugehen, dass Frau Thalflug auch nach Berliner Recht als anspruchsberechtigt anzusehen ist.

Anmerkung: Siehe oben Erster Teil A II 1. Nach Auffassung des BVerwG (BVerwG, 7 C 26/17 v. 21.3.2019, Abs. 23 ff. = BVerwGE 165, 82 Abs. 23 ff.) müsste sich dies schon daraus ergeben, dass sich der Ausgestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers bei der Konkretisierung der Anspruchsberechtigten der presserechtlichen Auskunftsansprüche wegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG darin erschöpft, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nachzuzeichnen.

1. Anspruchsverpflichtung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr als Bundesbehörde

Es ist jedoch fraglich, ob durch Landesgesetz einer Behörde des Bundes Verpflichtungen auferlegt werden können. Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes unterscheidet allerdings nicht zwischen Bundes- und Landesbehörden und spricht daher für seine Anwendbarkeit auch gegenüber dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

Anmerkung: Auf den Wortlaut stellen maßgeblich ab: OVG Berlin, 8 B 16/94 v. 25.7.1995 = NVwZ-RR 1997, 32, 33; VG Berlin, 27 L 259.12 v. 20.12.2012, Abs. 25 = NJW 2013, 1464. Vergleiche zu derartigen Argumentationen auch den Stadtwerkstatt-Fall.

a) Anspruchsausschluss auf Grund vorrangiger Gesetzgebungskompetenz des Bundes?

Allerdings könnte eine reine Wortlautauslegung des § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes zu kurz greifen, wenn der Landesgesetzgeber auf Grund einer vorrangigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht berechtigt wäre, presserechtliche Auskunftsansprüche gegenüber dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr zu regeln. In diesem Fall wäre der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes letztlich in "gesetzgebungskompetenzkonformer Auslegung" zu begrenzen: Eine offen formulierte Norm darf hiernach nicht so weit ausgelegt werden, dass aus dieser Norm ein Rechtssatz hergeleitet wird, den der normerlassende Gesetzgeber wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz nicht ausdrücklich hätte erlassen können. Aus der Sicht der Gesetzgebungskompetenzen zu weit geratene Tatbestände sind daher insoweit teleologisch zu reduzieren.

Anmerkung: Siehe zur "gesetzgebungskompetenzkonformen Auslegung" U. Stelkens, UTR 98 (2008), S. 55, 62; ders., Verwaltungsprivatrecht, 2005, S. 354 f.; ähnlich für vorliegenden Zusammenhang BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 22 a. E. = BVerwGE 146, 56 Abs. 22 a. E.; BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 10 = BVerwGE 151, 348 Abs. 10).

Das BVerwG hat dementsprechend in einem Fall, in dem auf Grund des Landespresserechts der Bundesnachrichtendienst zu Auskünften verpflichtet werden sollte, angenommen, dass die Befugnis zur Regelung von behördlichen Presseauskünften nicht dem Gesetzgebungskompetenzbereich "Presserecht" unterfalle, für den die Länder (seit der Aufhebung des Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 a. F. GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 8. 2006 [BGBl. I, S. 2034]) nach Art. 70 GG ausschließlich zuständig seien. Denn bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Behörden zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichtet seien, handele es sich um eine Frage, die untrennbar mit der Befugnis zur Regelung einer bestimmten Sachmaterie zusammenhänge.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 21 ff. = BVerwGE 146, 56 Abs. 21 ff.; BVerwG, 6 A 7/18 v. 18.9.2019, Abs. 13 f. = BVerwGE 166, 303 Abs. 13 f.; ebenso (betreffend andere Bundesbehörden); BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 11 ff. = BVerwGE 151, 348 Abs. 11 ff.; BVerwG, 6 VR 2/15 v. 22.9.2015, Abs. 11 = NVwZ 2016, 945 Abs. 11; BVerwG, 6 C 65/14 v. 16.3.2016, Abs. 14 = BVerwGE 154, 222 Abs. 14; BVerwG, 6 C 66/14 v. 16.3.2016, Abs. 13 = NVwZ 2016, 1023 Abs. 13; BVerwG, 7 C 6/17 v. 25.10.2018, Abs. 12 = NVwZ 2019, 479 Abs. 12; BVerwG, 10 C 18/19 v. 30.1.2020, Abs. 28 = BVerwGE 167, 319 Abs. 28; zustimmend Blome NVwZ 2016, 1211, 1212 f. Das OVG Münster (OVG Münster, 5 A 413/11 v. 18.12.2013, Abs. 52 ff. = DVBl. 2014, 464, 465) und der überwiegende Teil der Literatur (v. Coelln, in: Festschrift für Friedhelm Hufen, 2015, S. 423, 425 f.; Cornils, DÖV 2013, 657, 658 ff.; Ehlers/Vorbeck, in: Festschrift für Götz Frank, 2014 , S. 223, 231 ff.; Huber, NVwZ 2013, 1010; Kloepfer, JZ 2013, 892, 893; ders., in: Festschrift für Ulrich Battis, 2014, S. 597, 600 f.; Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389, 391 f.) sind dieser Argumentation entgegen getreten. Mit der dort vorgebrachten Kritik hat sich das BVerwG (BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 17 ff. = BVerwGE 151, 348 Abs. 17 ff.) umfassend auseinandergesetzt. Das OVG Münster folgt nunmehr der Auffassung des BVerwG: OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 17 ff. = NJW 2017, 3458 Abs. 7 ff.

aa) Beispiel: Bundesnachrichtendienst

So rechtfertigte das BVerwG die angenommene (ausschließliche) Annex-Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass von Regelungen über die Erteilung von Presseauskünften durch den Bundesnachrichtendienst (hergeleitet aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) damit, dass die öffentliche Zugänglichkeit der dort vorhandenen Informationen die gesetzliche Aufgabenerfüllung beeinflussen könne. Sie verbreitere zwar den Informationsstand der Öffentlichkeit und befördere damit politische Teilhabe. Sie berge jedoch die Möglichkeit, dass Schutzinteressen Dritter oder aufgabenbezogene Vertraulichkeitsinteressen beeinträchtigt werden. Mit der Entscheidung über Umfang und Grenzen der öffentlichen Zugänglichkeit von Verwaltungsinformationen werde so indirekt mit über den normativen Stellenwert oder das praktische Gewicht bestimmter von einer Sachmaterie erfasster materieller Belange bestimmt und insgesamt eine zentrale, auf die behördliche Umsetzung der fachgesetzlichen Regelungsanliegen einwirkende Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns gesetzt. Der notwendige Ausgleich zwischen Transparenz- und Vertraulichkeitsinteressen müsse aber von dem für die Sachmaterie zuständigen Gesetzgeber in enger Abstimmung auf die Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Materie und deren spezifische Problemlagen und Regelungsnotwendigkeiten vorgenommen werden. Für den Bereich von Presseauskünften gelte insoweit nichts prinzipiell anderes als für Regelungen über den Zugang von Bürgern zu Verwaltungsinformationen, wie sie der Bund mit dem Informationsfreiheitsgesetz geschaffen habe.

Anmerkung: So BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 24 = BVerwGE 146, 56 Abs. 24; ebenso BVerwG, 6 A 7/18 v. 18.9.2019, Abs. 14 = BVerwGE 166, 303 Abs. 14; BVerwG, 6 A 10/20 v. 8.7.2021, Abs. 19 = BVerwGE 173, 118 Abs. 19. Das OVG Münster (OVG Münster, 5 B 226/14 v. 19.9.2014, Abs. 15 f. = NJW 2014, 3387 Abs. 4 f.) hält das Vorliegen einer ausschließlichen Bundes-Annex-Gesetzgebungskompetenz für presserechtliche Auskunftsansprüche bei Bundesbehörden allein in den Fällen für möglich, in denen dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz für eine Materie zukommt, zu der ganz zentral die Gewinnung von (grundsätzlich geheimhaltungsbedürftigen) Erkenntnissen gehört, wozu das OVG jedenfalls die Kompetenztitel der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) sowie den Verfassungsschutz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit b GG) zählt.

bb) Beispiel: Bundesliegenschaftsverwaltung

Das BVerwG geht zudem davon aus, dass entsprechende Erwägungen zum Tragen kommen können, soweit Bundesbehörden sonstige Sachmaterien i.S.d. Art. 73 f. GG ausführen. Dies gilt aber auch, soweit sie - wie bei der Liegenschaftsverwaltung - letztlich eine Bundesverwaltungskompetenz kraft Natur der Sache wahrnehme: Je weitgehender die Bundes- Liegenschaftsverwaltung zur Auskunft gegenüber der Presse gehalten sei, desto stärker werde dem Interesse der Öffentlichkeit entsprochen, sich über ihre Aktivitäten beim Gesetzesvollzug ein Bild machen zu können. Im Gegenzug nehme die Gefahr zu, dass wirtschaftliche Interessen vom Gesetzesvollzug betroffener Privater, nämlich der Geschäftspartner der Beklagten, beeinträchtigt würden. Hiermit wiederum sei die Gefahr verbunden, dass wirtschaftliche Spielräume des Bundes eingeengt werden, wodurch nachteilige finanzielle Folgen für die öffentliche Hand entstehen können. Denn je weitgehender sich der Bund aufgrund presserechtlicher Auskunftsvorschriften über Vertraulichkeitserwartungen von Vertragspartnern und -interessenten hinwegsetzen müsse, desto stärker könne ihre Akzeptanz im Markt leiden.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 25 = BVerwGE 146, 56 Abs. 25.

cc) Bedeutung für den vorliegenden Fall

Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr deshalb nicht aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes verpflichtet wäre, weil es vorliegend auch als Bundesbehörde im Bereich der Sachmaterie "Luftverkehr" i.S.d. Art. 73 Nr. 6 GG tätig geworden ist.

b) Anspruchsausschluss auf Grund der "Organisationshoheit des Bundes" für eigene Behörden?

Ob diese Herleitung des Ausschlusses des Anspruchs aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetz wegen vorrangiger Annex-Gesetzgebungskompetenz des Bundes - hier aus Art. 73 Nr. 6 GG - durchgehend überzeugend ist, ist allerdings fraglich. Gerade in der vorliegenden Konstellation wirkt diese Argumentation sehr gekünstelt, weil "luftverkehrsrechtliche" Besonderheiten von Auskunftsansprüchen gegenüber Bundesbehörden kaum vorstellbar sind.

Anmerkung: Kaum überzeugend ist es etwa auch, wenn das BVerwG (BVerwG, 10 C 18/19 v. 30.1.2020, Abs. 28 = BVerwGE 167, 319 Abs. 28) die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung von Ansprüchen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Annex zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG herleitet.

Näher liegt es daher - wie es das BVerwG auch für möglich erachtet - eine (ausschließliche) Bundeskompetenz zur Regelung von Presseauskünften durch Bundesbehörden daraus herzuleiten, dass der Bund nach der Verfassungsordnung die Verantwortung für die administrative Ausrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung insgesamt trägt; dieser Ansatz würde umgekehrt Regelungskompetenzen der Landesgesetzgeber in Bezug auf die Erteilung von Presseauskünften durch Landesbehörden auch dort begründen können, wo diese Gesetzesmaterien vollziehen, die in der ausschließlichen Sachkompetenz des Bundes liegen, wie dies bisher auch in Bezug auf die Landes-Informationsfreiheitsgesetze durchgehend angenommen worden ist.

Anmerkung: In diese Richtung BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 25 = BVerwGE 146, 56 Abs. 25; BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 22 = BVerwGE 151, 348 Abs. 22. Siehe hierzu auch (im Ergebnis ablehnend) OVG Münster, 5 A 413/11 v. 18.12.2013, Abs. 116 ff. = DVBl. 2014, 464, 465 f.; v. Coelln, in: Festschrift für Friedhelm Hufen, 2015, S. 423, 426 f.; Cornils, DÖV 2013, 657, 659 ff.; Ehlers/Vorbeck, in: Festschrift für Götz Frank, 2014 , S. 223, 234 ff.; Germelmann, DÖV 2013, 667, 674 f.; Kloepfer., in: Festschrift für Ulrich Battis, 2014, S. 597, 601 f.; Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389, 392 und 395.

Derartige Überlegungen würden sich damit decken, dass das BVerfG schon mehrfach entschieden hat, dass der Bundesvollzug von Landesrecht nach dem Grundgesetz schlechthin ausgeschlossen ist. Die Länder können über ihren Kompetenzbereich hinaus keine Ausführung von Landesrecht vorschreiben, und mit dem Vollzug von Landesgesetzen durch Bundesbehörden müsste notwendig, um den Ländern die Durchsetzung ihres Willens zu ermöglichen, die Einräumung von Kontroll- und Aufsichtsrechten des Landes gegenüber den Bundesbehörden einhergehen, die indessen mit dem System des Grundgesetzes unvereinbar wäre.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 2 BvG 1/55 v. 26.3.1957 = BVerfGE 6, 309, 329; BVerfG 2 BvG 1/58 v. 30.7.1958 = BVerfGE 8, 122, 131; BVerfG, 2 BvG 1/60 v. 28.2.1961 = BVerfGE 12, 205, 221; BVerfG, 1 BvR 728/65 v. 11.4.1967 = BVerfGE 21, 312, 325. Ferner Hecker, DVBl. 2006, 1416 ff. In der (älteren) Literatur ist der Bundesvollzug von Landesgesetzen allerdings teilweise für möglich erachtet worden (vgl. beispielsweise Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 380 f.; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1969, S. 46 ff.). Häufig wurde diese Kritik aber mit der Notwendigkeit der Zulassung von Organleiheformen (zum Begriff der Organleihe diesen Hinweis) begründet, deren Zulässigkeit nach einer "neueren" Entscheidung des BVerfG (BVerfG, 2 BvL 23/81 v. 12.1.1983 = BVerfGE 63, 1, 41 ff.) jedoch mittlerweile anerkannt ist (vgl. a. BGH, KVR 20/07 v. 29.4.2008, Abs. 10 = BGHZ 176, 256 Abs. 10).

Folgt man dem, dürfte Frau Thalflug keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes gegenüber dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr herleiten können.

 Anmerkung: Siehe hierzu Thiele, DVBl. 1963, 905, 907: "Unzulässiger Eingriff in Hoheitsgewalt des Bundes".

c) Bloße Pflicht zur Beachtung von Landesrecht durch Bundesbehörden?

Jedoch ist allgemein anerkannt, dass die schlichte Pflicht zur Beachtung von Landesrecht durch Bundesbehörden im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgabenerfüllung keinen Fall des verbotenen Vollzugs von Landesrecht durch Bundesbehörden darstellt. So wird z. B. als selbstverständlich angesehen, dass auch Gebäude der Bundesverwaltung die Vorgaben des Landesbauordnungsrechts beachten müssen.

Anmerkung: Siehe hierzu etwa BVerwG, 1 A 1.67 v. 6. 1. 1968, Abs. 26 ff. = BVerwGE 29, 52, 58 ff.; Hecker, DVBl. 2006, 1416 f.

In der presserechtlichen Literatur ist nun dem folgend teilweise angenommen worden, dass die Erteilung von Auskünften nur aufgrund der Verpflichtung zur Beachtung von Landesgesetzen erfolgen müsse, nicht aber Gesetzesvollzug darstelle, so dass § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes selbst nach der Rechtsprechung des BVerfG auch Bundesbehörden zur Auskunftserteilung verpflichten könne, weil kein Bundesvollzug von Landesrecht vorliege.

Anmerkung: So z.B. OVG Münster, 5 A 413/11 v. 18.12.2013, Abs. 127 f. = DVBl. 2014, 464, 466; v. Coelln, in: Festschrift für Friedhelm Hufen, 2015, S. 423, 427 f.; Cornils, DÖV 2013, 657, 664; Ehlers/Vorbeck, in: Festschrift für Götz Frank, 2014 , S. 223, 236; Germelmann, DÖV 2013, 667, 670 f.; Kloepfer, JZ 2013, 892, 893; ders., in: Festschrift für Ulrich Battis, 2014, S. 597, 603 f.; Sachs/Jasper, NWVBl. 2013, 389, 396). Dieser Auffassung (wohl) folgend, hat das BVerwG in einer früheren Entscheidung (BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Abs. 16 = BVerwGE 47, 247, 251) keine Verletzung von Bundesrecht darin gesehen, dass das Berufungsgericht das Landespressegesetz zu Lasten einer Bundesbehörde angewandt hatte.

Es erscheint indessen überaus zweifelhaft, ob die Auskunftserteilung durch Behörden lediglich als Beachtung der landespresserechtlichen Vorschriften qualifiziert werden kann. § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes enthält vielmehr eine eindeutige Verpflichtung von Behörden, die sich in Erfüllung dieser Pflicht nicht allein gesetzesgemäß verhalten - wie dies etwa bei der Beachtung polizeirechtlicher Bestimmungen der Fall wäre -, sondern den gesetzgeberischen Willen erst verwirklichen. Dies ist mehr als die Befolgung oder Beachtung gesetzlicher Vorschriften, zu der auch jeder Staatsbürger verpflichtet ist; hierin liegt bereits ein Gesetzesvollzug und damit eine von den Art. 83 ff. GG nicht gestattete "Ausführung" von Landesgesetzen durch den Bund.

Anmerkung: So Hecker, DVBl. 2006, 1416, 1417 f.; Ronellenfitsch, JA 1975, 475, 476 Schnabel, BayVBl. 2016, 114, 116; a. A. wohl Huber, NVwZ 2013, 1010; Kloepfer, JZ 2013, 892, 893.

d) Ergebnis zu 1

Die besseren Argumente dürften daher dafür sprechen, Bundesbehörden im Wege der teleologischen Reduktion nicht nach § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes für verpflichtet zu halten.

Anmerkung: Das BVerfG hat die Frage, ob die Länder im Rahmen ihrer Kompetenzen zur Regelung des Presserechts auch Auskunftspflichten gegenüber Bundesbehörden begründen können und somit die Landespressegesetze für diesbezügliche presserechtliche Auskunftsansprüche eine geeignete Rechtsgrundlage bilden, oder ob und wenn, auf welcher Grundlage solche Regelungen dem Bundesgesetzgeber vorbehalten sind, bisher ausdrücklich dahin gestellt sein lassen: BVerfG (K), 1 BvR 1452/13 v. 27.7.2015, Abs. 12 = NVwZ 2016, 50, 51.

2. Anspruchsinhalt des § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes

Jedoch bedarf die Frage, ob auch Bundesbehörden aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes verpflichtet werden können, letztlich keiner Entscheidung, wenn sich aus dieser Vorschrift jedenfalls kein Anspruch auf Teilnahme an dem Presseflug und der Pressekonferenz herleiten lässt. Nach Auffassung des BVerwG umfasst der Auskunftsanspruch der Presse (bei dem Initiative und Themenwahl vom fragenden Journalisten ausgehen) nämlich nicht das Recht, von den Behörden mit Eigeninformationen versehen zu werden, welche diese von sich aus unter eigener Themenwahl erteilen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Abs. 16 = BVerwGE 47, 247, 252 f.

Die Veranstaltung von Presseflügen und Pressekonferenzen durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr stellt sich indes als freiwillige Leistung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit dar, auf die kein Anspruch besteht.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 A 7/18 v. 18.9.2019, Abs. 25 ff. = BVerwGE 166, 303 Abs. 25 ff.

Die vom BVerwG vorgenommene Abgrenzung zwischen Eigeninformationen und Auskünften könnte jedoch für zweifelhaft erachtet werden, weil auch auf Presseflügen und Pressekonferenzen Auskunft begehrt werden kann, also Informationen nach Wahl des Journalisten erfragt werden können-

Anmerkung: Siehe hierzu Ronellenfitsch, JA 1975, 475, 476.

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um die Erteilung von Auskünften schlechthin geht, sondern um die Teilnahme an einer bestimmten Form der Auskunftserteilung, auf die indessen kein Rechtsanspruch besteht.

Anmerkung: So auch Jarass, DÖV 1986, 721, 723; ähnlich auch OVG Münster, 5 A 1293/11 v. 13.3.2013, Abs. 42 ff. = NWVBl. 2013, 336, 337: Kein Anspruch auf Anfertigung von Fotoaufnahmen aufgrund presserechtlichen Auskunftsanspruch; VG Cottbus, 1 L 219/13 v. 19.9.2013, Abs. 25 ff. = LKV 2013, 524, 525 f.: Kein allgemeiner Akteneinsichtsanspruch (sondern nur Anspruch auf Beantwortung konkreter Fragen) aufgrund presserechtlichen Auskunftsanspruchs.

4. Ergebnis zu I

Ein Anspruch auf Teilnahme an dem Presseflug und Pressekonferenz lässt sich demnach - unabhängig davon, welchen Auffassungen man im Einzelnen folgt - aus § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes nicht herleiten.

II. Ansprüche aus dem IFG

Ein Anspruch auf Teilnahme an dem Presseflug und Pressekonferenz lässt sich auch nicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) herleiten. Zwar wäre Frau Thalflug als "Jeder" i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG durchaus anspruchsberechtigt, ebenso wie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr aus § 1 Abs. 2 Satz 2 IFG als Bundesbehörde hieraus verpflichtet wäre. Jedoch begehrt Frau Thalflug nicht Zugang zu konkreten Informationen i.S.d. § 1 Abs. 1 IFG mit der Folge, dass die Behörde diesen in den Formen des § 1 Abs. 2 IFG gewähren könnte, sondern will - wie bereits erwähnt - an freiwilligen Leistungen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums teilhaben, worauf § 1 Abs. 1 IFG keinen Anspruch gibt. Dass das IFG insoweit zwischen individuellen Informationszugangsansprüchen und staatlicher Informationsvorsorge unterscheidet und auf letzteres keine Ansprüche gewährt, zeigt insbesondere auch der Vergleich zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG mit § 11 IFG, der nur sehr beschränkte Veröffentlichungspflichten anordnet.

III. Anspruch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK

Jedoch könnten sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, nämlich der "Freiheit, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiter zu geben" ein Anspruch der Frau Thalflug gegen den Bund bzw. das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf Teilnahme am Presseflug und der Pressekonferenz ergeben.

1. Bedeutung der EMRK

Insoweit ist zunächst fraglich, ob und inwieweit sich Frau Thalflug gegenüber deutschen Behörden überhaupt unmittelbar auf die durch die EMRK gewährten Rechte berufen kann, weil es sich bei der EMRK um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, der im Grundsatz nur die Vertragsparteien bindet. Dementsprechend geht der EGMR davon aus, dass die EMRK die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, die Konventionsbestimmungen als solche in ihre innerstaatliche Rechtsordnung zu übernehmen, sondern überlässt die innerstaatliche Umsetzung ihrer Vorgaben den Mitgliedstaaten.

 Anmerkung: Siehe hierzu EGMR, 5614/72 v. 6.2.1976, Abs. 50 (Swedish Engine Drivers Union ./. Schweden).

In Deutschland gilt die EMRK insoweit im Range eines Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG und damit im Rang einfachen Bundesrechts.

Anmerkung: Siehe hierzu nur BVerfG, 2 BvR 254/88 und 1343/88 v. 29.5.1990 = BVerfGE 82, 106, 115; BVerfG, 2 BvR 1481/04 v. 14. 10. 2004, Abs. 30 ff. = BVerfGE 111, 307, 315 ff.; BVerfG, 2 BvR 2333/08 u. a. v. 4. 5. 2011, Abs. 87 = BVerfGE 128, 326, 367; BVerfG, 2 BvR 1048/11 v. 20.6.2012, Abs. 91 = BVerfGE 131, 268, 295 f.; BVerfG, 2 BvR 1738/12 u. a. v. 12.6.2018, Abs. 127 = BVerfGE 148, 296, 350 f.; BVerfG (K), 1 BvR 2103/16 v. 3.6.2022, Abs. 45  = NJW 2022, 2677 Abs. 45.

Hieraus folgt dann aber auch, dass deutsche Behörden und Gerichte zur Beachtung der EMRK (in ihrer Konkretisierung durch den EGMR) schon aus Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet sind.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 2 BvR 1481/04 v. 14. 10. 2004, Abs. 45 f. = BVerfGE 111, 307, 322; BVerfG (K), 2 BvR 209/14 u. a. v. 18.12.2014, Abs. 41 = NJW 2015, 1083 Abs. 41.

Dabei ist auch bei ihrer innerstaatlichen Anwendung nicht zwischen der EMRK als solcher und ihrer Auslegung durch den EGMR zu differenzieren, da der Bundesgesetzgeber mit seiner Zustimmung auch zum besonderen Rechtsschutzsystem der Art. 19 ff. EMRK unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass für die letztverbindliche Auslegung der EMRK der EGMR zuständig ist.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, EuR Rn. 18a; siehe hierzu auch BVerfG (K), 1 BvR 2103/16 v. 3.6.2022, Abs. 45  = NJW 2022, 2677 Abs. 45.

Grundsätzlich kann sich Frau Thalflug somit gegenüber dem Bund bzw. dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf die EMRK als unmittelbar geltendes Recht berufen.

2. Auslegung des Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR

Insoweit ist hier von Bedeutung, dass EGMR mit sehr ausführlicher Begründung im Hinblick auf neuere Entwicklungen im Recht der Mitgliedstaaten und im internationalen Recht aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsinformationen hergeleitet.

Anmerkung: Siehe hierzu EGMR (GK), 18030/11 v. 8.11.2016, Abs. 149 ff. - Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn = NVwZ 2017, 1843 ff. (Übersetzung). Siehe ferner diese Zusammenstellung der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR (auf dieser Webseite finden sich auch weiter Quellen zur Bedeutung des "Europaratsverwaltungsrechts" für die Entwicklung von paneuropäischen allgemeinen Rechtsgrundsätzen zur Informationsfreiheit und Verwaltungstransparenz.

Allerdings sollen sich wegen des engen Zusammenhangs der Informationsfreiheit des Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK zur Meinungsfreiheit des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht jedermann, sondern nur solche Personen hierauf berufen können, die - ähnlich wie die Presse - als "public watchdog" diese Informationen im Interesse der öffentlichen Meinungsbildung weiter verbreiten wollen. Zu diesem Personenkreis zählt der EGMR neben Presse- und Rundfunkunternehmen auch Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler, Sachbuchautoren sowie "Blogger" und sonstige "popular users of social media.

Anmerkung: Siehe hierzu EGMR (GK), 18030/11 v. 8.11.2016, Abs. 168 - Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn = NVwZ 2017, 1843 ff. (Übersetzung); ferner EGMR, 39325/20 v. 3.2.2022, Abs. 37  - Šeks ./. Kroatien (Absicht, ein Buch zu schreiben, reicht aus, ohne dass es notwendig ist, dass der Zugang zu der begehrten Information für dieses Buchvorhaben unerlässlich ist). In jüngeren Entscheidungen zu diesem Thema wird zudem der Zugangsanspruch auch dieses Personenkreises dahingehend beschränkt, dass ein generelles Interesse der Öffentlichkeit daran bestehen müsse, dass die Informationen, Daten oder Dokumente veröffentlicht wird, zu denen Zugang gefordert wird. Dies sei bei Informationen über das Privatleben anderer, die allenfalls die Sensationslust des Publikums befriedigen könne, jedenfalls nicht der Fall: EGMR, 10090/16 v. 26.7.2020, Abs. 81 ff. - Centre for Democracy and the Rule of Law ./. Ukraine = NVwZ-RR 2021, 89 ff. (Übersetzung). Deshalb hat der EGMR in einem weiteren Fall Informationszugangsansprüche aus Art. 10 Abs. 1 EMRK dann nicht als verletzt angesehen, wenn der Antragsteller die Gründe für sein Einsichtnahmebegehren nicht näher konkretisiert: EGMR, 44920/09, 8942/10 v. 30.1.2020, Abs. 40 ff. - Studio Monitori u. a. ./. Georgien.

Zu diesem Personenkreis würde Frau Thalflug grundsätzlich gehören: Sie arbeitet für eine Nachrichtenagentur, deren Aufgabe gerade die Weiterverbreitung von Informationen ist. Dennoch ist auszuschließen, dass sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des EGMR ein Anspruch gerade auf Teilnahme an einem von einer Behörde veranstalteten Presseflug mit anschließender Pressekonferenz ergibt. Der EGMR hat nämlich auch klargestellt, dass sich aus dem so anerkannten Informationszugangsanspruch keine allgemeine Pflicht des Staates ergeben kann, Informationen in einer bestimmten Form zur Verfügung zu stellen, zumindest wenn hiermit ein erheblicher Arbeitsaufwand verbunden ist.

Anmerkung: Näher hierzu EGMR, 70287/11 v. 6.1.2015, Abs. 25 - Weber ./. Deutschland = NVwZ 2016, 211 ff. (Übersetzung); ferner EGMR (GK), 18030/11 v. 8.11.2016, Abs. 169 f. - Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn = NVwZ 2017, 1843 ff. (Übersetzung); EGMR, 6106/16 v. 19.10.2021, Abs. 37 f. - Saure ./. Deutschland = NVwZ 2022, 533 ff. (Übersetzung).

Dem würde entsprechen, aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK jedenfalls keinen Anspruch auf eine bestimmte Form der Teilnahme an staatlich organisierten Informationsveranstaltungen herzuleiten, weil hier der Sache nach eben nicht ein Anspruch auf Zugang zu einer konkreten (bereit liegenden) Information geltend gemacht wird, sondern auf Teilhabe an einer staatlichen Veranstaltung auf der Informationen gewährt werden. Eine solche Zielrichtung enthält Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK nach der bisherigen Rechtsprechung des EGMR nicht.

Anmerkung: Siehe zur Bedeutung der Entscheidung EGMR (GK), 18030/11 v. 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottság ./. Ungarn ausführlich: Engelbrecht, ZD 2018, 108 ff.; Mowbray, European Public Law 23 (2017), 665, 680 ff.; Stelkens/Andrijauskaitė, in: Stelkens/Andrijauskaitė (Hrsg.), Good Administration and the Council of Europe – Law, Principles and Effectiveness, 2020, Rn. 1.48 ff.; Surrel, Revue trimestrielle des droits de l’homme 28 (2017), 623 ff.

3. Ergebnis zu III

Frau Thalflug hat somit keinen Anspruch auf Teilnahme an Presseflug und Pressekonferenz aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK.

Anmerkung: Das BVerwG nimmt generell an, dass für Presseunternehmen aus Art. 10 Abs. 1 EMRK in der Regel keine weitergehenden Rechte folgen als aus den sich aus den Landespressegesetzen und den unmittelbar grundrechtsgestützten presserechtlichen Auskunftsanspruch (hierzu Erster Teil B V): BVerwG, 10 C 3/20 v. 28.10.2021, Abs. 28 = BVerwGE 174, 66 Abs. 28; BVerwG, 10 C 5/20 v. 28.10.2021, Abs. 28 = BVerwGE 174, 72 Abs. 28.

IV. Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG (Informationsfreiheit)

Nach ständiger Rechtsprechung kann Frau Thalflug auch keinen Anspruch auf Teilnahme an den Presseflügen und der anschließenden Pressekonferenz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG (Informationsfreiheit) herleiten, weil dieses Grundrecht nach bisher ganz herrschender Meinung keinen Anspruch darauf gibt, dass die Verwaltung allgemein zugängliche Quellen (durch Offenlegung von Informationen) schafft, sondern nur darauf, dass die Verwaltung den Bürger nicht daran hindert, dass er sich aus allgemein zugänglichen Quellen unterrichtet. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle nur dann, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Dementsprechend umfasst Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Informationszugang jedenfalls dann, wenn eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist.

Anmerkung: So deutlich jetzt wieder: BVerfG, 1 BvR 1978/13 v. 20.6.2017, Abs. 20 = BVerfGE 145, 365, 372 f.; ebenso BVerfG, 1 BvR 2623/95 u. a. v. 24.1.2001, Abs. 57 = BVerfGE 103, 44, 60; siehe ferner (Informationszugangsansprüche nach Informationsfreiheitsgesetzen seien nicht grundrechtlich fundiert): BVerwG, 6 A 7/18 v. 18.9.2019, Abs. 14 = BVerwGE 166, 303 Abs. 14; ebenso bereits BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Abs. 18 = BVerwGE 47, 247, 251 f.

Nicht durchsetzen konnte sich bisher dementsprechend eine weitergehende Ansicht, die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG (ggf. i.V.m. dem Demokratieprinzip) einen (ungeschriebenen) allgemeinen Anspruch auf Zugang zu bei der Verwaltung vorhandenen Informationen herleitet.

Anmerkung: Für eine solche Sichtweise z. B. Wegener, Der geheime Staat – Arkantradition und Informationsfreiheit, 2006, S. 480 ff.; siehe hierzu auch Nolte, NVwZ 2018, 521, 522 ff.

Jedoch könnte die geschilderte (s. o. Erster Teil B III 2) neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK Auswirkungen auf die Interpretation des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG haben.

Anmerkung: Siehe insoweit auch BVerfG, 1 BvR 1978/13 v. 20.6.2017, Abs. 29 = BVerfGE 145, 365, 377; BVerwG, 10 C 18/19 v. 30.1.2020, Abs. 37 ff. = BVerwGE 167, 319 Abs. 37 ff.

Denn das BVerfG hat schon früh festgestellt, dass bei der Auslegung des Grundgesetzes auch Inhalt und Entwicklungsstand der Europäischen Menschenrechtskonvention in Betracht zu ziehen, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt, eine Wirkung, die die Konvention indes selbst ausgeschlossen wissen will (Art. 53 EMRK). Es erkennt damit an, dass die Rechtsprechung des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes ist.

Anmerkung: Grundlegend BVerfG, 2 BvR 589/79 v. 26.3.1987 = BVerfGE 74, 358, 370; ferner z. B. BVerfG, 2 BvR 1481/04 v. 14.10.2004, Abs. 32 = BVerfGE 111, 307, 317 - Görgülü; BVerfG, 2 BvR 2365/09 u. a. v. 8.2.2011, Abs. 88 = BVerfGE 128, 326, 367 f.; BVerfG, 2 BvR 1738/12 u. a. v. 12.6.2018, Abs. 128 = BVerfGE 148, 296, 351; BVerfG, 2 BvR 206/14 v. 27.4.2021, Abs. 70 = BVerfGE 158, 1, 36 f. - Ökotox-Daten; BVerfG (K), 2 BvR 745/18 v. 18.9.2018, Abs. 40 ff. = NJW 2019, 41 Abs. 40 ff.; BVerfG (K), 2 BvR 2628/18 v. 20.5.2020, Abs. 26 = NJW 2021, 223 Abs. 26; BVerfG (K), 1 BvR 2103/16 v. 3.6.2022, Abs. 49 = NJW 2022, 2677 Abs. 45.

Ob die neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK tatsächlich eine entsprechende Neuinterpretation auch des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erzwingt, kann hier jedoch dann dahinstehen, da eine solche Neuinterpretation des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Lichte neuerer Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK jedenfalls nicht weiter gehen würde als eben diese Rechtsprechung des EGMR. Insoweit ist bereits darauf hingewiesen wurden, dass sich nach dieser Rechtsprechung auch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK wohl kein Anspruch auf Teilnahme an staatlichen Informationsveranstaltungen herleiten lässt (s. o. Erster Teil B III 2). Dementsprechend wird sich ein solcher Anspruch auch nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben können, selbst wenn man ihn im Lichte der neueren Rechtsprechung zu Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK interpretiert.

Anmerkung: Zur (jeweils verneinten) Frage, inwieweit die neuere Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 EMRK zu einer Änderung der Interpretation verfassungsrechtlich und einfachrechtlich begründeter Informationszugangsrechte führt: BVerwG, 7 C 24/15 v. 29.6.2017, Abs. 45 = BVerwGE 159, 194 Abs. 45; VGH Mannheim, 10 S 1478/16 v. 16.5.2017, Abs. 47, 52 f. = NVwZ 2018, 750 Abs. 45, 51; OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 83 f. = NJW 2017, 3458 Abs. 47.

V. Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG (Pressefreiheit)

Dagegen könnte sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG (Pressefreiheit) ein solcher Anspruch ergeben.

1. Existenz eines unmittelbar grundrechtsgestützten pressefreiheitlichen Auskunftsanspruchs

Das BVerwG hat die Existenz eines unmittelbar aus der Pressefreiheit hergeleiteten Anspruchs auf Informationen gegenüber der öffentlichen Hand zwar zunächst abgelehnt: Der Verfassungsgeber habe es den Gesetzgebern von Bund und Ländern überlassen, in Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Interessen mit dem publizistischen Informationsinteresse zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Informationsanspruch der Presse gegenüber behördlichen Regelungen besteht.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 7 C 139.81 v. 13.12.1984, 15 ff. = BVerwGE 70, 310, 312 ff.; BVerwG, 7 C 14.90 v. 3.8.1990 = BVerwGE 85, 283, 284 f.

Nunmehr geht das BVerwG jedoch davon aus, dass dann, wenn der zuständige Gesetzgeber untätig bleibe, unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden (müsse und) könne.

Anmerkung: So BVerwG, 6 A 2.12 v. 20.2.2013, Abs. 29 = BVerwGE 146, 56 Abs. 29; BVerwG, 6 VR 1/15 v. 20.7.2015, Abs. 6 = NVwZ 2015, 1383, Abs, 6; BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 23 ff. = BVerwGE 151, 348 Abs. 23 ff.; BVerwG, 6 VR 2/15 v. 22.9.2015, Abs. 12 = NVwZ 2016, 945 Abs. 12; BVerwG, 6 C 65/14 v. 16.3.2016, Abs. 13 = BVerwGE 154, 222 Abs. 13; BVerwG, 6 C 66/14 v. 16.3.2016, Abs. 12 = NVwZ 2016, 1023 Abs. 12; BVerwG, 6 VR 1/17 v. 26.10.2017, Abs. 17 ff. = NVwZ 2018, 414 Abs. 17 ff.; BVerwG, 6 VR 1/17 v. 26.10.2017, Abs. 18 = NVwZ 2018, 414 Abs. 18; BVerwG, 6 VR 1/18 v. 11.4.2018, Abs. 14 ff. = NVwZ 2018, 902 Abs. 14 ff.; BVerwG, 7 C 6/17 v. 25.10.2018, Abs. 13 = NVwZ 2019, 479 Abs. 13; BVerwG, 6 VR 1/21 v. 23.3.2021, Abs. 11 f. = NVwZ-RR 2021, 663 Abs. 16 f.; BVerwG, 6 A 10/20 v. 8.7.2021, Abs. 17 = BVerwGE 173, 118 Abs. 17.

Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folge eine Pflicht des Gesetzgebers, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten, die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst ermöglichen, ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktionen zu erfüllen, die in der repräsentativen Demokratie unerlässlich sind.

Anmerkung: So BVerwG, 6 A 5/13 v. 27.11.2013, Abs. 22 = NJW 2014, 1126 Abs. 22; BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 11 ff. = BVerwGE 151, 348 Abs. 11 ff.; BVerwG, 6 A 10/20 v. 8.7.2021, Abs. 17 = BVerwGE 173, 118 Abs. 17; BVerwG, 10 C 5/20 v. 28.10.2021, Abs. 21 = BVerwGE 174, 72 Abs. 21; OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 22 ff. = NJW 2017, 3458 Abs. 10 ff. ausführlich hierzu Cornils, DÖV 2013, 657, 664 f.; Ehlers/Vorbeck, in: Festschrift für Götz Frank, 2014, S. 223, 239 ff.

Ohne einen solchen Rückgriff, der den objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt des Grundrechts in einen subjektiv-rechtlichen Anspruch umschlagen lasse, liefe die Pressefreiheit in ihrem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt leer.

Anmerkung: So BVerwG, 6 A 5/13 v. 27.11.2013, Abs. 23 = NJW 2014, 1126 Abs. 23; deutlich auch Partsch, NJW 2013, 2858, 2859; a. A. Pieper, DVBl. 2020, 921 ff. (Ansprüche nach dem IFG des Bundes würden ausreichen, so dass es keines Rückgriffs auf einen "verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch" bedürfe).

Jedoch könne sich aus dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch nur das Niveau eines "Minimalstandards" ergeben, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte. Danach ende das verfassungsunmittelbare Auskunftsrecht von Pressevertretern dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstünden. Insoweit könnten die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) als Orientierungshilfe herangezogen werden, um den Stellenwert zu bestimmen, der bestimmten Vertraulichkeitsinteressen zukommt. Seien solche schutzwürdigen Interessen nicht erkennbar, wäre aber auch eine gesetzliche Bestimmung, welche der Presse die Auskunft verwehrte, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den hierin angelegten Ausgestaltungsdirektiven nicht vereinbar.

Anmerkung: So BVerwG, 6 VR 2/15 v. 22.9.2015, Abs. 15 = NVwZ 2016, 945 Abs. 15; ferner BVerwG, 6 VR 1/15 v. 20.7.2015, Abs. 8 ff. = NVwZ 2015, 1383 Abs. 8 ff.; BVerwG, 6 C 12/14 v. 25.3.2015, Abs. 25 ff. = BVerwGE 151, 348 Abs. 25 ff.; BVerwG, 10 C 18/19 v. 30.1.2020, Abs. 28 ff. = BVerwGE 167, 319 Abs. 28 ff.; OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 31 ff. = NJW 2017, 3458 Abs. 15 ff.

2. Inhalt eines unmittelbar grundrechtsgestützten pressefreiheitlichen Auskunftsanspruchs

Ob diese Ansicht des BVerwG tatsächlich zutrifft und sich deshalb sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG ein Auskunftsanspruch Frau Thalflugs gegenüber dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr ergeben kann, braucht hier aber letztlich nicht geklärt zu werden.

Anmerkung: Ablehnend etwa Blome NVwZ 2016, 1211, 1214 ff. Die Rechtsprechung des BVerwG deckt sich insoweit zumindest im Ergebnis mit der neueren Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK (s. o. Erster Teil B III 2), der auch für die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG (Pressefreiheit) zuzumessen ist (s. o. Erster Teil B IV).

Auch das BVerfG hat diese Frage nämlich bisher dahin gestellt lassen und klargestellt, dass ein solcher Mindestanspruch inhaltlich jedenfalls nicht weiter reichen könne als die sich aus den Landespressegesetze ergebenden Ansprüche.

Anmerkung: So BVerfG (K), 1 BvR 1452/13 v. 27.7.2015, Abs. 12 = NVwZ 2016, 50, 51; ferner BVerwG, 6 C 65/14 v. 16.3.2016, Abs. 17 = BVerwGE 154, 222 Abs. 17. Siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, 6 S 58/21 v. 22.2.2022, Abs. 6 f. = ZGI 2022, 142 Abs. 6 f.: Kein Informationsbeschaffungsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG.

Daher würde selbst ein unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG hergeleiteter Presseauskunftsanspruch daran scheitern, dass Frau Thalflug eben nicht Auskünfte verlangt, sondern freiwillig vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit erbrachte Eigeninformationen begehrt bzw. eine bestimmte Form der Auskunftserteilung beansprucht.

Anmerkung: So noch BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Abs. 21 = BVerwGE 47, 247, 252. Nach Auffassung des BVerwG (BVerwG, 6 A 5/13 v. 27.11.2013, Abs. 24 = NJW 2014, 1126 Abs. 24) begründet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG etwa grundsätzlich auch keinen unmittelbaren Anspruch auf Aktennutzung durch Einsichtnahme in Behördenakten (ebenso BVerwG, 10 C 3/20 v. 28.10.2021, Abs. 25 = BVerwGE 174, 66 Abs. 25; OVG Lüneburg, 10 ME 269/20 v. 8.1.2021 = NdsVBl. 2022, 24, 25; differenzierend jedoch BVerwG, 10 C 18/19 v. 30.1.2020, Abs. 31 = BVerwGE 167, 319 Abs. 31; OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 73 ff. = NJW 2017, 3458 Abs. 41 ff.). Nach Auffassung des BVerfG (BVerfG [K], 1 BvR 1452/13 v. 27.7.2015, Abs. 15 f. = NVwZ 2016, 50, 51) ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 GG auch kein Anspruch der Presse auf Generierung und Verschaffung von Informationen und sonstigem Material, sondern nur auf Weitergabe bereits bei der Behörde vorhandenen Informationen (ebenso BVerwG, 10 C 1/20 v. 26.4.2021, Abs. 24  = BVerwGE 172, 222 Abs. 24; BVerwG, 6 A 10/20 v. 8.7.2021, Abs. 22 = BVerwGE 173, 118 Abs. 22.

3. Ergebnis zu V

Daher lässt sich hier auch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG (Pressefreiheit) kein Anspruch Frau Thalflugs auf Teilnahme am Presseflug und der anschließenden Pressekonferenz herleiten.

VI. Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG

Jedoch könnte sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG ein Anspruch Frau Thalflugs ergeben, zur Teilnahme am Presseflug und der anschließenden Pressekonferenz vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (durch die Deutsche Lufthansa AG) eingeladen zu werden.

1. Anspruch auf Teilnahme an Presseflügen

Soweit ein Anspruch auf Teilnahme an den Presseflügen erhoben wird, bleibt jedoch die Notwendigkeit zu einer zahlenmäßigen Beschränkung zu berücksichtigen, so dass Frau Thalflug lediglich einen Anspruch darauf haben kann, ermessensfehlerfrei in die Teilnehmerauswahl einbezogen zu werden.

Anmerkung: Vgl. im Einzelnen BVerwG, I C 30.71 v. 3.12.1974, Abs. 24 ff. = BVerwGE 47, 247, 253 ff.

Die getroffene Entscheidung, Frau Thalflug nicht einzuladen, müsste daher i.S.d. § 40 des (nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 anwendbaren) VwVfG des Bundes, § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO u. a. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens berücksichtigen.

Die gesetzlichen Grenzen ergeben sich vorliegend aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung für die Pressefreiheit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG). Dies verlangt, dass der notwendigen Auswahlentscheidung im vorliegenden Fall sachgerechte, nicht willkürliche Kriterien zu Grunde gelegt werden. Die Überlegung, Journalisten den Vorzug zu geben, die den Belangen des Luftverkehrs Verständnis entgegenbrächten, dürfte insoweit kein geeignetes Auswahlkriterium sein, weil damit offenbar versucht wird, die Informationserteilung auf solche Journalisten zu beschränken, die eine positive Berichterstattung erwarten lassen (anders, wenn auf die Fachkunde der Journalisten und die bisherige fachjournalistische Betätigung abgestellt werden soll). Die Beschränkung auf inländische Journalisten kann hingegen als sachgerecht angesehen werden, weil die Information über die Luftverkehrspolitik, insbesondere über neue Flughafenprojekte, in erster Linie für die Berichterstattung im Inland Bedeutung haben dürfte.

Daher stellt sich die Frage, welche Rolle es spielt, wenn eine Ermessensentscheidung teilweise auf Motive gestützt wird, die mit den Vorgaben des § 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO nicht vereinbar sind, teilweise aber auch auf Motive, die der Sache nach als vertretbare Ausfüllung des Ermessensrahmens zu werten sind (Fall des sog. Motivbündels). Nach ständiger Rechtsprechung ist insoweit zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden: Eine auf mehrere Gründe gestützte Ermessensentscheidung kann grundsätzlich selbst dann rechtmäßig sein, wenn die Berücksichtigung einer der herangezogenen Gründe "an sich" ermessensfehlerhaft wäre, sofern die Behörde erkennbar davon ausgeht, dass jeder der herangezogenen Gründe die Ermessensentscheidung alternativ tragen würde. Umgekehrt ist eine solche Ermessensentscheidung dann insgesamt ermessensfehlerhaft, wenn nur alle Gründe gemeinsam die Entscheidung kumulativ tragen sollen.

Anmerkung: So etwa BVerwG, 1 C 169.79 v. 19.5.1981, Abs. 22 = BVerwGE 62, 215, 222; BVerwG, 2 C 53.86 v. 26.11.1987, Abs. 26 = BVerwG NJW 1988, 783, 784; OVG Lüneburg, 1 ME 31/15 v. 11.5.2015, Abs. 21 = NdsVBl. 2015, 304, 305; OVG Münster, 11 A 2057/17 v. 13.5.2019, Abs. 37 f. = DVBl. 2019, 1217 Abs. 37 f.; BFH, V R 62/14 v. 18.2.2016, Abs. 28 f. = NVwZ-RR 2016, 513 Abs. 28 f.

Hier ist nach dem Sachverhalt recht eindeutig, dass die von der Deutschen Lufthansa AG für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr vorgebrachten Gründe alternativ die Nichteinladung von Frau Thalflug rechtfertigen sollten, so dass nach diesen Grundsätzen im Ergebnis ein Ermessensfehler nicht erkennbar ist.

2. Anspruch auf Teilnahme an Pressekonferenz

Soweit es um die Teilnahme an der Pressekonferenz geht, ist dagegen auch fraglich, ob der - im Wesentlichen durch eine für den Flug notwendige Eingrenzung der Teilnehmerzahl motivierte - Ausschluss ausländischer Journalisten sachlich gerechtfertigt ist, da sich eine erhöhte Teilnehmerzahl an der Konferenz durch die Auswahl eines größeren Raumes unproblematisch bewältigen lässt (während man bezogen auf den Flug nicht ohne weiteres verlangen kann, dass ein größeres Flugzeug zur Verfügung gestellt wird). Hier wird man daher eine zahlenmäßige Begrenzung der Teilnehmerzahl nicht ohne weiteres für notwendig und damit auch einen Ausschluss ausländischer Journalisten nicht ohne weiteres als gerechtfertigt ansehen können.

Anmerkung: Siehe hierzu Jarass, DÖV 1986, 721, 723.

3. Ergebnis VI

Somit lässt sich auch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG nur ein Anspruch gegen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf Einladung zur Pressekonferenz herleiten, nicht aber zur Teilnahme an dem Presseflug.

VII. Ergebnis zu B

Frau Thalflug hat daher gegen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr nur einen Anspruch auf Einladung zur Teilnahme an der Pressekonferenz nicht aber zur Teilnahme an dem Presseflug.

C) Ergebnis des Ersten Teils

Materiellrechtlich kann daher Frau Thalflug die Teilnahme an dem Presseflug in acht Wochen verweigert werden; soweit sie vorträgt, sie müsse jedenfalls zu der Pressekonferenz eingeladen werden, ist dagegen der Anspruch (nur) gegen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr begründet, während jegliche Ansprüche gegenüber der Deutschen Lufthansa AG ausscheiden.

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Zweiter Teil: Gerichtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Teilnahme an der Pressekonferenz

Da von vornherein nur ein Anspruch auf Teilnahme an der Pressekonferenz in Betracht kommt, ein Anspruch auf Teilnahme an dem Presseflug selbst jedoch nicht gegeben ist, wird Rathgeber nur die Einleitung gerichtlicher Schritte bezüglich der Teilnahme an der Pressekonferenz empfehlen. Da diese Pressekonferenz schon in acht Wochen stattfinden soll, erscheint nur ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sinnvoll, da nicht anzunehmen ist, dass eine gerichtliche Entscheidung über eine entsprechende Klage innerhalb von acht Wochen ergehen wird. Insoweit käme ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht. Ein solcher Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

Anmerkung: Zur Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags nach § 123 VwGO siehe auch den Baumfällig-Fall, den Obdachlos-Fall und den Parteilichkeit-II-Fall.

A) Zulässigkeit

Der Antrag ist zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 123 VwGO vorliegen.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 123 VwGO ist zunächst, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, also eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt, mithin die VwGO anwendbar ist. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen dem öffentlichen Recht angehören. Öffentlich-rechtlicher Natur sind diejenigen Rechtsnormen, die einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.

Anmerkung: Siehe hierzu nur BVerwG, 10 B 1/20 v. 26.5.2020, Abs. 6 = NVwZ 2020, 1363 Abs. 6.

Vorliegend sind öffentlich-rechtliche Normen für die Streitentscheidung maßgeblich, da Frau Thalflug einen Anspruch auf Teilnahme an der Pressekonferenz nur unmittelbar aus den Grundrechten herleiten kann und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr die Pressekonferenz schlicht-hoheitlich durchführt. Somit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO eröffnet.

Anmerkung: Siehe auch BVerwG, 10 C 1/20 v. 26.4.2021, Abs. 12 ff.  = BVerwGE 172, 222 Abs. 12 ff.: "Der Auskunftsanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 MStV begründet zwischen dem Auskunftsberechtigten und dem Auskunftsverpflichteten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Die gesetzliche Verpflichtung, Rundfunkveranstaltern Auskünfte zu erteilen, knüpft spezifisch an die besondere Pflichtenstellung der auskunftspflichtigen Stelle als Behörde an und verpflichtet diese nicht (nur) als Teilnehmerin am allgemeinen Rechtsverkehr."

II. Statthaftigkeit des Antrags

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nur statthaft, wenn nicht ein Fall der § 80, § 80 a VwGO vorliegt, also im Hauptsacheverfahren keine Anfechtungsklage, sondern eine Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage statthaft wäre.

1. Anwendbarkeit des § 123 VwGO

Da Frau Thalflug sich hier nicht gegen einen sie belastenden Verwaltungsakt wehren, sondern einen Anspruch auf Teilnahme an der Pressekonferenz durchsetzen will, sind § 80 oder § 80 a VwGO vorliegend nicht einschlägig, so dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO grundsätzlich statthaft ist.

Anmerkung: Damit ist die Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO eigentlich geklärt. Es muss daher an dieser Stelle eigentlich nicht mehr untersucht werden, welche Klageart im Hauptsacheverfahren (Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklage) statthaft wäre. Da aber vorläufiger Rechtsschutz sinnvollerweise nur zu gewähren ist, wo auch ein Hauptsacheverfahren zulässig wäre und sich die Zulassungsvoraussetzungen für Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklagen im Einzelnen unterscheiden muss dennoch an irgend einer Stelle der Prüfung geklärt werden, welche Klageart im Hauptsacheverfahren statthaft wäre. Es dürfte am Übersichtlichsten sein, diese Prüfung bei der statthaften Antragsart vorzunehmen, wie wir dies im Folgenden tun, obwohl es streng genommen an dieser Stelle nicht darauf ankommt. Letztlich ist dies eine Frage des Geschmacks.

Tatsächlich wäre im Hauptsacheverfahren eine allgemeine Leistungsklage statthaft. Diese Klageart ist in der VwGO nicht besonders geregelt, wird jedoch in einer Reihe von Vorschriften erwähnt (vgl. § 43 Abs. 2, § 111, § 113 Abs. 4, § 191 Abs. 1 VwGO) und ist im Verwaltungsprozess allgemein als zulässig anerkannt. Sie bildet das Rechtsschutzverfahren zur Verwirklichung von öffentlich-rechtlichen Leistungsansprüchen, die nicht im Erlass eines Verwaltungsaktes bestehen. Eine solche allgemeine Leistungsklage wäre hier zulässig, da auch die Zulassung zur Teilnahme an der Pressekonferenz keinen Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, des § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder darstellt, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.

Anmerkung: Zum Verwaltungsaktbegriff der VwGO siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15.

Einer solchen Zulassung oder Einladung fehlt erkennbar der Regelungscharakter: Das Einladungsschreiben selbst verpflichtet jedenfalls weder das Bundesministerium für Digitales und Verkehr noch die Deutsche Lufthansa AG zur tatsächlichen Durchführung des Pressefluges. Sie sollen erkennbar dem Eingeladenen keinen Anspruch auf Teilnahme gewähren. Damit liegt auch in der Entscheidung, wer eingeladen werden soll, keine verbindliche Regelung; es wird vielmehr lediglich eine Einladung ausgesprochen oder abgelehnt.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 99 ff. Dem entspricht, dass die Rechtsprechung auch annimmt, dass die presserechtlichen Auskunftsansprüche mit der allgemeinen Leistungsklage und nicht mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen sind: BVerwG, 6 A 7/18 v. 18.9.2019, Abs. 9 = BVerwGE 166, 303 Abs. 9; BVerwG, 6 A 10/20 v. 8.7.2021, Abs. 15 = BVerwGE 173, 118 Abs. 15; BVerwG, 10 C 3/20 v. 28.10.2021, Abs. 23 = BVerwGE 174, 66 Abs. 23; OVG Lüneburg, 10 ME 204/17 v. 25.10.2017 = NJW 2018, 487 Abs. 25 m.w.N.

2. Möglichkeit einer Leistungsanordnung?

Streng genommen liegt jedoch keiner der Fälle des § 123 Abs. 1 VwGO vor: Ein Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt nicht vor (Fall der sog. Sicherungsanordnung), da es hier nicht darum geht, die Vereitelung der Rechte von Frau Thalflug durch Veränderung des status quo zu schützen, sondern gerade diesen status quo zu verändern, um ihre Rechte durchzusetzen.

Anmerkung: Siehe zu einem Fall der Sicherungsanordnung den Baumfällig-Fall.

Ein Fall des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt nicht vor (Fall der sog. Regelungsanordnung), weil mit einer Verpflichtung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, Frau Thalflug zur Pressekonferenz in acht Wochen zuzulassen, kein vorläufiger Zustand geregelt wird, sondern vollendete, irreversible Tatsachen geschaffen würden.

Anmerkung: Siehe zu einem Fall der Regelungsanordnung den Parteilichkeit-II-Fall.

Jedoch folgt hieraus allein nicht ohne weiteres, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft wäre. Vielmehr wird grundsätzlich auch der Erlass einer Leistungsanordnung, mit der eine teilweise Befriedigung des Anspruchs des Antragstellers erreicht werden kann, für statthaft gehalten. Teilweise wird angenommen, dass der Erlass solcher Leistungsverfügungen noch vom Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sei.

Anmerkung: So Schoch, in: Schoch/Schneider, § 123 Rn. 51.

Teilweise wird demgegenüber angenommen, dass sich die Statthaftigkeit einer Leistungsanordnung letztlich aus einer entsprechenden Anwendung zivilprozessualer Grundsätze ergebe.

Anmerkung: So Pietzner/Ronellenfitsch, Rn. 1661 f.

3. Ergebnis zu II

Dementsprechend ist vorliegend ein Antrag nach § 123 VwGO in der Form der Leistungsanordnung statthaft.

III. Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

Da vorläufiger Rechtsschutz sinnvollerweise nur zu gewähren ist, wo auch ein Hauptsacheverfahren zulässig wäre, ist § 42 Abs. 2 VwGO auf das Verfahren nach § 123 VwGO analog anzuwenden, wenn auch im Hauptsacheverfahren § 42 Abs. 2 VwGO anwendbar ist.

§ 42 Abs. 2 VwGO ist bei der allgemeinen Leistungsklage zwar nicht unmittelbar, jedoch analog anzuwenden. In § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG ist er, wenn auch nicht ausschließlich (siehe § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO), so doch in erster Linie, auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet. Wollte man die allgemeine Leistungsklage - im Gegensatz zur Verpflichtungsklage als einer besonderen Leistungsklage - von dieser Grundentscheidung ausnehmen, käme es zu Wertungswidersprüchen, die in der Sache nicht gerechtfertigt werden könnten.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 7 C 21.12 v. 5.9.2013, Abs. 18 = BVerwGE 147, 312 Abs. 18; BVerwG, 1 C 3/15 v. 5.4.2016, Abs. 16 = BVerwGE 154, 328 Abs. 16.

Frau Thalflug müsste dementsprechend geltend machen können, dass ihr ein Anspruch auf Teilnahme an der Pressekonferenz zusteht. Dass sich ein solcher Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG ergibt, erscheint nicht als von vornherein ausgeschlossen. Frau Thalflug wäre daher im Hauptsacheverfahren klagebefugt.

IV. Zuständiges Gericht

Sachlich und örtlich zuständig für einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung wäre nach § 123 Abs. 2 i.V.m. § 45, § 52 Nr. 5 VwGO das Verwaltungsgericht Berlin.

V. Passive Verfahrensbefugnis

Der Antrag ist gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten. Auf die allgemeine Leistungsklage findet § 78 VwGO keine Anwendung, so dass insoweit das allgemeine Rechtsträgerprinzip gilt.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Lüneburg, 10 ME 204/17 v. 25.10.2017 = NJW 2018, 487 Abs. 25 f. Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO ferner diesen Hinweis. Im Falle einer Verpflichtungsklage wäre die Bundesrepublik Deutschland auch dann passiv prozessführungsbefugt, wenn das Land Berlin von der Ermächtigung des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht hätte, da weitgehend anerkannt ist, dass sich die Befugnis des Landesgesetzgebers nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht darauf erstreckt, auch Bundesbehörden für passiv prozessführungsbefugt zu erklären (Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, § 78 Rn. 43).

VI. Vorverfahren

Da nur für den Fall einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, nicht aber für die allgemeine Leistungsklage ein Vorverfahren durchzuführen ist, ist die (fortbestehende) Möglichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens nach den §§ 68 ff. VwGO nicht Voraussetzung für den Erlass der einstweiligen Anordnung.

VII. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)

Frau Thalflug und die Bundesrepublik Deutschland sind gemäß § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig.

VIII. Ergebnis zu A

Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wäre somit zulässig.

B) Begründetheit

Der Antrag auf Erlass der begehrten Leistungsanordnung ist in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begründet, wenn Frau Thalflug gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft machen kann, dass der zu sichernde Anspruch auf Zulassung zur Pressekonferenz nach materiellem Recht überhaupt besteht (sog. Anordnungsanspruch) und es zur Beseitigung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen als nötig erscheint, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zu verpflichten, Frau Thalflug zur Teilnahme an der Pressekonferenz in acht Wochen einzuladen bzw. ihr Zutritt zu dieser Konferenz zu gewähren (sog. Anordnungsgrund).

I. Anordnungsanspruch

Dass Frau Thalflug nach materiellem Recht einen Anspruch auf Teilnahme an der Pressekonferenz hat, ist bereits dargelegt worden (s.o. Erster Teil). Da der Sachverhalt unstreitig sein dürfte, wird sie ihn auch glaubhaft machen können.

Anmerkung: Oft findet sich bei der Prüfung des § 123 VwGO die Formel, dass das Bestehen des Anordnungsanspruchs aufgrund einer summarischen Prüfung bestehen muss. Diese Formel bedeutet - wie das "Glaubhaftmachen" des Anordnungsanspruchs - im vorliegenden Zusammenhang meist nur, dass bezüglich der Tatsachengrundlage kein Beweis erhoben werden muss, der Sachverhalt also nicht zur vollständigen Überzeugung des Gerichts (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) feststehen muss, sondern das Gericht sich mit Wahrscheinlichkeiten begnügen kann. Rechtsfragen werden dagegen in der Regel nicht summarisch, sondern vollständig durchgeprüft (vgl. hierzu Happ, in: Eyermann, § 123 Rn. 48; Schoch, in: Schoch/Schneider, § 123 Rn. 62, 69), und genau das wird jedenfalls auch im Examen erwartet (siehe zur Frage der [Un-]Möglichkeit "guter" summarischer Rechtsprüfungen auch Heinemann, NVwZ 2019, 517 ff.). Siehe hierzu ferner den Baumfällig-Fall, den Obdachlos-Fall und den Parteilichkeit-II-Fall; ferner den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall zum Prüfungsmaßstab bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.

II. Anordnungsgrund

Fraglich ist demnach nur, ob auch ein Anordnungsgrund vorliegt, ob es also als nötig erscheint, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zu verpflichten, Frau Thalflug zur Teilnahme an der Pressekonferenz zuzulassen. Dies ist hier gegeben, da ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung die Durchsetzung des Anspruchs auf Teilnahme an der Pressekonferenz im Wege des Hauptsacheverfahrens aufgrund bloßen Zeitablaufs unmöglich werden würde.

1. Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache?

Jedoch ist fraglich, ob das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Bundesministerium für Digitales und Verkehr verpflichten kann, Frau Thalflug zur Pressekonferenz zuzulassen. Es darf nicht verkannt werden, dass mit dem Erlass einer solchen Anordnung Frau Thalflug letztlich so gestellt würde, als hätte sie bereits im Hauptsacheverfahren obsiegt, so dass das Ergebnis des Hauptsacheverfahren letztlich vorweggenommen würde. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass einer einstweiligen Anordnung wird jedoch weitgehend als mit dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes für unvereinbar gehalten, welcher grundsätzlich nur der Sicherung, nicht der Befriedigung bestehender Ansprüche dienen soll.

Anmerkung: Siehe hierzu Pietzner/Ronellenfitsch, Rn. 1648; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, § 123 Rn. 13.

Jedoch gilt das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht ausnahmslos: Vielmehr werden aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) Durchbrechungen dieses Verbots für zulässig gehalten, wenn das Recht des Antragstellers sonst vereitelt würde oder er sonst Nachteile erlitte, die bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könnten.

Anmerkung: Siehe hierzu umfassend Schoch, in: Schoch/Schneider, § 123 Rn. 141 ff.

Mit anderen Worten ist zu Gunsten des Antragstellers immer dann eine Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zulässig, wenn ohne Erlass einer solchen Anordnung durch bloßen Zeitablauf die Hauptsache letztlich zugunsten des Antragsgegners vorweggenommen würde.

Anmerkung: So Happ, in: Eyermann, § 123 Rn. 66a.

Teilweise wird jedoch für eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache darüber hinaus verlangt, dass es ohne Erlass der einstweiligen Anordnung zu untragbaren oder unzumutbaren Ergebnissen kommen muss, was letztlich bedeutet, dass es für den Antragsteller um existentielle Belange gehen muss.

Anmerkung: Vgl. Hufen, § 33 Rn. 18.

Folgt man der ersten Ansicht, wird man hier eine Vorwegnahme der Hauptsache für zulässig halten und damit den Antrag für begründet halten können. Folgt man der engeren Auffassung, dürfte vorliegend eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt sein, da man kaum wird sagen können, dass die Teilnahme gerade an der in acht Wochen stattfindenden Pressekonferenz für Frau Thalflug existentiell ist. Auch würde hierdurch nicht jeder Rechtsschutz gegen die Einladungspraxis des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr ausgeschlossen: Frau Thalflug verbliebe die Möglichkeit, im Wege der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO gegen den Bund Klage auf Feststellung zu erheben, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr nicht berechtigt ist, Frau Thalflug von der Teilnahme an Pressekonferenzen nur deshalb auszuschließen, weil sie Korrespondent einer ausländischen Nachrichtenagentur ist und sie den "Belangen des Luftverkehrs kein Verständnis entgegenbringt".

2. Gebotenheit einer Vorwegnahme der Hauptsache in presserechtlichen Angelegenheiten?

Gerade bezogen auf die Durchsetzung presserechtlicher Auskunftsansprüche im Wege der einstweiligen Anordnung verlangt jedoch das BVerfG eine besondere Berücksichtigung des grundrechtlich geschützte Interesse des Auskunftsberechtigten an einer hinsichtlich des Zeitpunkts möglichst selbstbestimmten Publikation von bestimmten Inhalten, die einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion leisten und möglicherweise auf erkannte Missstände hinweisen sollen Insoweit müsse die Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat bei der Beurteilung des Vorliegens "schweren Nachteils", bei dem allein eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache zulässig sei, angemessen berücksichtigt werden.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 1 BvR 23/14 v. 8.9.2014, Abs. 27 ff. = NJW 2014, 3711, 3712 f.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe, die Bevölkerung als Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung zu informieren, entscheide die Presse grundsätzlich selbst, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung sei Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse. Hierunter falle in zeitlicher Hinsicht auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Zwar genüge es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt werde, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen. Dies könne jedoch nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe; denn dies sei angesichts der Fähigkeit der Presse, selbst Themen zu setzen, immer denkbar. Vielmehr könne die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Anmerkung: Siehe zum Vorstehenden auch BVerwG, 6 VR 1/18 v. 11.4.2018, Abs. 11 ff. = NVwZ 2018, 902 Abs. 11; BVerwG, 6 VR 1/21 v. 23.3.2021, Abs. 12 ff. = NVwZ-RR 2021, 663 Abs. 12 ff.; VGH Kassel, 8 B 1938/19 v. 20.11.2019 = NVwZ-RR 2020, 445 Abs. 43; OVG Koblenz, 2 B 11397/20 v. 23.11.2020, Abs. 22 = K & R 2021, 70, 72; OVG Münster, 5 B 226/14 v. 19.9.2014, 19 ff. = NJW 2014, 3387, 3388 Abs. 7 ff.; OVG Münster, 15 B 1112/15 v. 17.3.2017, Abs. 61 ff. = NJW 2017, 3458 Abs. 33 ff.; strenger wohl OVG Lüneburg, 10 ME 204/17 v. 25.10.2017 = NJW 2018, 487 Abs. 18 f.; OVG Schleswig, 3 MB 13/22 v. 1.9.2022, Abs. 27 ff. = NordÖR 2023, 92, 93 f.; OVG Weimar, 4 EO 113/20 v. 23.3.2020, Abs. 65 = ThürVBl. 2021, 43, 47 f.

Aber auch unter Berücksichtigung dieses (strengeren presserechtlichen) Maßstabs hinsichtlich einer Ablehnung einer Vorwegnahme der Hauptsache erscheint eine solche auch hier nicht unbedingt zwingend: Die Nichtteilnahme von Frau Thalflug an der Pressekonferenz hindert sie nicht daran, sich für ihre Berichterstattung auf andere Weise zu unterrichten, insbesondere indem sie - unabhängig von der Pressekonferenz - selbst Auskunftsansprüche gegenüber dem Bundesministeriums für Digitales und Verkehr geltend macht. Jedenfalls müsste Frau Thalflug deutlich machen, warum ihrem Anliegen nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann.

3. Ergebnis zu II

Damit hängen die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung davon ab, ob das für die Entscheidung zuständige Verwaltungsgericht Berlin bezüglich der Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache eher eine strenge oder eine weniger strenge Linie verfolgt. Dass ein Anordnungsgrund bejaht wird, ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen.

III. Ergebnis zu B

Bejaht das Verwaltungsgericht Berlin das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, wäre der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung begründet. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, dass dies verneint wird. In diesem Fall wäre der Antrag unbegründet. Ob Frau Thalflugs Antrag vom Verwaltungsgericht Berlin als begründet angesehen wird, lässt sich somit nicht sicher voraussagen.

C) Ergebnis des Zweiten Teils

Rathgeber wird dementsprechend Frau Thalflug darüber aufklären müssen, dass es zwar Erfolg versprechend sein kann, einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht Berlin zu stellen, um den Bund zu verpflichten, sie zur Teilnahme an der in acht Wochen stattfindenden Pressekonferenz des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zuzulassen, dass es aber auch durchaus möglich ist, dass es das Verwaltungsgericht unter Berufung auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht für geboten hält, eine entsprechende Anordnung zu erlassen.

Als Alternative sollte Rathgeber Frau Thalflug daher die Erhebung einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO gegen den Bund vorschlagen, gerichtet auf Feststellung, dass das Bundesministerium für Digitales und Verkehr nicht berechtigt ist, Frau Thalflug von der Teilnahme an Pressekonferenzen nur deshalb auszuschließen, weil sie Korrespondentin einer ausländischen Nachrichtenagentur ist und sie den "Belangen des Luftverkehrs kein Verständnis entgegenbringt". Würde dieser Klage stattgegeben - wofür gute Chancen bestehen - würde dies zwar für die Pressekonferenz in acht Wochen zu spät sein, jedoch könnte hiermit eine endgültige Klärung für die Zukunft herbeigeführt werden. Denkbar wäre schließlich auch eine Kombination beider Verfahren.

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