Die Piätsch-Affaire
Stand der Bearbeitung: 23. Juni 2025
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Siehe:
hierzu die Gerichtsentscheidungen, der der Fall nachgebildet ist: VGH Kassel, II OE 59/67 v. 6.3.1968 = DÖV 1968, 574 ff.; OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966 = DÖV 1967, 571; VG Köln, 1 K 2078/62 v. 24.9.1964 = DVBl. 1965, 882 ff.;
weitere Gerichtsentscheidungen zur Abgrenzung von Regierung und Verwaltung und zur "Jusitzfreiheit" von Regierungsakten aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik: BVerwG, 7 C 6.62 v. 12.10.1962 = BVerwGE 15, 63 ff.; VGH Freiburg, 13/53 v. 15.2.1954 = DÖV 1954, 375 ff.; OVG Münster, VII B 682/58 v. 23.9.1958 = DVBl. 1959, 294 f.;
zur heutigen Haltung der Rechtsprechung: BVerwG, 1 C 13/14 v. 19.2.2015 = BVerwGE 151, 228 ff.; BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025 = NVwZ 2025, 856 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, OVG 6 B 18/22 v. 4.4.2024 = NJW 2024, 2054 ff.
aus der Literatur zur Frage justizfreier Hoheitsakte: Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 408 ff. (Bearbeitung 2020).
Piätsch könnte mit Erfolg Verfassungsbeschwerde gegen die Äußerung Plappermanns und die Entscheidung des BVerwG einlegen, wenn die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet wäre.
A) Zulässigkeit Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG und §§ 90 ff. BVerfGG erfüllt sind.Anmerkung: Zur Zulässigkeit eines Verfahrens vor dem BVerfG siehe diesen Hinweis. Durch das Gesetz zu Änderung des Grundgesetzes (Art. 93 und 94) vom 20.12.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 440) wurde der bisherige Regelungsinhalt des Art. 93 Abs. 1 bis 3 a. F. GG weitgehend wortgleich zum Regelungsinhalt des Art. 94 Abs. 1 bis 3 n. F. GG, ferner wurde der Regelungsinhalt des Art. 94 Abs. 2 a. F. GG ("Ein Bundesgesetz regelt seine Verfassung und das Verfahren und bestimmt, in welchen Fällen seine Entscheidungen Gesetzeskraft haben. Es kann für Verfassungsbeschwerden die vorherige Erschöpfung des Rechtsweges zur Voraussetzung machen und ein besonderes Annahmeverfahren vorsehen") wortgleich in Art. 93 Abs. 5 n. F. GG überführt (zum Hintergrund dieser Änderungen: Britz, NJW 2025, 609 ff.). In der Literatur und Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten dieses verfassungsändernden Gesetzes sind diese Umnummerierungen naturgemäß noch nicht berücksichtigt, jedoch kann angenommen werden, dass sich die insoweit zu den alten Fassungen dieser Bestimmungen getroffenen Aussagen unverändert auf ihre neuen Fassungen übertragen lassen. Diese Annahme wird im Folgenden unterstellt und hierauf wird in der Falllösung auch nicht mehr gesondert hingewiesen.
I. Beteiligtenfähigkeit (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "jedermann")
Piätsch kann Grundrechtsträger sein und ist damit "jedermann" i.S.d. Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG.
II. Beschwerdegegenstand (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Akt der öffentlichen Gewalt")
Verfassungsbeschwerden können sich nur gegen einen "Akt öffentlicher Gewalt" richten. Gemeint sind damit alle Maßnahmen von vollziehender, gesetzgeberischer und rechtsprechender Gewalt. Piätsch will hier sowohl die Äußerungen Plappermanns wie das Urteil des BVerwG angreifen. Für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde auch gegen die seiner Klage stattgebenden Urteile des Verwaltungsgerichtes und des Oberverwaltungsgerichtes Berlin besteht demgegenüber kein Anlass.
Anmerkung: Insoweit würde es hier auch an der Beschwerdebefugnis fehlen, vgl. U. Stelkens, DVBl. 2004, 403, 406. Siehe zur Bestimmung des Beschwerdegegenstandes bei mehreren, in derselben Sache ergangenen Gerichts- (und Verwaltungs-)entscheidungen diesen Hinweis.
Während das Urteil des BVerwG jedenfalls i.S.d. Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG ein "Akt der öffentlichen Gewalt" anzusehen ist, ist dies bezüglich der Äußerungen Plappermanns nicht so eindeutig. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik ist nämlich in Literatur und Rechtsprechung die Existenz sog. justizfreier Hoheitsakte, die keiner gerichtlichen Kontrolle unterlagen und daher weder "Akte der öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG noch i.S.d.(heutigen) Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG darstellen sollten, durchaus bejaht worden. Zu diesen justizfreien Hoheitsakten wurden in den Anfangsjahren der Bundesrepublik insbesondere Akte der Regierung gezählt.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 7 C 6.62 v. 12.10.1962, Abs. 4 f. = BVerwGE 15, 63, 65; VGH Freiburg, 13/53 v. 15.2.1954, Abs. 6 = DÖV 1954, 375, 376 und 377; VGH Kassel, II OE 59/67 v. 6.3.1968, Abs. 12 ff. = DÖV 1968, 574, 576; OVG Münster, VII B 682/58 v. 23.9.1958 Abs. 8 f. = DVBl. 1959, 294 f.; OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966, Abs. 5 ff. = DÖV 1967, 571 f.; VG Köln, 1 K 2078/62 v. 24.9.1964, Abs. 24 ff. = DVBl. 1965, 882, 885; von Mangoldt/Klein, Art. 19 Anm. VII 6 b.
1. Antwort auf Parlamentarische Anfrage als Regierungsakt?
Dabei wurden (und werden) unter Regierungsakten nur die staatsleitenden Akte oberster Staatsorgane verstanden.
Anmerkung: Siehe hierzu M. Schröder, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts V, § 106 Rn. 4 ff.; ferner BVerfG, 2 BvE 2/14 v. 16.12.2014, Abs. 39 = BVerfGE 138, 102, 113 f.
Um staatsleitender Akt oberster Staatsorgane in diesem Sinne zu sein, muss die Maßnahme gegenständlich auf den Verfassungsrechtskreis bezogen sein und sich durch gubernative Gestaltungsfreiheit auszeichnen. Sie muss dementsprechend auch nicht notwendig durch die Regierung im organisatorischen Sinne vorgenommen werden: Regierungsakte sind vielmehr auf Bundesebene zwischen Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident geteilt. Ebenso wenig sind alle von der Regierung im organisatorischen Sinne getätigten Maßnahmen Regierungsakte: Sie stellen teilweise Verwaltung im materiellen Sinne dar (wie z.B. der Erlass von Subventionsbescheiden oder beamtenrechtliche Maßnahmen durch Minister). Nach diesen Grundsätzen lassen sich Regierungsakte nicht (trennscharf) definieren, sondern allenfalls auflisten, ordnen und typisieren. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit, dass (auf Bundesebene) zu den Regierungsakten jedenfalls zu zählen sind:
- die Wahrnehmung aller sich aus der Verfassung ergebenden Kompetenzen des Bundestages und der Bundestagsverwaltung, soweit sie keine Gesetzgebungskompetenzen sind,
- die Wahrnehmung aller Kompetenzen der Bundesregierung und ihrer Mitglieder und des Bundespräsidenten im Verhältnis zum Bundestag und den übrigen obersten Verfassungsorganen,
- die Wahrnehmung der Kompetenz zur Formulierung der Richtlinien der Politik nach Art. 65 GG,
- die Wahrnehmung von Außenkompetenzen der Bundesregierung und des Bundespräsidenten nach Art. 23, Art. 32 und Art. 59 GG,
- die Entscheidung der Bundesregierung, von den ihr im inneren und äußeren Notstand zugewiesenen Kompetenzen Gebrauch zu machen (Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 87a Abs. 3 und 4, Art. 91 Abs. 2, Art. 115 a Abs. 1 Satz 2, Art. 115 f, Art. 115 i GG),
- der Abschluss von verfassungs- und staatsrechtlichen Verträgen zwischen Bund und Ländern und die Wahrnehmung der Kompetenzen staatsleitender Planung (vgl. Art. 53a Abs. 2, Art. 91a GG, Art. 91b, Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1, Art. 109 Abs. 4, Art. 110 GG).
Anmerkung: Siehe hierzu Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 408 (Bearbeitung 2020); Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 81 (Bearbeitung 2020); Stern II, S. 685 ff.
Dementsprechend kann auch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen durch die Regierung als Regierungsakt angesehen werden. Zum Teil wurde jedoch danach differenziert, ob die Anfrage in Verbindung mit Verwaltungsangelegenheiten erfolgt oder oder ob sie staatsleitende Regierungstätigkeit betrifft.
Anmerkung: Siehe hierzu etwa zu einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zu Vergabeverfahren im Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Verteidigung: OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966, Abs. 6 = DÖV 1967, 571 f.
Das erscheint indes als gekünstelt. Zutreffend dürfte vielmehr sein, die Beantwortung von Anfragen immer als Regierungsakt anzusehen, weil sie mit dem in Art. 43 Abs. 1 GG verankerten Kontrollrecht des Parlaments im engsten Zusammenhang steht.
Anmerkung: So VGH Kassel, II OE 59/67 v. 6.3.1968, Abs. 12 = DÖV 1968, 574, 576; Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 408 a.E. (Bearbeitung 2020).
2. "Justizfreiheit" von "Regierungsakten?
Aus der Tatsache, dass die Antwort auf eine Kleine Anfrage ein Regierungsakt ist, folgt jedoch nicht notwendig, dass sie nicht mit der Verfassungsbeschwerde rügbar wäre. Vielmehr unterwirft Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt der Kontrolle durch das BVerfG im Wege der Verfassungsbeschwerde. Gerade Regierungsakte bilden einen typischen Ausfluss staatlicher Gewalt, so dass es nahe liegt, sie als justiziabel anzusehen, so dass sie jedenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können.
Anmerkung: Siehe hierzu zum Folgenden BVerwG, 1 C 13/14 v. 19.2.2015, Abs. 15 = BVerwGE 151, 228, 232 f.; Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 410 ff. (Bearbeitung 2020); Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 81 ff. (Bearbeitung 2020); M. Schröder, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts V, § 106 Rn. 14; Stern II, S. 691 f.; jeweils m.w.N.
Demgegenüber wurde jedoch teilweise eingewandt, aus dem Gewaltenteilungsprinzip ergebe sich, dass Regierungsakte nicht gerichtlich überprüfbar sein sollten, und auch aus dem "politischen" oder "hochpolitischen" Charakter der Regierungsakte folge notwendig ihre Herausnahme aus den Garantien des Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG (und des Art. 19 Abs. 4 GG) folge. Das vermag jedenfalls im Hinblick auf Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG nicht zu überzeugen; denn Art. 94 Abs. 1 Nr. 1 GG (Organstreit) lässt z.B. deutlich erkennen, dass Maßnahmen der Bundesregierung durchaus nicht von vornherein der Kontrolle durch die Gerichte entzogen sind. Der Aspekt der Gewaltenteilung, d.h. die Einräumung eines Gestaltungsfreiraums an die Regierung, mag eine inhaltliche Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle gebieten. Doch kann der sicherlich vom Grundgesetz gewollte weite Entscheidungsspielraum der staatlichen Führungsorgane bei Regierungsakten angesichts des Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG nicht dazu führen, derartige Maßnahmen völlig von einer gerichtlichen Nachprüfung auszuschließen. Auch lässt sich nicht übersehen, dass das Moment des Politischen kein spezifisches Kriterium von Regierungsakten ist. Jeder staatliche Akt kann "politisch" oder "hochpolitisch" bedeutsam werden - die (Nicht-)Ausweisung eines bestimmten Ausländers, die schlichte Inbetriebnahme eines umweltpolitisch problematischen Kohlekraftwerks, oder der Bau bzw. das Scheitern großer Infrastruktur-Bauprojekte. Darüber hinaus zeigt gerade die Entscheidung des Grundgesetzes für die Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit, dass von Verfassungswegen politische Akte nicht a priori einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sein sollen. Der Aspekt des Politischen kann - ebenso wie der der Gewaltenteilung und eines daraus abgeleiteten Gestaltungsfreiraums der Regierung - im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG lediglich eine inhaltliche Beschränkung, nicht aber einen völligen Ausschluss der (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle von Regierungsakten rechtfertigen.
Anmerkung: Dieses Ergebnis macht die Unterscheidung zwischen Regierung und Verwaltung im materiellen Sinne nicht bedeutungslos, vielmehr bleibt sie in anderen Bereichen wichtig, z.B. bezüglich der Frage der Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten verfassungsrechtlicher und nicht-verfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 21 ff = NVwZ 2025, 856 Abs. 21 ff. - siehe hierzu unten A V) sowie der Frage des Anwendungsbereichs der Verwaltungsverfahrensgesetze, welche nur für die Verwaltungstätigkeit gelten (vgl. § 1 Abs. 1 VwVfG, § 1 Abs. 1 SGB X, § 1 Abs. 1 SVwVfG, siehe hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 186 ff.). Indes gibt es keinen gesetzesübergreifend allgemein gültigen Inhalt des Begriffs der "Regierung" gegenüber dem Begriff der "Verwaltung". Soweit die Abgrenzung bei der Auslegung einzelner Gesetze von Bedeutung ist, ist vielmehr auf den jeweiligen Gesetzeszweck abzustellen: Deutlich zum IFG: BVerwG, 7 C 4/11 v. 3. 11. 2011, Abs. 10 ff. = NVwZ 2012, 251 Abs. 10 ff. (wo hinsichtlich des Verwaltungsbegriffs des § 1 Abs. 1 IFG von einem Verständnis ausgegangen wird, das auch Maßnahmen der Regierung einschließt; hierzu Assenbrunner, DÖV 2012, 547 ff.; Dalibor, DVBl. 2012, 933 ff.; Heuner/Küpper, JZ 2012, 801 ff.; Roth, DÖV 2012, 717 ff.; Schoch, NVwZ 2012, 254 ff.). Siehe auch ähnliche Überlegungen bei OVG Münster, 8 A 2593/10 v. 26.10.2011, Abs. 43 ff. = NWVBl 2012, 222 ff. (zur Frage der Geltung des IFG für Bundesrechnungshof). Anders aber zu § 1 Abs. 1 IFG in Bezug auf Glückwunschreiben des Bundespräsidenten an andere Staatsoberhäupter, die gerade nicht zur Verwaltung im materiellen Sinne gezählt, sondern als "präsidientelle Akte", die nicht dem IFG unterfallen, bezeichnet werden: BVerwG, 10 C 4/22 v. 9.11.2023, Abs. 12 ff. = BVerwGE 181, 20 Abs. 12 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, 12 B 25/20 v. 25.8.2022, Abs. 19 ff. = NVwZ-RR 2022, 977 Abs. 17 ff.; ebenso zur Ausübung des Gnadenrechts durch den Bundespräsidenten nach Art. 60 Abs. 2 GG: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 6 B 18/22 v. 4.4.2024, Abs. 20 ff. = NJW 2024, 2054 Abs. 16 ff.
3. Ausschluss der Verfassungsbeschwerde durch Art. 46 Abs. 1 GG?
Jedoch könnte vorliegend Art. 46 Abs. 1 GG als Spezialnorm zu Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG einer Verfassungsbeschwerde gegen die Äußerung Plappermanns entgegenstehen: Nach Art. 46 Abs. 1 GG darf ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen einer Äußerung, die er im Bundestag getan hat, gerichtlich verfolgt werden, d.h. für derartige Verfolgungen ist der Rechtsweg - auch der Verfassungsrechtsweg - nicht eröffnet. Der Parlamentarische Staatssekretär Plappermann müsste die umstrittene Aussage also als Abgeordneter im Bundestag getätigt haben. Auf den ersten Blick ist diese Voraussetzung erfüllt: Plappermann ist als Parlamentarischer Staatssekretär notwendigerweise Abgeordneter.Anmerkung: Siehe hierzu § 1 Abs. 1 Halbsatz 2 ParlStG: Eine Ausnahme ist nur möglich bei Parlamentarischen Staatsekretären im Bundeskanzleramt.
Die Äußerung, durch die sich Piätsch in seinen Rechten verletzt fühlt, hat Plappermann auch im Bundestag getan. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Plappermann sich nicht als Abgeordneter, sondern als Parlamentarischer Staatssekretär äußerte. In dieser Eigenschaft ist er zwar nicht Angehöriger der Bundesregierung (arg. Art. 62 GG), aber er ist ein im Regierungsbereich angesiedelter Vertreter und Gehilfe eines Bundesministers (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung: Vertretung im Parlament), so dass er sich bei Beantwortung der Kleinen Anfrage als Angehöriger der Exekutive geäußert hat. Die beiden Funktionen - Abgeordneter und Ministervertreter - lassen sich auch ohne weiteres trennen, so dass keine Bedenken bestehen, sie rechtlich unterschiedlich zu behandeln.
Anmerkung: Siehe hierzu OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966, Abs. 11 = DÖV 1967, 571, 572 f.
Im Übrigen wird Plappermann hier nicht persönlich zur Verantwortung gezogen oder gerichtlich in Anspruch genommen, sondern sein Verhalten ist Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, die nicht als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet ist, so dass Plappermann an diesem Verfahren nicht selbst beteiligt ist und Art. 46 Abs. 1 GG jedenfalls nicht unmittelbar angewendet werden kann.
In der älteren Literatur wurde z.T. jedoch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf sämtliche Reden im Parlament angenommen, weil Art. 46 Abs. 1 GG generell dem Schutz der parlamentarischen Redefreiheit diene. Damit soll zum einen die freie Willensbildung, zum anderen die Information der Öffentlichkeit gewährleistet werden. Dies ließe sich, so wird argumentiert, nur erreichen, wenn alle an der parlamentarischen Erörterung Beteiligten (Abgeordnete, Minister, Staatssekretäre) sicher sein könnten, dass sie nicht für eine Äußerung juristisch zur Verantwortung gezogen würden.
Anmerkung: So z. B. Arndt, DVBl. 1965, 954; Helle, NJW 1961, 1896, 1900.
Diese Argumentation klingt einleuchtend, nur lässt sie sich mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht in Einklang bringen. Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass es heute angebracht sei, einen umfassenden Schutz für parlamentarische Äußerungen zu begründen, damit nicht aus Furcht vor juristischen Konsequenzen wichtige Informationen unausgesprochen bleiben, stellt doch Art. 46 Abs. 1 Satz 1 GG eindeutig allein auf den Abgeordneten ab. Eine erweiternde Auslegung, die Minister und Staatssekretäre einbezöge, würde contra legem erfolgen. Im Übrigen könnte selbst eine analoge Anwendung der Bestimmung nicht darüber hinweghelfen, dass hier ein persönliches Privileg des sich Äußernden statuiert ist. Eine Ausweitung dieses Privilegs auf Regierungsakte mit der Folge, diese schlechthin der gerichtlichen Überprüfung zu entziehen, lässt sich mit Auslegung wohl nicht mehr begründen.
Anmerkung: Siehe hierzu Klein/Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 46 Rn. 35 f. m.w.N. (Bearbeitung 2023).
4. Ergebnis zu II
Dementsprechend ist sowohl die Entscheidung des BVerwG wie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage gegenüber dem Bundestag als "Akt der öffentlichen Gewalt" und damit als tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde anzusehen.
III. Beschwerdebefugnis (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein")
Piätsch muss behaupten können, durch die angegriffenen Akte der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten verletzt zu sein.
1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch die Äußerung Plappermanns
Die Äußerung Plappermanns könnte Piätsch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzen. Jedoch ist fraglich, ob sie hierzu überhaupt geeignet ist, da es ihr insoweit an einer Rechtswirkung gerade gegenüber Piätsch fehlen könnte. Ein Verhalten, das keine Rechtswirkungen auslösen kann, kann aber auch keine (Grund-)Rechte verletzen, so dass es insoweit an einer Beschwerdebefugnis fehlt.
Anmerkung: Siehe hierzu Pestalozza, § 12 Rn. 34.
Dem steht nicht bereits entgegen, dass es sich bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage im Bundestag um einen rein parlamentsinternen Vorgang ohne rechtliche Außenwirkung handeln, durch den Rechte Piätschs von vornherein nicht beeinträchtigt werden können. Art. 1 Abs. 3 GG bindet die öffentliche Gewalt umfassend an die Grundrechte und lässt damit weder für Regierungsakte allgemein noch für parlamentarische Vorgänge eine Ausnahme zu. Auch faktisch lässt sich die Außenwirkung einer in öffentlicher Parlamentssitzung erfolgten Äußerung nicht leugnen, zumindest, wenn - wie hier - eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerügt wird.
Anmerkung: So OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966, Abs. 22 ff. = DÖV 1967, 571, 574; hierzu auch BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 24 f. = NVwZ 2025, 856 Abs. 24 f.; a.A. noch VG Köln, 1 K 2078/62 v. 24.9.1964, Abs. 14 ff. = DVBl. 1965, 882, 883.
Insoweit ist heute generell anerkannt, dass staatliche Äußerungen (auch im und gegenüber dem Parlament) in Grundrechte derer eingreifen kann, über die sich geäußert wird. Insoweit liegt zwar kein "klassischer" Eingriff in Form eines gezielten Ge- oder Verbots vor. Für den Eingriffsbegriff reicht aber eine faktische Beeinträchtigung aus, wie sie etwa dadurch hervorgerufen werden kann, dass eine auch in die Öffentlichkeit wirkende Äußerung über eine konkrete Person indirekte nachteilige Auswirkungen auf die Tätigkeit dieser Person hat, über die in dieser Äußerung ein (negatives) Werturteil abgegeben wird.
Anmerkung: Siehe hierzu aus der Rechtsprechung BVerfG, 1 BvR 1072/01 v. 24.5.2005, Abs. 52 = BVerfGE 113, 63, 76 f.; BVerfG, 2 BvQ 39/15 v. 7.11.2015, Abs. 11 f. = BVerfGE 140, 225, 228; BVerfG, 2 BvE 1/16 v. 27.2.2018, Abs. 44 ff. = BVerfGE 148, 11, 25 f.; BVerfG, 1 BvF 1/13 v. 21.3.2018, Abs. 44 f. = BVerfGE 148, 40, 56; BVerfG, 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 v. 15.6.2022, Abs. 144 = BVerfGE 162, 207, 255; ThürVerfGH, 38/15 v. 6.7.2016, S. 11 f. = ThürVBl. 2016, 281, 283; BVerwG, 3 C 27/13 v. 20.11.2014, Abs. 16 f. = NVwZ-RR 2015, 425, Abs. 16 f.; BVerwG, 1 C 13/14 v. 19.2.2015, Abs. 35 = BVerwGE 151, 228, 240 f.; BVerwG, 6 C 11/20 v. 29.6.2022, Abs. 21 = NVwZ 2022, 1820 Abs. 21; OVG Bremen, 1 B 150/21 v. 31.5.2021, S. 5 = NordÖR 2021, 440, 441; OVG Münster, 15 B 1099/05 v. 12.7.2005, Abs. 11 f. = NVwZ-RR 2006, 273 f.; OVG Münster, 13 B 331/21 v. 17.5.2021, Abs. 29 ff. = NVwZ-RR 2021, 973 Abs. 18; OVG Münster, 4 B 473/22 v. 28.4.2022, Abs. 41 f. = NVwZ 2022, 1393 Abs. 9; OVG Münster, 15 B 893/22 v. 14.11.2022, Abs. 30 = NVwZ-RR 2023, 197 Abs. 8; VG Gera, 2 E 465/10 v. 6.7.2010, S. 8 f. = KommJur 2011, 138, 139; VG Göttingen, 1 B 462/18 v. 29.8.2018, Abs. 33 ff. = NdsVBl. 2019, 133, 134 f.; VG Köln, 1 K 3664/21 v. 17.11.2023, Abs. 56 ff. = NVwZ 2024, 521 Abs. 40 ff.; VG Stuttgart, 7 K 602/11 v. 13.4.2011, Abs. 38 = NVwZ-RR 2011, 615; BGH, VI ZR 494/17 v. 2.7.2019, Abs. 35 = NVwZ-RR 2020, 878 Abs. 35; BGH, VI ZR 65/21 v. 8.11.2022, Abs. 20 f. = NJW 2023, 775 Abs. 20 f.; a. A. wohl noch BVerfG, 2 BvE 1/75 v. 29.10.1975, Abs. 9 = BVerfGE 40, 287, 293; siehe hierzu auch ausführlich Gärditz, NWVBl 2015, 165, 166; Hessel/Scheider, NVwZ 2023, 717, 718; Wißmann, DVBl. 2023, 200, 203 f. Siehe zur Frage, inwieweit in einer behördlichen Äußerung ein Grundrechtseingriff zu sehen sein kann, auch den Parteilichkeit-II-Fall.
Somit steht die Berufung auf die parlamentarische Natur der Äußerung der Annahme einer Grundrechtsbeeinträchtigung ebenso wenig entgegen wie etwa die Erwägung, es handele sich um einen politischen Akt, weil der politische Charakter einer Maßnahme nicht geeignet ist, eine Grundrechtsverletzung auszuschließen. Die durch die Äußerung Plappermanns mögliche Grundrechtsverletzung trifft Piätsch auch selbst, unmittelbar und zudem gegenwärtig: Sie liegt zwar schon einige Zeit zurück, dauert aber an, solange die Bundesrepublik Deutschland den Bestechungsvorwurf - eine fehlerhafte Tatsachenbehauptung - nicht widerruft und dadurch die Ehre von Piätsch wiederherstellt.
2. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des BVerwG
Fraglich ist, inwieweit die Entscheidung des BVerwG Grundrechte Piätschs verletzen kann. Da es den Rechtsweg jedenfalls vor den Fachgerichten gegen die Äußerung Plappermanns schlechthin nicht für eröffnet hielt, hat es selbst zu der Behauptung Plappermanns nicht Stellung genommen und sich damit auch etwaige Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch diese Äußerung nicht zu eigen gemacht. Jedoch kann Piätsch eine selbständige Grundrechtsverletzung durch das BVerwG rügen, nämlich eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, eben weil das BVerwG den Rechtsweg gegen die Äußerung Plappermanns zu den Verwaltungsgerichten (und anderen Fachgerichten) nicht für gegeben hielt. Insoweit ist Piätsch auch gegenüber der Entscheidung des BVerwG beschwerdebefugt.Dass der vollständige Ausschluss des fachgerichtlichen Rechtsschutzes (d. h. des Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten) gegen die Äußerung Plappermanns gegen das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot des effektiven (Verwaltungs-)Rechtsschutzes verstößt, ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, da sich der Begriff der "öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich alle Akte der Exekutive einschließlich ihrer öffentlichen Informationstätigkeit umfasst.
Anmerkung: Siehe hierzu nur Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 68 ff. (Bearbeitung 2020).
3. Ergebnis zu 3
Damit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Piätsch durch die Äußerung Plappermanns und die Entscheidung des BVerwG in seinen Grundrechten verletzt ist, so dass er auch beschwerdebefugt ist.
Anmerkung: Siehe zur Notwendigkeit der Differenzierung zwischen mehreren zu derselben Sache ergangenen Entscheidungen auch in Bezug auf die Beschwerdebefugnis diesen Hinweis.
IV. Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) und "Subsidiarität" der Verfassungsbeschwerde
Hier hat Piätsch den Verwaltungsrechtsweg bis hin zum BVerwG beschritten, so dass der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG selbst dann und insoweit als erschöpft anzusehen ist, als angenommen wird, dass gegenüber der Äußerung Plappermanns der Verwaltungsrechtsweg überhaupt eröffnet ist.
Anmerkung: Sofern angenommen wird, gegenüber der Äußerung Plappermanns sei der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben, weil eine verfassungsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt, hat dies nur Auswirkungen auf die Frage der Einhaltung der Verfassungsbeschwerdefrist gegenüber der Äußerung Plappermanns (näher unten A V). Im Hinblick auf das Gebot der Rechtswegerschöpfung wirkt sich jedoch die Einlegung unzulässiger Rechtsbehelfe nicht aus. Vielmehr kann sich insoweit nur die Frage stellen, ob auch die Einlegung nicht zulässiger Rechtsbehelfe nach § 90 Abs. 2 BVerfGG geboten sein kann (so dass die Unterlassung der Einlegung solcher Rechtsbehelfe zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 2 BVerfGG führt.
Piätsch kann auch nicht vorgeworfen werden, wegen der geltend gemachten Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG durch das BVerwG keine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO erhoben zu haben. Zwar gehört auch die Erhebung der Anhörungsrüge zum "Rechtsweg" i.S.d. § 90 Abs. 2 BVerfGG.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 1 BvR 848/07 v. 25. 11. 2008, Abs. 30 = BVerfGE 122, 190, 198.
Jedoch wäre eine derartige Anhörungsrüge auch gegen die Entscheidung des BVerwG nicht statthaft gewesen: Mittels der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO können nur Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG gerügt werden (die hier nicht erkennbar sind), nicht aber die Verletzung anderer (Prozess-)Grundrechte.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 2 BvR 2101/09 v. 9. 11. 2010, Abs. 29 ff. = NJW 2011, 2417; BVerfG (K), 1 BvR 3007/07 v. 28. 4. 2011, Abs. 17 = NJW 2011, 2276. Zur Frage der Rechtswegerschöpfung und der "Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde" bei Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge nach § 33a und § 311a StPO, § 321a ZPO, § 152a VwGO siehe Punkt IV bei diesem Hinweis.
Es ist auch keine weitere sonstige Möglichkeit erkennbar, wie Piätsch, außer durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde, sein Recht noch durchsetzen könnte, so dass der Verfassungsbeschwerde auch nicht der Grundsatz ihrer "Subsidiarität" entgegensteht.
Anmerkung: Nach dem - vom BVerfG letztlich in erweiternder Auslegung des § 90 Abs. 2 BVerfGG "gefundenen" - Grundsatz der "Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde" (hierzu allgemein Peters/Markus, JuS 2013, 887 ff.) hat der Beschwerdeführer neben der Erschöpfung des Rechtswegs alle anderweitig bestehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme des BVerfG im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen.
Die Verfassungsbeschwerde müsste grundsätzlich innerhalb der Frist des § 93 BVerfGG eingelegt werden: Dabei bewirkt § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, dass die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG - anders als der Wortlaut dies nahe legt - erst mit Zustellung, Verkündung oder Bekanntgabe der letzten zur fraglichen Sache ergangenen Entscheidung zu laufen beginnt. Nach diesen allgemeinen Grundsätzen würde auch für die Verfassungsbeschwerde gegen die Äußerung Plappermanns die Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG erst mit Verkündung der Entscheidung des BVerwG beginnen, so dass die Frist auch im Hinblick auf die Äußerung Plappermanns noch eingehalten werden könnte.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, DVBl. 2004, 403, 410.
Es ist jedoch fraglich, ob dies auch dann gelten kann, wenn anzunehmen wäre, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegen die zunächst vor den Verwaltungsgerichten angegriffene Maßnahme tatsächlich gar nicht gegeben gewesen wäre, weil die Streitigkeit um die Äußerung Plappermanns eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art i.S.d. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gewesen ist. Dann wäre die verwaltungsgerichtliche Klage von vornherein unzulässig gewesen. Tatsächlich können verfassungsrechtlichen Streitigkeiten, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist, nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG auch dann vorliegen, wenn sich der Betroffene gegen eine Maßnahme eines obersten Verfassungsorgan wendet und sich auf Grundrechte beruft, soweit es "im Kern des Rechtsstreits um das staatsorganisationsrechtliche Können, Dürfen oder Müssen eines Verfassungsrechtssubjekts als solches, das heißt gerade um dessen besondere verfassungsrechtliche Funktionen und Kompetenzen geht."
Anmerkung: So jetzt BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 21 ff. = NVwZ 2025, 856 Abs. 21 ff. Das BVerwG nimmt in dieser Entscheidung (ebenso wie zuvor Hüther/Lepej, DÖV 2022, 669 ff. und OVG Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 44/21 v. 16.6.202, Abs. 32 ff. = NVwZ 2023, 1928 Abs. 23 ff.) in einem vergleichbaren Fall (behauptete Ehrverletzung durch Äußerung in einem Parlamentsbeschluss) tatsächlich an, es läge keine "öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art" i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, so dass allein das BVerfG im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufen werden könne. Siehe hierzu auch unten B II.
Nach diesen Kriterien könnte man hier von dem Vorliegen einer solchen (den Verwaltungsgerichten entzogenen) verfassungsrechtlichen Streitigkeit ausgehen, weil es hier eben um eine Äußerung im Parlamentarischen Raum als Reaktion auf eine parlamentarische kleine Anfrage ging. Es stand also nicht "einfach nur" eine Streitigkeit um die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung in Frage, bei der das Vorliegen einer rein verfassungsrechtliche Streitigkeit nicht angenommen wird.
Anmerkung: Ausführlich hierzu jetzt BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 28 = NVwZ 2025, 856 Abs. 28.
Wird vom Vorliegen einer den Verwaltungsgerichten entzogenen verfassungsrechtlichen Streitigkeit ausgegangen, müsste dann gegenüber der Äußerung Plappermanns "an sich" § 93 Abs. 3 BVerfGG greifen, nach dem die Verfassungsbeschwerde, wenn sie sich gegen (ein Gesetz oder) "gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht" richtet, nur binnen eines Jahres "seit dem" (Inkrafttreten des Gesetzes oder dem) " Erlaß des Hoheitsaktes" erhoben werden kann. Hier sind nach dem Sachverhalt mittlerweile mehr als zwei Jahre seit der Äußerung verstrichen, so dass diese Frist abgelaufen wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist das Beschreiten eines unzulässigen Rechtswegs gegen die Ausgangsentscheidung jedoch nur dann für den Beginn der gegen die Ausgangsentscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerdefrist schädlich, wenn der Rechtsweg offensichtlich unzulässig oder unstatthaft und deshalb von vornherein aussichtslos ist.
Anmerkung: Siehe hierzu Hörnig, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, § 93 Rn. 35 ff.; Schlaich/Korioth, Rn. 556 ff.
Von einer solchen "offensichtlichen Aussichtslosigkeit" des Beschreitens des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten wird man in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht auszugehen haben, zumal sowohl das Verwaltungsgericht wie das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bejaht hatten.
Anmerkung: In diese Richtung für eine ähnliche Konstellation BVerfG (K), 1 BvR 632/92 v. 28.8.1992 = NVwZ 1993, 357 f.
Daher ist im Ergebnis die Verfassungsbeschwerde auch unmittelbar gegen die Äußerung Plappermanns noch nicht verfristet, sondern endet einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung des BVerwG, selbst wenn angenommen würde, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei gegenüber der Äußerung Plappermanns wegen der verfassungsrechtlichen Natur der Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO an sich nicht gegeben gewesen.
VI. Ergebnis zu A
Werden die oben genannten Fristerfordernisse und die Formerfordernisse des § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG beachtet, könnte die Verfassungsbeschwerde insgesamt zulässig erhoben werden.
B) Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn die Äußerung Plappermanns und die Entscheidung des BVerwG Grundrechte Piätschs verletzen. Dies ist der Fall, wenn sie in den Schutzbereich seiner Grundrechte eingreifen, ohne durch deren Schranken gedeckt zu sein.Anmerkung: Zum Aufbau der Begründetheitsprüfung einer Verfassungsbeschwerde gegen Exekutivakte und Gerichtsentscheidungen siehe diesen Hinweis.
I. Grundrechtsverletzung durch die Äußerung Plappermanns
Piätsch könnte durch die wahrheitswidrige Äußerung Plappermanns in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden sein, aus dem das Recht Piätschs auf Respekt seiner persönlichen Ehre abzuleiten ist.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 1 BvR 797/78 v. 3.6.1980 = BVerfGE 54, 208, 217. Siehe zum Verhältnis zwischen der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit und dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht z.B. Kingreen/Poscher, Rn. 527 ff.
Eine solche Rechtsverletzung ist nach dem oben Gesagten (A III 1) nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen parlamentsinternen Vorgang handelt. In das Recht auf Ehre Piätschs ist auch durch die wahrheitswidrige Äußerung Plappermanns eingegriffen worden, ohne dass insoweit eine gesetzliche Rechtfertigung ersichtlich wäre:
Anmerkung: Siehe zu Fällen, in denen eine Ehrverletzung gerechtfertigt sein kann, den Peepshow-Fall.
Die Regierung ist auch bei Beantwortung parlamentarischer Anfragen an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebunden. Hieraus - und auch aus dem Sinn und Zweck parlamentarischer Anfragen als Kontrollinstrumente des Parlaments gegenüber der Regierung - ergibt sich, dass die Regierung parlamentarische Anfragen wahrheitsgemäß beantworten muss.
Anmerkung: Siehe hierzu OVG Münster, II A 16/65 v. 4.1.1966, Abs. 20 = DÖV 1967, 571, 573.
Hiergegen hat Plappermann verstoßen. Dass Plappermann von der Richtigkeit seiner Ausführungen überzeugt war, ändert hieran nichts. Ein Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. § 193 StGB) liegt nicht vor, da es hier nicht um Werturteile, sondern um Tatsachenbehauptungen geht, die - wenn sie geeignet sind, einen anderen verächtlich zu machen - erweislich wahr sein müssen, um nicht rechtswidrig zu sein (vgl. § 187 StGB).
Dementsprechend ist der Eingriff in das Recht der persönlichen Ehre nicht durch eine Grundrechtsschranke gedeckt, so dass die Verfassungsbeschwerde gegen die Äußerung Plappermanns begründet ist.
II. Grundrechtsverletzung durch die Entscheidung des BVerwG
Das BVerwG könnte dagegen gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen haben, indem es die Klage Piätschs als unzulässig abgewiesen hat, weil gegen die Äußerung Plappermanns schlechthin der Verwaltungsrechtsweg schlechthin nicht gegeben sei. Eine solche Verletzung kann im vorliegenden Fall nicht auf der Anwendung verfassungswidrigen Rechts beruhen, sondern allein darauf, dass das BVerwG bei Anwendung des Verwaltungsprozessrechts (hier des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die Bedeutung und Reichweite des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verkannt hat, also in Auslegung des Verwaltungsprozessrechts einen Rechtssatz aufgestellt hat, der - wäre er vom Gesetzgeber erlassen worden - wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG verfassungswidrig wäre.
Rechtsschutz gegen die Äußerung ist freilich nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur garantiert, wenn es sich um eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Vorschrift handelt. Früher wurde Art. 19 Abs. 4 GG teilweise generell dahingehend restriktiv ausgelegt, dass Regierungsakte - zu denen die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu zählen sei - als justizfreie Hoheitsakte jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen sein sollen. Diese Ansicht ist aber aus denselben Gründen abzulehnen, mit denen bereits oben abgelehnt wurde, dass solche Maßnahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle im Wege der Verfassungsbeschwerde entzogen seien.
Anmerkung: Siehe hierzu die Argumente bei A II 2; hierzu ferner BVerwG, 1 C 13/14 v. 19.2.2015, Abs. 15 f. = BVerwGE 151, 228, 232 f.; Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 409 ff. (Bearbeitung 2020); Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 81 ff. (Bearbeitung 2020).
Jedoch ist generell anerkannt, dass der Begriff der "öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG in Teilen anders auszulegen auszulegen sein kann als der Begriff der "öffentlichen Gewalt" in Art. 94 Abs. 1 Nr. 4 a GG. Insoweit wird im Hinblick auf die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichten (bzw. der Zuständigkeiten zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und der Fachgerichtsbarkeit) mittlerweile auch vertreten, dass der Begriff der "öffentlichen Gewalt" in Art. 19 Abs. 4 GG auch solche möglicherweise grundrechtsverletzenden Maßnahmen der Exekutive nicht erfasse, für die der Verwaltungsrechtsweg wegen Vorliegens einer verfassungsgerichtlichen Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht gegeben ist. Eine solche Konstellation könnte hier vorgelegen haben.
Anmerkung: Siehe hierzu oben bei A V. Das BVerwG hat die Frage, ob diese neuere Rechtsprechung zu § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch ein restriktiveres Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG dahingehend erfordert, dass es sich bei den betroffenen Akten gar nicht um Akte der "öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG handelt, letztlich offen gelassen: BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 29 = NVwZ 2025, 856 Abs. 29. In der Literatur wird diese Frage noch nicht wirklich angesprochen, siehe aber Hüther/Lepej, DÖV 2022, 669, 676 ff.
Dies erscheint aber ebenfalls wenig überzeugend, weil insoweit die Reichweite des Art. 19 Abs. 4 GG letztlich vom Umfang der einfachrechtlichen Gewährleistung fachgerichtlichen Rechtsschutzes abhängig gemacht würde. Einfaches Recht (hier § 40 VwGO) kann nicht Verfassungsrecht ändern und damit nicht die Reichweite des Art. 19 Abs. 4 GG bestimmen. Dass "öffentliche Gewalt" i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG vorliegt, kann damit mit einer derartigen Argumentation nicht verneint werden.
Somit war der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet, was das BVerwG verkannt hat. Hierdurch wurde auch in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eingegriffen, da das BVerwG Piätsch Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten gegen die Äußerung Plappermanns verweigert hat.
Dieser Eingriff ließ sich allenfalls dann verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn man annimmt, dass Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zwingend Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten verlangt, sondern es im Falle verfassungsrechtlicher Streitigkeiten auch ausreichen kann, wenn mittels der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG in Fällen grundrechtsverletzender Hoheitsakte, gegen die Verwaltungsrechtsschutz nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht gewährt wird, verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird.
Anmerkung: So betont das BVerwG (BVerwG, 6 C 6.23 v. 26.3.2025, Abs. 29 f. = NVwZ 2025, 856 Abs. 29 f.), dass weder Art. 19 Abs. 4 GG noch der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) bei Grundrechtsverletzungen durch Akte von Verfassungsorganen einen Rechtsschutz zu den "Fachgerichten" fordere, solange gegen sie unmittelbar Verfassungsbeschwerde erhoben werden könne.
Dies beschneidet aber in Fällen, in denen derartige Maßnahmen direkt in individuelle Grundrechte eingreifen, den Individualrechtsschutz zu stark. Hier wird Piätsch von Plappermann im Parlament direkt angesprochen und es werden über ihn unzutreffende Tatsachen verbreitet. Hiergegen nur Rechtsschutz mittels der Verfassungsbeschwerde zuzulassen, bleibt hinter den Erfordernissen effektiven Grundrechtsschutzes gegenüber Maßnahmen der Exekutive zu weit zurück.
Anmerkung: In diese Richtung auch Hüther/Lepej, DÖV 2022, 669, 676 ff. Eine andere Ansicht ist angesichts der Offenheit der Diskussion in diesem Zusammenhang natürlich vertretbar.
Dass auch aus Art. 46 Abs. 1 GG nichts anderes folgen kann, ist bereits oben dargelegt worden.
Anmerkung: Siehe hierzu A II 3.,
Dementsprechend hat die Entscheidung des BVerwG Piätschs Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.
III. Ergebnis zu B
C) ErgebnisSowohl die Äußerung Plappermanns wie die Entscheidung des BVerwG verletzt Piätsch somit in seinen Grundrechten, so dass die Verfassungsbeschwerde insgesamt begründet ist.
Eine Verfassungsbeschwerde Piätschs wäre daher sowohl gegen die Äußerung Plappermanns wie gegen das Urteil des BVerwG zulässig und begründet und hätte damit Aussicht auf Erfolg.
Das BVerfG wird gem. § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG feststellen, dass die Äußerung Plappermanns Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und das Urteil des BVerwG Art. 19 Abs. 4 GG verletzt hat. Jedoch kommt gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG nur eine Aufhebung der Entscheidung des BVerwG in Betracht, da die Äußerung Plappermanns als bloßer Realakt nicht sinnvoll "aufgehoben" werden kann: Von ihm gehen zwar noch faktische, nicht aber durch die Aufhebung der Entscheidung vernichtbare Rechtswirkungen aus. Darüber hinaus wird das BVerfG die Sache zur erneuten Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG an das BVerwG zurückverweisen, da es nicht selbst den von Piätsch ursprünglich begehrten Rechtsfolgenausspruch - Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland zum Widerruf der Äußerung Plappermanns - aussprechen kann: Ein Verpflichtungsausspruch ist im BVerfGG nicht vorgesehen.
Anmerkung: Siehe hierzu Stark, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, § 95 Rn. 70.
Fragen und Anregungen zur Lösung? stelkens@uni-speyer.de