Sammy im Saarheimer See

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Der Saarheimer Künstler Edgar Escher ist Eigentümer eines Kaimans, den er liebevoll Sammy nennt und als Zeichen seiner künstlerischen Extravaganz überall hin mitnimmt. An einem heißen Sommertag, dem 10. Juli letzten Jahres, einem Sonntag, kommt Escher auf die Idee, dem Kaiman einen Ausflug zum zwischen Alt-Saarheim und Sulzweiler gelegenen Saarheimer See zu gönnen. Der Badesee steht im Eigentum von Bruno Bader, der an ihm ein Freibad betreibt, in das Tiere allerdings nicht mitgebracht werden dürfen. Escher schmuggelt jedoch den etwa 70 cm großen Sammy unbemerkt in das Gelände hinein und führt ihn von der Liegewiese an einer Leine durch die staunende Menschenmenge hindurch zum Wasser. Entgegen Eschers Erwartung reißt Sammy sich dort los und entwischt in das trübe Nass.

Bader ruft daraufhin unverzüglich bei dem Polizeiposten Saarheim an, von dem aus umgehend die Polizeivollzugsbeamten Peter Prinz und Hajo Haßdenteufel zum Ort des Geschehens geschickt werden. Diese fordern Escher auf, das "Tier sofort einzufangen". Hierzu sieht sich Escher außerstande. Er teilt Prinz und Haßdenteufel mit, dass Sammy sehr zutraulich und "überhaupt nicht gefährlich" sei; häufig spiele er mit ihm in der Badewanne. Ganz gewiss werde Sammy selbständig wieder aus dem Wasser kommen, weil er sich nur in der Umgebung von Menschen wohl fühle. Dessen ungeachtet fordert Prinz angesichts der panikartigen Reaktion der Badegäste "über das Krokodil im See" ein Polizeikommando an, das den See absperrt und auf ihm in einem Schlauchboot mehrere Stunden lang mit einem Netz nach Sammy sucht, ohne ihn jedoch zu erblicken. Am Abend des 10. Juli wird mit Einbruch der Dunkelheit die Suche ergebnislos abgebrochen.

Die Polizeiinspektion St. Ingbert beauftragt deshalb am nächsten Tag (11. Juli) mit dem Einfangen des Tieres die auf Unterwasserarbeiten spezialisierte Nass & Tief GmbH, Saarbrücken, die auf Anfrage - wie sich hinterher herausstellte, etwas voreilig - angibt, mit solchen Problemen schnell fertig zu werden. Dieses Unternehmen schickt umgehend mehrere Taucher und Scharfschützen zum Saarheimer See. Gemäß einer ausgeklügelten Strategie durchkämmen die Taucher das Wasser und versuchen, den Kaiman vor die Gewehre der auf Booten postierten Schützen zu treiben, doch misslingt dies trotz aller Bemühungen.

Dennoch wird auch am nächsten Tag (12. Juli) die Suche mit demselben Aufwand fortgesetzt - ebenfalls erfolglos. Daraufhin meldet sich der Direktor des Saarheimer Zoos, Dr. Zacharias Zimmer, ein nicht nur aufgrund seiner einschlägigen Forschungsarbeiten weltweit ausgewiesener Kaiman-Fachmann, beim Landespolizeipräsidium. Er berichtet, dass ein Kaiman wie Sammy nicht völlig ungefährlich sei, wenn man ihn überrasche und er sich angegriffen fühle. Das Tier halte sich vermutlich überwiegend im Schutze des Schilfs auf, reagiere jedoch auf Lichtreize; man könne es deshalb mit Licht anlocken und dann ohne weiteres mit einem kleinen Netz oder mit der Hand einfangen. So wie die Nass & Tief GmbH vorgehe, würde sie das Tier allerdings angesichts seiner Wendigkeit und seiner nur geringen Größe nie einfangen. Ungeachtet der Worte des Zoodirektors wird die "Treibjagd" auch noch am 13. Juli fortgesetzt und erst am Abend dieses Tages abgeblasen, zumal da die Bevölkerung - weit über Saarheim hinaus - nicht zuletzt wegen der umfangreichen Berichterstattung in den Medien bereits nachdrücklich Sympathie für den gejagten Sammy bekundet.

Am 14. Juli meldet sich der Sporttaucher Serge Sauvant aus Straßburg bei der Polizeiinspektion St. Ingbert und erklärt, er sei schon häufiger in den Tropen gewesen und könne zeigen, "wie man einen Kaiman fängt". Mit Billigung des Einsatzleiters begibt er sich am Abend des 14. Juli ins Wasser, lockt Sammy mit einer starken Taschenlampe an, ergreift ihn und übergibt ihn mit Einverständnis Eschers Zoodirektor Dr. Zimmer, der das Tier zunächst von dem Saarheimer Veterinär Dr. Herbert Huy untersuchen lassen will.

Wenige Tage später erhält Escher nach ordnungsgemäßer Anhörung ein ausführlich begründetes Schreiben des Landespolizeipräsidiums - Polizeiinspektion St. Ingbert -, durch welches er zur Erstattung der Kosten des gesamten Einsatzes in Höhe von 12.500,- Euro aufgefordert wird. Berechnet werden für den Einsatz des Bootskommandos der Polizei am 10. Juli Kosten in Höhe von 125,- Euro nach § 1 Nr. 5 PolKostVO und für den Einsatz der Nass & Tief GmbH vom 11. bis zum 13. Juli Kosten in Höhe von 4.125,- Euro pro Tag (für drei Tage also 12.375,- Euro) gemäß § 3 Satz 2 PolKostVO. Der Bescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen.

Escher ist völlig verzweifelt, da er nicht weiß, woher er das verlangte Geld nehmen soll. Er sucht daher am nächsten Tag den Saarheimer Rechtsanwalt Rudi Rathgeber auf und bittet ihn um Hilfe. Er fühle sich ungerecht behandelt: Erst habe die Polizei von ihm Unmögliches verlangt, indem sie ihn aufgefordert habe, den Kaiman aus dem See zu holen - eine Aktion, für die selbst die Polizei hinterher mehrere Tage gebraucht habe. Außerdem halte er es für ausgeschlossen, dass er auch für die völlig überflüssigen und zudem erfolglos gebliebenen Maßnahmen zahlen müsse, selbst wenn die Kosten richtig berechnet worden seien.

Nachdem Rathgeber zutreffend erkannt hatte, dass artenschutzrechtliche Vorschriften nichts zur Lösung des Falles beitragen können, überlegt er, was zu tun sei.

Was wird Rathgeber für Edgar Escher veranlassen?

Hinweis: Der Polizeiposten Saarheim ist der Polizeiinspektion St. Ingbert angegliedert, deren Dienstbezirk sich auch auf die Stadt Saarheim erstreckt. Innerhalb ihres Dienstbezirkes nimmt die Polizeiinspektion St. Ingbert grundsätzlich alle vollzugspolizeilichen Aufgaben wahr. Die Polizeiinspektion St. Ingbert ist ihrerseits eine Untergliederung des Landespolizeipräsidiums. Diesem Landespolizeipräsidium wird grundsätzlich das Handeln der Polizeivollzugsbeamten zugerechnet. Siehe hierzu § 82 Abs. 2 SPolG i.V.m. der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschrift über Organisation und Aufgaben des Landespolizeipräsidiums.

Lösungsvorschlag

Zu einer nach Berliner Landesrecht zu lösenden Fallvariante bei den Hauptstadtfällen

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polizeimuetze.gif (660 Byte)Teilnehmer des Polizeirechtsrundgangs: Nach Bearbeitung hier lang!


Zeichnung: Dr. Alexander Konzelmann, Stuttgart