Lösungsvorschlag

Dr. Eisenbart-Straße

Stand der Bearbeitung:15. Juli 2023

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Siehe hierzu

 

Der Sachverhalt wirft zwei Rechtsfragen auf: Zunächst die Frage, wer zur Entscheidung über den Widerspruch Dr. Allheils berufen ist, des Weiteren die Frage, ob der Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat.

Erster Teil: Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerspruch

Der Oberbürgermeister ist nicht zur Entscheidung über den Widerspruch berufen, wenn er weder zuständige Behörde für die Entscheidung über die Abhilfe nach § 72 VwGO noch zuständige Widerspruchsbehörde nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ist.

I. Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 VwGO

Die Entscheidung über diese Fragen hängt jedoch zunächst davon ab, ob im Klageverfahren eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 VwGO vorläge, weil nur in diesem Fall die §§ 68 ff. VwGO bezüglich des "Widerspruchs" des Dr. Allheil Anwendung fänden, da die Regelungen über das Widerspruchsverfahren an die Regelungen über die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs anknüpfen.

Anmerkung: Siehe hierzu Hufen, § 6 Rn. 2.

Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 VwGO liegt hier aber vor, weil die Gemeinde bei der Umbenennung von Straßen sicherlich nicht privatrechtlich handelt, auch wenn sie gemäß § 10 Abs. 1 SStrG Eigentümerin der Straße sein sollte. Bei der Straßen(um)bennenung handelt es sich vielmehr zumindest (auch) um eine Ordnungsaufgabe (s. auch unten Erster Teil III 2). Denn die Benennung der Straßen hat zusammen mit der Grundstücksnummerierung die Funktion, Misshelligkeiten vorzubeugen, die sich im Verkehr der Bürger untereinander oder zwischen Bürgern und Behörden ergeben können, wenn Wohnungen, Betriebe, Geschäftsräume oder Dienststellen mangels ausreichender Orientierungsmöglichkeiten nicht oder nur unter Schwierigkeiten aufgefunden werden können, und in Notfällen eine schnelle Erreichbarkeit zu ermöglichen.

Anmerkung: Siehe hierzu auch OVG Hamburg, 2 Bf 134/22.Z v. 10.1.2023, S. 7 f. = NorÖR 2023, 210, 211; OVG Saarlouis, 2 D 305/18 v.2.4.2019, Abs. 6 = NVwZ-RR 2019, 701 Abs. 6; VG Weimar, 1 K 2072/98.We v. 13.10.1999, S. 3 f. = LKV 2000, 464.

Eine derartige Aufgabe kann die Gemeinde jedoch nur mit Wirkung für die Allgemeinheit auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfüllen, so dass Streitigkeiten um die Benennung einzelner Straßen notwendigerweise öffentlich-rechtlicher Natur i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind, so dass die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO Anwendung finden.

Anmerkung: Soweit im Landeskommunalrecht - anders als im Saarland - die Frage der Straßenbenennung explizit geregelt ist (s. u. Erster Teil III 1), ist auf diese Vorschriften abzustellen, s. Arnold, ThürVBl. 2016, 49.

II. Zuständigkeit zur Entscheidung über die Abhilfe (§ 72 VwGO)

Wie sich aus § 72 i.V.m. § 70 Abs. 1 VwGO ergibt, ist die Behörde, die die Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO zu treffen hat, die Behörde, die den mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat. Liegt kein Verwaltungsakt vor (und ist der Widerspruch deshalb unstatthaft, siehe unten B I 3), ist die für die Abhilfe zuständige Behörde dementsprechend die Behörde, die die angegriffene Maßnahme erlassen hat. Der Oberbürgermeister ist demnach nur dann zuständige Behörde für die Abhilfeentscheidung, wenn ihm als Behörde i.S.d. §§ 68 ff. VwGO im Verhältnis nach außen (und damit auch gegenüber Dr. Allheil) die Entscheidung über die Straßenumbenennung zuzurechnen ist.

1. Ortsrat als Behörde?

Dem könnte entgegenstehen, dass nach § 73 Abs. 3 Satz 3 Nr. 9 KSVG der Ortsrat über die Straßenumbenennung entscheidet. Hierdurch könnte das Gesetz dem Ortsrat (ausnahmsweise) Behördenqualität zugesprochen haben, indem es ihn mit der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auch im Verhältnis nach außen betraut, ihm also hinsichtlich der Wahrnehmung dieser Aufgabe zur Behörde macht.

Anmerkung: So Arnold ThürVBl. 2016, 49, 50; Burgi, § 5 Rn. 12, § 13 Rn. 16; Tiesel, BayVBl. 2023, 426, 429.

Dass ein grundsätzlich nur zur internen Willensbildung berufenes Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in bestimmten Fällen für diese juristische Person des öffentlichen Rechts als Behörde tätig wird, ist auch durchaus denkbar.

Anmerkung: Vgl. OVG Bautzen, 2 BS 196/01 v. 24.9.2001, S. 3 = SächsVBl 2002, 42; OVG Lüneburg, 9 L 2432/99 v. 2.11.2000, Abs. 3 = NVwZ-RR 2001, 599. Siehe zum für §§ 68 ff. VwGO maßgeblichen verwaltungsorganisationsrechtlichen (und funktionellen) Behördenbegriff diesen Hinweis und im Übrigen auch den Dissonanzen-Fall und den Nicht-ohne-meine-Hose-Fall.

Auch stände dem nicht bereits entgegen, dass der Ortsrat nicht selbst im Verhältnis nach außen unmittelbar tätig geworden ist, sondern den Oberbürgermeister mit der Mitteilung der Namensänderung durch Rundschreiben, Änderung der Straßenschilder u.ä. beauftragt hat, da hierin auch eine Ermächtigung an den Oberbürgermeister zu sehen sein könnte, für den Ortsrat als Behörde gleichsam als Bote tätig zu werden.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 61.

2. Oberbürgermeister als - den Beschluss des Ortsrats umsetzende - Behörde?

Jedoch ist sehr zweifelhaft, ob mit § 73 Abs. 3 Satz 3 KSVG dem Ortsrat wirklich Behördeneigenschaft und damit eine "Außenvertretungsbefugnis" zugesprochen werden sollte. In Gemeinden, die sich keine Ortsratsverfassung gegeben haben, ist nämlich der Gemeinderat nach § 35 Nr. 1 KSVG für die "Bestimmung und Änderung von Namen" und damit auch für die Änderung von Straßennamen zuständig.

Anmerkung: Siehe hierzu Messerle, in: Lehné/Weirich, § 35 Anm. 2.

Dass diesem keine Behördeneigenschaft und damit keine Außenvertretungsbefugnis zukommt, ergibt sich insoweit aus der allgemeinen Bestimmung des § 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG, nach der der Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats ausführt, er sie also auch nach außen hin umsetzt und ihm deshalb diese Entscheidungen im Außenverhältnis auch zuzurechnen sind. Die Zuständigkeit des Gemeinderates nach § 35 Nr. 1 KSVG ist somit nur im Innenverhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat bedeutsam.

Anmerkung: Vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 50b.

Eine § 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG entsprechende allgemeine Vorschrift über das Verhältnis zwischen Ortsrat und Bürgermeister fehlt nun zwar.

Anmerkung: Anders etwa in Niedersachsen, siehe hierzu § 85 Abs. 1 Satz 3 NKomVG. Zu dessen Bedeutung für Straßenumbenennungen: OVG Lüneburg, 10 ME 265/18 v. 26.6.2018, Abs. 13 = NVwZ 2018, 1236 Abs. 13; OVG Lüneburg, 10 LA 90/22 v. 25.1.2023 = KommJur 2023, 109, 110.

Dennoch wird man § 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG entsprechend auf das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Ortsrat anwenden müssen, weil auch keine entsprechende Vollzugszuständigkeit des Ortsvorstehers besteht - der nach § 75 Abs. 1 Satz 1 Vorsitzender des Ortsrats ist -, falls sie ihm nicht gemäß § 75 Abs. 4 Sätze 3 und 4 KSVG übertragen oder er damit nicht beauftragt worden ist, und eine solche Zuständigkeit auch nicht für etwaige Außenstellen der Gemeindeverwaltung nach § 76 KSVG vorgesehen ist. Man müsste deshalb in allen Fällen, in denen der Ortsrat nach § 73 Abs. 3 KSVG abschließend entscheidet, diesem Behördeneigenschaft zusprechen, was insbesondere im Fall des § 73 Abs. 3 Nr. 1 KSVG zu praktisch unlösbaren Problemen führen würde.

Anmerkung: Anders offenbar Schoch, Jura 2011, 344, 348 und 351; Stumpf, Jura 2012, 543, 544 f.

Für eine entsprechende Anwendung des § 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG auf das Verhältnis zwischen Ortsrat und Bürgermeister spricht auch, dass der Bürgermeister in § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG schlechthin zum Leiter der Gemeindeverwaltung erklärt wird, so dass seine Zuständigkeit als Gemeindebehörde die Regel, die Behördenqualität anderer Gemeindeorgane dagegen die - besonders zu begründende - Ausnahme ist.

Anmerkung: Siehe hierzu Burgi, § 13 Rn. 16 und ferner den Saarphrodite-Fall.

Damit entscheidet der Ortsrat bei der Festlegung eines Straßennamens zwar über den Inhalt der Straßenumbenennungsmaßnahme, ihr kommt aber nur interne Bedeutung zu. Im Verhältnis nach außen, also insbesondere zu den Anliegern, ist die Maßnahme dagegen allein dem Bürgermeister zuzurechnen (obwohl er auf ihren Inhalt keinen Einfluss hatte).

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 53.

3. Ergebnis zu II

Damit ist der Bürgermeister auch die für die Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO zuständige Behörde. Intern hat er aber bei seiner Entscheidung die Zuständigkeit des Ortsrats nach § 73 Abs. 3 Nr. 9 KSVG zu beachten, d.h. er darf nicht abhelfen, wenn dem der Ortsrat nicht zustimmt. Will er abhelfen und stimmt der Ortsrat nicht zu, muss er dem Beschluss des Ortsrats dementsprechend nach § 74 Nr. 17 i.V.m. § 60 KSVG widersprechen.

Anmerkung: Vgl. hierzu auch den Kraftprobe-Fall und den Rathausbrand-Fall.

Somit ist der Oberbürgermeister für die Abhilfeentscheidung gemäß § 72 VwGO zuständig.

III. Zuständigkeit zur Entscheidung über Widerspruch (§ 73 VwGO)

Der Oberbürgermeister als für die Abhilfeentscheidung nach § 72 VwGO berufene Behörde muss den von Dr. Allheil eingelegten "Widerspruch", nachdem er keine Abhilfeentscheidung gemäß § 72 VwGO getroffen hat, weil er den Widerspruch für unzulässig (und deshalb gemäß § 72 VwGO an einer Abhilfeentscheidung gehindert wäre) und darüber hinaus für unbegründet hält (also auch nicht abhelfen will), nach § 73 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorlegen, soweit er - der Oberbürgermeister - nicht selbst - als Widerspruchsbehörde - zur Entscheidung über den Widerspruch berufen ist.

In Betracht kommt hier eine Zuständigkeit des Kreisrechtsausschusses des Saarpfalz-Kreises nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AGVwGO. Die Zuständigkeit des Kreisrechtsausschusses könnte jedoch nach § 8 Abs. 2 AGVwGO beschränkt sein auf die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit, wenn es sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Stadt Saarheim handelt (was auch Voraussetzung für die Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO [Zuständigkeit für Widerspruchsentscheidung in Selbstverwaltungsangelegenheiten] ist). Damit ist zu prüfen, ob es sich bei der Benennung von Straßen um eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Stadt Saarheim, also um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt:

1. Fehlen ausdrücklicher Regelungen

Das KSVG enthält - mit Ausnahme der Vorschrift des § 73 Abs. 3 Satz 3 Nr. 9 KSVG über die Zuständigkeit des Ortsrates - ebenso wenig wie das Saarländische Straßengesetz eine Regelung über die Namensgebung bei Straßen.

Anmerkung: Dies ist anders etwa in Sachsen, wo § 5 Abs. 4 SächsGO ausdrücklich bestimmt: "Die Benennung der Gemeindeteile sowie der innerhalb der bebauten Gemeindeteile dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze und Brücken ist Angelegenheit der Gemeinden. Gleichlautende Benennungen innerhalb desselben Gemeindeteils sind unzulässig." Damit wird die Straßenbenennung ausdrücklich zu den gemeindlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten gezählt. Das OVG Bautzen hat hierzu auch das Recht zur Vergabe von Hausnummern gezählt (OVG Bautzen, 4 A 687/11 v. 13.3.2012, Abs. 4 f. = NVwZ-RR 2012, 694 f.). Ausdrückliche Regelungen, die die Straßenbenennung als Selbstverwaltungsangelegenheit kennzeichnen, enthalten etwa auch die Gemeindeordnungen von Baden-Württemberg (§ 5 Abs. 4 GemO) und Thüringen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 ThürKO). Für Nordrhein-Westfalen bestimmt dagegen § 4 Abs. 2 Satz 3 StrWG NRW: "Die Gemeinden können die öffentlichen Straßen mit einem Namen oder einer Nummer bezeichnen" (was - wegen fehlender anderweitiger Bestimmungen - nach § 2 GO NRW dazu führt, dass es sich um eine Selbstverwaltungsaufgabe handelt).

2. Straßenbenennung als Ordnungsaufgabe

Für die Zuordnung der Straßenbenennung muss daher (aufgrund fehlender ausdrücklicher Regelungen) auf allgemeine Erwägungen zurückgegriffen werden. Wie bereits erwähnt (s. a. Erster Teil I) hat die Benennung der Straßen hat zusammen mit der Grundstücksnummerierung vor allem auch eine Ordnungsfunktion. Stellt man allein hierauf ab, läge ausschließlich eine Ordnungsaufgabe vor, die im Saarland von dem Gemeindebürgermeister als Ortspolizeibehörde (gemäß § 76 SPolG) im Wege der Organleihe für das Land wahrzunehmen ist, weil die Polizei eine Angelegenheit des Landes ist (dieses wird in den §§ 75 ff. SPolG vorausgesetzt, ohne dass es wörtlich festgehalten ist).

Anmerkung: Dass die Ortspolizeibehörden im Saarland im Wege der Organleihe für das Land tätig werden, ist im Saarland herrschende Meinung, wenn auch die Rechtspraxis im Saarland insoweit vielfach inkonsequent ist: Guckelberger, in: Gröpl/Guckelberger/Wohlfarth, § 4 Rn. 11; Wohlfarth, in: Gröpl/Guckelberger/Wohlfarth, § 3 Rn. 37; Messerle, in: Lehné/Weirich, § 6 Anm. 1.3.; a.A. Gröpl, LKRZ 2007, 329, 332 ff. (der die Aufgaben der Ortspolizeibehörden als kommunale Auftragsangelegenheit wertet). In anderen Bundesländern werden die Aufgaben der Ortspolizeibehörden bzw. der Ordnungsbehörden vielfach - auch wenn die gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen gleichlautend sind - den gemeindlichen Aufgaben, nämlich den Auftragsangelegenheiten bzw. den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zugerechnet (vgl. Maurer/Waldhoff, § 21 Rn. 55). Siehe zum Begriff der Organleihe und ihrer Abgrenzung zu anderen Verwaltungsorganisationsformen und den sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen diesen Hinweis.

3. Straßenbenennung als Selbstverwaltungsaufgabe

Neben der Ordnungsfunktion dient die Straßenbenennung aber auch der Wahrung gemeindlicher Tradition, der Ehrung verdienter Bürger und damit der gemeindlichen Selbstdarstellung. Die Auswahl der Straßennamen ist daher (auch bei fehlender ausdrücklicher Regelung in der Gemeindeordnung) eine als Selbstverwaltungsaufgabe wahrzunehmende örtliche Angelegenheit der Gemeinde.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Münster, 15 A 563/84 v. 15.1.1987, Abs. 5 = NJW 1987, 2695; OVG Lüneburg, 10 LA 90/22 v. 25.1.2023 = KommJur 2023, 109, 111; OVG Saarlouis, 2 D 305/18 v.2.4.2019, Abs. 6 = NVwZ-RR 2019, 701 Abs. 6; OVG Weimar, 3 EO 195/20 v. 9.2.2021, Abs. 4 = ThürVBl 2022, 184, 185 (reine Ordnungsaufgabe sei jedoch die Vergabe von Hausnummern); Burgi, § 5 Rn. 12; Ipsen NdsVBl. 2016, 38, 40); Lange, Kap. 2 Rn. 57; Schoch, Jura 2011, 344, 345.

4. Ergebnis zu III

Weil es hier um die Auswahl der Straßennamen geht, ist deshalb zwar gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AGVwGO der Kreisrechtsausschuss zuständig zur Widerspruchsentscheidung, aber nur hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maßnahme; im Übrigen ist die Gemeinde zuständig, d.h. der Oberbürgermeister.

IV. Ergebnis zu A

Im Ergebnis muss daher der für die Abhilfeentscheidung zuständige Oberbürgermeister den Widerspruch dem Kreisrechtsausschuss des Saarpfalz-Kreises zur Entscheidung vorlegen. Weist dieser den Widerspruch als unbegründet zurück, so sind die Ermessenserwägungen des Oberbürgermeisters über die Zweckmäßigkeit des Ausgangsbescheides im Rahmen seiner Nichtabhilfe-Entscheidung in dem Widerspruchsbescheid mitzuteilen.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 39 Rn. 128; Wöckel, in: Eyermann, § 73 Rn. 6.

Dr. Eisenbart-Straße

Zweiter Teil: Erfolgsaussichten des Widerspruchs von Dr. Allheil

Der Kreisrechtsausschuss wird dem Widerspruch Dr. Allheils stattgeben, wenn er zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit

Der Widerspruch ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 68 ff. VwGO vorliegen.

Anmerkung: Zur Zulässigkeit eines Widerspruchs siehe diesen Hinweis.

I. Anwendbarkeit der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 68 i.V.m. § 40 VwGO)

Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. VwGO vor, so dass die §§ 68 ff. VwGO anwendbar sind (s.o. Erster Teil, I).

II. Zuständigkeit

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides ist der Kreisrechtsausschuss des Saarpfalz-Kreises zur Entscheidung über den Widerspruch zuständig (s.o. Erster Teil, II).

III. Statthaftigkeit des Widerspruchs

Der Rechtsbehelf des Widerspruchs wird nach § 68 VwGO enumerativ nur dann gewährt, wenn im Anschluss an das Vorverfahren Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zu erheben wäre. Das setzt gemäß § 42 Abs. 1 VwGO voraus, dass die umstrittene Maßnahme ein Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, des § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ist, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.

Anmerkung: Zum Verwaltungsaktbegriff der VwGO siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15.

Bereits geklärt worden ist, dass die Straßenumbenennung vom Oberbürgermeister und damit von einer Behörde i.S.d. § 1 Abs. 2 SVwVfG erlassen wurde.

Anmerkung: Siehe oben Erster Teil, II; zum verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff und seinem Verhältnis zum verwaltungsorganisationsrechtlichen Behördenbegriff diesen Hinweis.

Zweifelhaft könnte jedoch sein, ob die Straßenumbenennung eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung im Sinne der Legaldefinition des des § 35 VwVfG und der entsprechenden Bestimmungen enthält. Insoweit ist zweifelhaft, ob durch die Umbenennung Rechte der Anwohner begründet, geändert, aufgehoben oder festgestellt werden - also deren Rechtsverhältnis zur Gemeinde geregelt wird.

Anmerkung: Zu diesem Verständnis des Regelungsbegriffs in § 35 VwVfG siehe BVerwG, 2 C 30.78 v. 22.5.1980, Abs. 16 = BVerwGE 60, 144, 145; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 145.

Zwar können durch die Umbenennung Rechtspflichten ausgelöst werden. So ergibt sich z.B. nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 BauGB die Verpflichtung der Eigentümer, die Anbringung von Straßenschildern auf ihrem Anwesen zu dulden. Aus § 24 Abs. 6 Nr. 2 WPflG folgt die Verpflichtung der der Wehrüberwachung unterliegenden Wehrpflichtigen, dem Kreiswehrersatzamt den neuen Straßennamen mitzuteilen, damit etwaige Mitteilungen sie unverzüglich erreichen. Derartige Pflichten sind keine unmittelbaren Wirkungen der Umbenennung. Durch die Umbenennung wird vielmehr allein eine rechtserhebliche Tatsache geschaffen, und entfaltet damit nur intransitive Wirkungen der im Hinblick auf die Straße getroffenen Maßnahme auslöst. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Anwohner ihr Briefpapier, ihre Stempel o.ä. ändern lassen und die Anschriftenänderung anderen mitteilen müssen; denn das sind keine Rechtswirkungen, sondern nur faktische Auswirkungen. Dies bedeutet, dass durch die Umbenennung keine Rechte der Anwohner begründet, geändert, aufgehoben oder festgestellt werden. Im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG (und der entsprechenden Bestimmungen) "regelt" die Umbenennung damit die Rechtsverhältnisse Anwohner nicht.

Dennoch zeigen gerade diese faktischen Auswirkungen, dass die Zuteilung eines neuen Straßennamens nicht nur einen rein behördeninternen Vorgang bildet, sondern den Rechtskreis der Anlieger berührt, ohne sie zum Adressaten der Maßnahme zu machen. Die Umbennenung betrifft unmittelbar eine öffentliche Sache - die umbenannte Straße - und regelt deren mit der Verkehrsfunktion und Erschließungsfunktion der Straße zusammenhängende öffentlich-rechtliche Eigenschaft bzw. deren Nutzung durch die Allgemeinheit. § 35 Satz 2 Alt. 2 und 3 VwVfG, § 31 Satz 2 Alt. 2 und 3 SGB X, § 118 Satz 2 Alt. 2 und 3 AO und die entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder qualifizieren derartige sachbezogene Einzelfallmaßnahmen als Unterform der Allgemeinverfügung.

Anmerkung: Siehe hierzu VGH Mannheim, I 3964/78 v. 12.5.1980, Abs. 14 f. = NJW 1981, 1749; VGH München, 8 B 86.01328 v. 19.2.1988, Abs. 9 = BayVBl. 1988, 496; OVG Münster, 15 A 563/84 v. 15.1.1987, Abs. 2 = NJW 1987, 2695; Schoch, Jura 2011, 344, 345; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 327.

Auch derartige Allgemeinverfügungen sind Verwaltungsakte i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, des § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder und damit i.S.d. VwGO.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 274.

Daher ist der Widerspruch statthaft.

IV. Widerspruchsbefugnis

Dr. Allheil müsste entsprechend dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 2 VwGO widerspruchsbefugt sein (wie sich aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ablesen lässt, wo von "dem Beschwerten" die Rede ist - der Popularwiderspruch des Nichtbeschwerten soll ausgeschlossen sein). Der Widerspruchsführer muss also geltend machen, durch die Rechtswidrigkeit oder die Zweckwidrigkeit in seinen Rechten verletzt zu sein.

Insoweit ist hier problematisch, dass die Straßenumbenennung als sachbezogene Allgemeinverfügung (s. o. Zweiter Teil, A III) nicht an Dr. Allheil - ebenso wenig wie an andere Anlieger - gerichtet ist. Sein Widerspruch (als "Dritter" bzw. "Drittbetroffener") kann daher mangels unmittelbarer Rechtsbetroffenheit nur dann erfolgreich sein, wenn der Verwaltungsakt Drittwirkung hat, d.h. eine Verletzung von Grundrechten oder einfach-gesetzlichen Normen als möglich erscheint, die den Betroffenen als Teil eines normativ hinreichend deutlich abgegrenzten Personenkreises gerade auch vor dem betreffenden rechtswidrigen Verwaltungsakt schützen wollen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 1 C 157.79 v. 23.3.1982, Abs. 22 = BVerwGE 65, 167, 171.

Derartige drittschützende Normen können sowohl zwingende als auch solche Rechtssätze sein, die der Behörde ein Ermessen einräumen. Voraussetzung ist aber stets, dass der Betroffene sich auf die Verletzung eines Rechtssatzes stützen kann, der jedenfalls auch dem Schutz seiner Individualinteressen dient und ihm damit ein subjektiv-öffentliches Recht auf dessen Beachtung gewährt, so dass ihm zumindest ein normativ ableitbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, IV C 49.68 v. 7.1.1972, Abs. 32 = BVerwGE 39, 235, 237.

Eine Beeinträchtigung allein der Interessen reicht für die Bejahung der möglichen Rechtsverletzung nicht aus. Daher ist fraglich, aus welchen Vorschriften Dr. Allheil Rechte herleiten könnte, die durch die Straßenumbenennung verletzt werden könnten.

1. Verletzung der § 48 Abs. 1 Satz 2, § 49 Abs. 2 SVwVfG als mögliche Verletzung drittschützender Normen?

Dr. Allheil könnte insoweit geltend machen, dass zu seinem Nachteil die Vorschriften über die Aufhebung von ihn begünstigenden Verwaltungsakten (§ 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 bis 4, § 49 Abs. 2 und 5 SVwVfG) nicht beachtet worden wären. § 48 Abs. 2 bis 4, § 49 Abs. 2 und 5 SVwVfG beschränken jedoch nur die Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten i.S.d. Legaldefinition des § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG. Daher ist fraglich, ob die ursprüngliche Straßenbenennung ein gerade Dr. Allheil begünstigender Verwaltungsakt war. Zugunsten Dr. Allheils als Anlieger wurde durch die früher erfolgte Zuteilung eines Straßennamens jedoch kein rechtlich erheblicher Vorteil begründet: Hierdurch wurde die Rechtsstellung der Anlieger weder unmittelbar noch mittelbar erweitert, insbesondere wird durch die Bestimmung der Wohnanschrift auch nicht das Persönlichkeitsrecht der Anwohner (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berührt, weil die Bezeichnung der Wohnung nicht zum geschützten Bereich privater Lebensgestaltung gehört. Ebenso wenig wird der zugeteilte Straßenname Bestandteil des Grundeigentums; der Straßenname gehört vielmehr nur zu den das Grundstückseigentum tatsächlich mitbestimmenden Gegebenheiten, deren Fortbestand nicht rechtlich geschützt ist. § 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 bis 4, § 49 Abs. 2 und 5 SVwVfG waren somit mangels rechtserheblicher Begünstigung von Dr. Allheil ihm gegenüber gar nicht zu beachten.

Anmerkung: Vgl. OVG Münster, 15 A 563/84 v. 15.1.1987, Abs. 5 ff. = NJW 1987, 2695, 2696; Schoch, Jura 2011, 344, 349; Stumpf, Jura 2012, 543, 548.

Da somit durch Zuteilung des neuen Straßennamens die Benennung geändert werden konnte, ohne dass dem die einschränkenden Vorschriften von § 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 bis 4, § 49 Abs. 2 und 5 SVwVfG entgegenstanden, lässt sich dementsprechend hieraus auch kein Anspruch Dr. Allheils auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens nach § 48 Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 2 SVwVfG ableiten; denn das Vertrauen des Einzelnen auf Fortbestand einer einmal getroffenen Regelung wird nur insoweit geschützt, als ihm ein Recht oder ein rechtlich erheblicher Vorteil vermittelt wird.

Anmerkung: Bei der Straßenumbenennung handelt es sich um einen zweigliedrigen Akt: der Beseitigung der bisherigen Straßenbenennung und der Neubenennung. Der VGH München (VGH München, 8 BV 08.3320 v. 2.3.2010, Abs. 32 = BayVBl. 2010, 599) nimmt inzwischen an, dass es sich bei der zur Änderung des Straßennamens ermächtigenden Norm um eine Spezialregelung handele, die die Änderung einer bestehenden Regelung wesensmäßig in sich trage. Da eine Straße aus zwingenden ordnungsrechtlichen Gründen nicht zeitweise namenslos werden dürfe, könne der bisherige Straßenname nur durch eine Neubenennung aufgehoben werden, eine isolierte Aufhebung nach § 48, § 49 LVwVfG komme nicht in Betracht (siehe hierzu auch Arnold, ThürVBl. 2016, 49, 52; Schoch, Jura 2011, 344, 347).

2. Mögliche Verletzung von Grundrechten

Fehlt es somit an einer einfach-gesetzlichen speziellen Vorschrift, der ein verletztes Recht Dr. Allheils entnommen werden könnte, so ist doch andererseits nicht von der Hand zu weisen, dass es durch eine Straßenumbenennung im Einzelfall zu Grundrechtsbeeinträchtigungen kommen kann, etwa bei Wahl eines besonders anstößigen Namens oder wenn sich eine Straßenumbenennung im Einzelfall auf ein Unternehmen ausnahmsweise einmal ruinös auswirken kann. Insofern wird man zugunsten jedes Anliegers annehmen müssen, dass bei Straßenumbenennungen ein Anspruch auf den Schutz seiner Interessen besteht, der sich allerdings in einem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung erschöpft, aber insoweit gerichtlich durchsetzbar ist.

Anmerkung: Siehe hierzu etwa BayVerfGH, Vf. 17-VI-11 v. 25.9.2012, Abs. 20 = NVwZ-RR 2013, 1, 2; OVG Lüneburg, 10 LA 90/22 v. 25.1.2023 = KommJur 2023, 109, 111 ff.; VGH Mannheim, I 1558/78 v. 13.11.1978, Abs. 13 f.. = NJW 1979, 1670, 1671; VGH Mannheim, I 3964/78 v. 12.5.1980. Abs. 20 ff. = NJW 1981, 1749; VGH München, 8 B 86.01328 v. 19.2.1988, Abs. 14 = BayVBl. 1988, 496; VGH München, 8 BV 08.3320 v. 2.3.2010, Abs. 40 = BayVBl. 2010, 599 ff.; OVG Münster, 15 B 1517/07 v. 29.10. 2007, Abs. 17 ff. = NVwZ-RR 2008, 487 f.; OVG Münster, 5 A 353/11 v. 29.2.2012, Abs. 4 ff. = NVwZ-RR 2012, 541 f. [für Hausnummerumnummerierung]; VG Arnsberg, 7 K 2014/15 v. 6.7.2017, Abs. 33 = NWVBl. 2017, 485, 487; Schoch, Jura 2011, 344, 348 ff.; a. A. noch OVG Münster, 15 A 563/84 v. 15.1.1987, Abs. 8 = NJW 1987, 2695, 2696.

Die Anlieger haben damit kein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass eine bestimmte Benennung erfolgt oder unterbleibt, wohl aber darauf, dass die Gemeinde ihre rechtlich geschützten Interessen mit den öffentlichen Interessen abwägt, z. B. bei Umbenennungen, aus denen sich wirtschaftliche Folgen ergeben können, weil insoweit Art. 12 und Art. 14 GG in Form des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schutz vermitteln.

Anmerkung: Zur Frage, inwieweit das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird (im Ergebnis offengelassen): BVerfG, 1 BvR 2821/11 u. a. v. 6.12.2016, Abs. 240 = BVerfGE 143, 246, 331 f.

Hier ist nicht von vornherein auszuschließen, dass Dr. Allheil durch die Straßenumbenennung in seinem grundrechtlich durch Art. 14 und Art. 12 GG geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt wird. Diese Möglichkeit reicht für die Bejahung der Widerspruchsbefugnis aus.

Anmerkung: Schoch (Jura 2011, 344, 348 ff.) hält einen Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG für geboten. Nach OVG Münster (OVG Münster, 15 B 1517/07 v. 29.10.2007, Abs. 11 ff. = NVwZ-RR 2008, 487 f.) liegt kein Grundrechtseingriff vor, da durch den sachbezogenen Verwaltungsakt keine Ge- oder Verbote ausgesprochen werden. Die Widerspruchsbefugnis ergebe sich vielmehr aus dem einfachen Recht, das die Gemeinden mit der in ihr Ermessen gestellten Entscheidung über die Straßenumbenennung (vgl. § 5 Abs. 1 KSVG) betraut, da diejenigen, die als Anlieger in einem besonderen Näheverhältnis zur Straße stehen, durch nachteilige Folgen tatsächlicher und rechtlicher Art besonders betroffen sein können (vgl. hierzu die krit. Auseinandersetzung von Schoch, Jura 2011, 344, 349).

3. Ergebnis zu IV

Dementsprechend erscheint eine Verletzung von Grundrechten Dr. Allheils durch die Straßenumbenennung als möglich, so dass auch die Widerspruchsbefugnis gegeben ist.

VII. Form und Frist

Die Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 VwGO wurde eingehalten, da eine Rechtsbehelfsbelehrung der Straßenumbenennung nicht beigefügt wurde, so dass gemäß § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist gilt. Auch die Form des Widerspruchs (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist gewahrt.

VII. Ergebnis zu A

Der Widerspruch ist damit insgesamt zulässig.

B) Begründetheit

Der Widerspruch ist - in sinngemäßer Anwendung des in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Rechtsgedankens - begründet, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dann ist die Widerspruchsbehörde (in einer mit der Anfechtungsklage durchsetzbaren Weise) verpflichtet, den Ausgangsbescheid aufzuheben.

Anmerkung: Zur Begründetheit eines Widerspruchs siehe diesen Hinweis.

Durch die Straßenumbenennung kann Dr. Allheil also in seinem aus seinen Grundrechten herleitbaren Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Straßenbenennung unter Berücksichtigung seiner Interessen verletzt worden sein (s. o. Zweiter Teil, A IV). Dies ist der Fall, wenn die sich aus § 5 Abs. 1 KSVG ergebende Befugnis der Gemeinde, alle öffentlichen Aufgaben zu erfüllen und damit auch Straßen (um-)zubenennen, für die in Gemeindebezirken der Ortsrat nach § 73 Abs. 3 Satz 3 Nr. 9 KSVG zuständig ist, nicht ordnungsgemäß ausgeübt wurde, also wenn die Ermessensentscheidung, die "Königin-Luise-Straße" in "Dr.-Eisenbart-Straße" umzubenennen, nicht formell und materiell ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Münster, 15 B 1517/07 v. 29.10.2007, Abs. 21 f. = NVwZ-RR 2008, 487, 48; allgemein zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis.

I. Formelle Fehler der Straßenumbenennung

Die interne Zuständigkeit des Ortsrats für die (als Selbstverwaltungsangelegenheit den Gemeinden obliegende Befugnis zur) Straßenumbenennung war gemäß § 73 Abs. 3 Satz 3 Nr. 9 KSVG gegeben, und der Ortsrat hat hiervon auch Gebrauch gemacht, indem er die neuen Namen selbst festgelegt hat. Der Oberbürgermeister war auch zur Umsetzung der vom Ortsrat getroffenen Entscheidung zuständig (s.o. A II).

Auch die Verfahrensvorschriften der §§ 9 ff. SVwVfG sind eingehalten worden, insbesondere konnte von einer Anhörung der betroffenen Anlieger nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 SVwVfG abgesehen werden, weil die Umbenennung eine Allgemeinverfügung ist.

Anmerkung: Siehe hierzu auch VGH München, 8 B 86.01328 v. 19.2.1988, Abs. 12 = BayVBl. 1988, 496; Schoch, Jura 2011, 344, 351. Allerdings könnte man hier auch erwägen, das Absehen von einer Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 SVwVfG als ermessensfehlerhaft anzusehen, so dass sich die Frage einer Heilung nach § 45 SVwVfG stellen würde, vgl. Stumpf, Jura 2012, 543, 548 f.

II. Ordnungsgemäße Bekanntgabe der Straßenumbenennung

Zudem müsste die Umbenennung auch nach § 41 SVwVfG ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sein.

Anmerkung: Siehe zur Prüfung des § 41 SVwVfG im Rahmen der Begründetheit und nicht bei der Frage der Statthaftigkeit des Widerspruchs auch den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall.

Gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 SVwVfG können Allgemeinverfügungen öffentlich bekanntgegeben werden, soweit eine Einzelbekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Die Voraussetzungen der öffentlichen Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 Satz 2 SVwVfG liegen hier vor: Bei sachbezogenen Allgemeinverfügungen i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 2 und 3 SVwVfG ist eine Bekanntgabe an die Beteiligten (vgl. § 13 SVwVfG) nämlich nicht nur untunlich, sondern - weil es sich um adressatenlose Verwaltungsakte handelt, die letztlich die Rechtsbeziehungen von jedermann zu einer bestimmten Sache regeln - auch unmöglich.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 C 26/19 v. 22.1.2021, Abs. 34 ff. = BVerwGE 171, 156 Abs. 34 ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 Rn. 153.

Die Form der öffentlichen Bekanntgabe entspricht zwar nicht § 41 Abs. 4 SVwVfG, aber die Vorschrift ist auch nicht auf Fälle der vorliegenden Art zugeschnitten, in denen es an einem schriftlichen Verwaltungsakt (und auch an einem verfügenden Teil i.e.S.) fehlt. Vielmehr gilt hier allein § 41 Abs. 3 SVwVfG, der für nicht-schriftliche Verwaltungsakte grundsätzlich jede Form öffentlicher Bekanntgabe zulässt. Bei Straßenumbenennungen wird dementsprechend davon ausgegangen, dass eine Bekanntgabe an die Anwohner durch Rundschreiben und - vor allem - die Anbringung von Straßenschildern jedenfalls genügt, wie auch bei Verkehrszeichen die Aufstellung ausreicht.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 332 ff.

Dementsprechend ist die Straßenumbenennung auch ordnungsgemäß öffentlich bekanntgegeben worden. Dies hat zur Folge, dass sie ab Bekanntgabe für und gegen jedermann und damit auch gegenüber Dr. Allheil gilt.

Anmerkung: Zu diesen Folgen der öffentlichen Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung: BVerwG, 1 VR 14.17 v. 10.1.2018, Abs. 24 und 31 = NVwZ 2018, 1485 Abs. 24 und 31; BVerwG, 6 C 26/19 v. 22.1.2021, Abs. 19 = BVerwGE 171, 156 Abs. 19; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 Rn. 136 ff. Die hier beschriebenen Wirkungen der öffentlichen Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung sind im Grundsatz unbestritten (s. auch U. Stelkens, NJW 2010, 1184, 1185 f. m.w.N.). Das BVerwG (BVerwG, 3 C 37/09 v. 23. 9. 2010, Abs. 14 ff. = BVerwGE 138, 21 Abs. 14 ff.) hat in Bezug auf Verkehrszeichen allerdings entschieden, dass ein Verkehrszeichen - obwohl es öffentlich bekannt gegeben werde - gegenüber dem Betroffenen erst wirksam werde, wenn er sich erstmals dem Schild gegenübersehe. Erst dann beginne auch die Rechtsbehelfsfrist für den Betroffenen zu laufen (die Frist beginne aber nicht erneut zu laufen, wenn sie sich dem Schild erneut gegenübersehe). Alles andere sei mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar (siehe hierzu ausführlich den Abgeschleppt-und-Abgezockt-Fall). Diese Entscheidung ist schon im Hinblick auf die Wirkungen der öffentlichen Bekanntgabe von Verkehrszeichen kaum noch nachvollziehbar (näher zu den Gründen auch Ehlers, JZ 2011, 155 ff.; Kümper, JuS 2017, 833, 837 f.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 333a; die Entscheidung des BVerwG dagegen billigend: Beaucamp JA 2016, 436, 437; Mauer, in: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, 2011, S. 1013, 1020 f.; Muckel, JA 2011, 477 ff.; Schoch, Jura 2012, 26, 31 f.; Weidemann/Barthel, JA 2014, 115, 117). Jedenfalls handelt es sich um eine "Sonderrechtsprechung" für Verkehrszeichen, die sich nicht auf die Frage übertragen lässt, wann und wem gegenüber andere Allgemeinverfügungen als Verkehrzeichen wirksam werden (siehe erneut BVerwG, 1 VR 14.17 v. 10.1.2018, Abs. 24 und Abs. 31 = NVwZ 2018, 1485 Abs. 24 und Abs. 31). Siehe zur öffentlichen Bekanntgabe auch den Ausgehöhlt-Fall, den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall und den Sammlerstücke-Fall.

III. Materielle Fehler

Die Straßenumbenennung ist materiell rechtswidrig, wenn der Ortsrat bei der Ausübung des ihm nach dem Sinn des § 73 Abs. 3 Satz 3 Nr. 9 KSVG intern eingeräumten Ermessens gegen § 40 SVwVfG verstoßen hat. Hier könnte er mit der Wahl des Namens "Dr.-Eisenbart-Straße" die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten haben (§ 40 Alt. 2 SVwVfG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinde bei der Benennung und Änderung von Straßennamen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zusteht. Welche Namen sie wählt, ist grundsätzlich ihr überlassen (Wahrung von Tradition oder Bruch damit, Ehrung verdienter Bürger, Erleichterung der Auffindbarkeit etc.). Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind jedoch dann überschritten, wenn die Straßenbenennung zu Grundrechtsbeeinträchtigungen führt oder wenn die Benennung in Widerspruch zu den Belangen der gesamten Gemeinde steht.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Lüneburg, 10 ME 265/18 v. 26.6.2018, Abs. 17 ff. = NVwZ 2018, 1236 Abs. 17 ff.; OVG Lüneburg, 10 LA 90/22 v. 25.1.2023 = KommJur 2023, 109, 113; Stumpf, Jura 2012, 543, 551 f.

Bei der Verwendung des Namens "Dr. Eisenbart" handelt es sich allerdings nicht um eine Maßnahme, die das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) beeinträchtigt; denn der Name ist gewiss nicht in einer Weise anstößig, die den Anwohnern nicht zugemutet werden könnte.

Jedoch ist vorliegend das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht Dr. Allheils am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, weil die auch für den Ortsrat erkennbaren Interessen Dr. Allheils unberücksichtigt geblieben waren: Zwar kann Dr. Allheil nicht mit Erfolg einwenden, es sei rechtswidrig, die schon seit einem Jahrhundert bestehenden Straßennamen zu ändern; denn es hält sich durchaus im Rahmen der gemeindlichen Gestaltungsfreiheit, Fürstennamen nicht mehr für zeitgemäß zu halten.

Aber der für die Straße gewählte Name "Dr. Eisenbart" (im heutigen Sprachgebrauch Synonym für Quacksalber) ist für Dr. Allheil gewiss geschäftsschädigend. Es lässt sich auch dem Sachverhalt nicht entnehmen, dass besondere Gründe dafür sprechen, gerade diesen Namen zu verwenden, etwa weil das Geburtshaus Eisenbarts in der Straße läge (sein Geburtsort ist vielmehr Oberviechtach/Oberpfalz) oder er dort länger praktiziert hätte o.ä. Der Name "Dr.-Eisenbart-Straße" war sicherlich nicht erforderlich, um in dem vom Ortsrat gewählten Rahmen die "Königin-Luise-Straße" umzubenennen; die durch Art. 14 GG geschützten Interessen Dr. Allheils sind jedenfalls unberücksichtigt geblieben.

Dr. Allheil hat zwar keinen Anspruch auf Beibehaltung des Namens "Königin-Luise-Straße", nur weil er die Luisen-Klinik dort betreibt, aber bei der Umbenennung ist nicht ermessensfehlerfrei (abwägungsfehlerfrei) verfahren worden, weil Dr. Allheil (ausnahmsweise) in seinem rechtlich geschützten Interesse auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, das sich aus Art. 14 Abs. 1 GG herleitet, verletzt ist.

Anmerkung: Siehe hierzu auch Schoch, Jura 2011, 344, 352.

IV. Ergebnis zu B

Die Straßenumbenennung war somit rechtswidrig und verletzte Dr. Allheil in seinen Rechten. Sein Widerspruch ist damit begründet.

C) Ergebnis zum Zweiten Teil

Der Widerspruch Dr. Allheils ist zulässig und begründet. Der (dingliche) Verwaltungsakt ist daher vom Kreisrechtsausschuss im Widerspruchsverfahren aus Rechtmäßigkeitsgründen aufzuheben.

Fragen und Anregungen zur Lösung? stelkens@uni-speyer.de

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